Einzig und allein wenn ich Aufschreien würde, würden meine Nachbarn mich hören und sich melden. Wenn das Licht bis nach drei Uhr morgens an bleiben würde, würden sie nichts sagen und auch wenn der Fernseher noch lief, oder der Kamin noch brannte nicht. Ein einziger Schrei und sie wären beinahe zeitgleich zur Stelle. Ich durfte also nicht schreien.
Auf den Zehenspitzen tappste ich auf dieses Monster zu, hielt die Fliegenklatsche schlagbereit und blieb einen Meter vor dem Vieh stehen. Ich schloss meine Augen, als ich zum tödlichen Schlag ansetzte und öffnete sie erst, als die Klatsche wieder eine Distanz zur Wand aufgebaut hatte. Ich hatte es verfehlt.
Angeekelt sah ich es aus zusammengekniffenen Augen an, als es sich in Bewegung setzte und schlug dann wütend auf den Körper ein. Meinen Käse konnte ich vergessen. Der nun Tote Körper klebte an der Wand und ich konnte nichts anderes tun, als ihn mit Klopapier zu überdecken. Es sah nicht wirklich schön aus in meiner Küche, aber es funktionierte. Ich musste ihn nicht mehr sehen.
Ich räumte die Klatsche geordnet in den Schrank und warf den Käse in den Mülleimer hinterm Haus. "Wenigstens dass ist erledigt." Wieder in der Küche füllte ich mir ein Glas mit Wasser und trank auf meinen Sieg über das Untier. Als ich fertig War stellte ich das Glas auf die Ablage und begann den Tee für den nächsten Tag zu kochen, was ich immer tat, bevor ich schlafen ging. Es War eine komische, unnötige und Teebeutel verschwendende Maßnahme, aber ich brauchte sie.
Als ich endlich mit allem fertig War, zog ich den Teebeutel aus dem Wasser, warf ihn weg und löschte das Licht.
"Na-na. Liebe Miss Jamison... Das würde ich lieber wieder an machen."
Ich zuckte zusammen und versuchte, den Schrei in meiner Kehle zurückzuhalten. Es gelang.
"Was tun Sie hier?", zischte ich, schaltete das Licht ein und drehte mich um. "Wie kommen sie in mein Haus?"
Es War mir wirklich ein Rätsel. Alle Türen und Fenster waren verriegelt. "Geheimnis. Und wenn ich es ihnen sagen würde, wäre es doch kein Geheimnis mehr, oder? Wäre doch schade."
Finster blickte ich den Mann an, der mir gegenüber im Wohnzimmer an dem -geschlossenen- Fenster lehnte. Ich verspürte Panik in mir aufkommen. Wie War er hier rein gelangt? Hatte ich nicht aufgepasst? Der Mann War circa sechs Fuß hoch und hatte schwarzes, gelocktes Haar.
Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf. "Tee? Ich habe eben erst welchen gekocht. Ist noch warm." Ich ging auf den Schrank zu und holte zwei Teetassen heraus.
"Dazu sage ich nicht nein." Er setzte sich in einen Sessel. "Herzliches Beileid. Soll ich von John ausrichten." Ich sah den Typen verwirrt an, der jetzt von seinem Handy aussah.
"Wer ist John und wieso Beileid?"
"Ihr Date ist nicht gut verlaufen. Er hat ihnen einen Laufpass gegeben, was ich ihm auch nicht verübeln kann."
Ich musterte den Typen nun ängstlich und wich einen Schritt zurück. "Woher wissen sie, dass-"
"Ihre Wimperntusche ist verschmiert, den Lippenstift tragen sie noch, aber ebenfalls verwischt. Das Portemonnaie liegt unordentlich auf dem Kühlschrank und die Rechnung sieht heraus. Die Jacke hängt nicht an der Garderobe, sondern über dem Küchenstuhl. Sie waren wütend, schmissen ihre Jacke auf den Stuhl, das Portemonnaie mit der Rechnung, die sie mit ihm Verbindet auf den Kühlschrank, sie waren verletzt, haben geweint, weshalb es ihnen nicht gelang den Lippenstift ordentlich abzuwischen. Schließlich haben sie es ignoriert und sich an das Problem mit der Spinne gemacht." Er stand galant auf, öffnete die Tür und warf die Spinne samt Klopapier hinten auf den Boden. "Problem beseitigt, ich werde sie später wegschmeißen. Ordentlich.", erklärte er und setzte sich wieder in den Sessel. "Ist der Tee fertig?"
Ich servierte den Tee. Ich War viel zu neugierig auf diesen Mann. Ich setzte mich in den anderen Sessel. "Was wollen Sie von mir?"
"Liegt das nicht auf der Hand?" Ich schüttelte den Kopf. Das einzige was auf meiner Hand lag War ein Plätzchen, welches er sicher nicht meinte.
Er stöhnte genervt auf. "Menschen... Vor drei Jahren wurde ihre Tote Mutter aufgefunden. Heute bin ich an diesem Fall, da er überaus wichtig für meinen aktuellen ist, brauche ich jegliche Informationen über sie. Folglich möchte ich mir ihr Zimmer ansehen."
Ich stellte meine Teetasse beiseite. "So etwas wie Mitgefühl besitzen sie nicht, oder?" Ich sah ihn wütend an, als er verneinte, ignorierte es dann aber. "Im Gang. Die Tür hinten durch.", erklärte ich knapp ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Er sprach kein Wort mehr, verließ den Raum und begab sich in das alte Schlafzimmer meiner Eltern. Das Zimmer, in dem meine Eltern vor vier Jahren noch zusammen gelebt hatten.
Ich seufzte leise und wollte ihm gerade ins Schlafzimmer folgen, als sein Handy piepste. Neugierig nahm ich es in die Hand und las die SMS.
Und? Ist es dieselbe Frau?
Ich legte das Handy zur Seite, achtete aber nicht darauf, wie ich es hinlegte. Er würde eh merken, dass ich dran gewesen War. Ich folgte ihm ins Schlafzimmer, indem er sich aber nicht mehr befand. "Was haben sie in meinem Zimmer zu suchen?"
"Sie sollten ihre Bücher wieder putzen. So kann ihnen niemand mehr abnehmen, dass sie lesen. Das bringt nichts mehr.", meinte er nur."Stopp... Ich erinnere mich. Sie standen in den Zeitungen Sherlock."
"Sherlock? Und weiter?" Er sah fragend zu mir herunter und Scannte mich kurz ein. "Allein, keine Geschwister, obwohl ihr Haus noch drei einzelne Zimmer hat, Eltern beide verstorben... Großeltern haben sie ebenfalls nicht mehr und Verwandtschaft lebt in den Alpen, zu weit weg. Sie hatten bis gestern einen kleinen Hund im Haus, den sie aber für eine kurze Zeit bei ihrer Freundin deponierten... Die Frage ist: Wieso?"
"Holmes.", antwortete ich nur auf seine erste Frage, der Rest wurde mir zu viel. Ich hatte schon genug fragen beantwortet heute.
"Richtig."
"Sie waren doch dieser Tote Schwindler, oder? Es War eine andere Leiche, nicht? Sie sollten es John sagen. Die SMS konnte mich nicht wirklich überzeugen. Er weiß es nicht."
Fragend legte er seine Stirn in Falten. "Weshalb haben sie nicht schon eben gezeigt, dass sie kein Mensch sind?"
"Ich bin ein Mensch. Tut mir leid, ich muss sie enttäuschen. Ich bin eindeutig Mensch... Ich spiele halt gerne."
"Sie 'spielen'?"
"Ja. Spielen. Ich spiele. Wie lange muss ich jetzt noch warten bis sie sich ins Wohnzimmer setzen?"
Vor mir heran ging er ins Wohnzimmer, griff nach seiner Teetasse und trank einen Schluck. "Und was machen wir jetzt?", fragte ich, während ich mich zu ihm setzte.
"Reden."
"Und worüber?" Auffordernd sah ich zu ihm, was mir einen Seufzer einbrachte.
"Wissen Sie."
Ich verdrehte genervt meine Augen. "Stimmt. Aber wären sie so nett es mir zu erklären?"Er ignorierte meine Frage geflissentlich und sah sich wieder um. Seine Hand fühlte über die Kante des Bettes, bevor sie dort verharrte, da sein Blick wohl etwas interessanteres entdeckt hatte: Meinen kleinen Fernseher, der seit einigen Tagen auf dem Boden neben meinem Bett stand.
"Wer hat ihnen den verkauft?", fragte er und trat auf das kleine Elektroteil zu. "Woher ist der? Straßenverkauf, aber WER war der Verkäufer?"
Ich legte verwirrt meine Stirn in Falten. Was hatte das jetzt mit einem Gespräch zu tun? Er war offenkundig abgelenkt, bei einem anderen Thema angelangt, aber ich war auf das alte, eigentliche Thema gespannt. Ich wollte wissen, worüber er noch vor drei Sekunden mit mir hatte reden wollen. Ich war neugierig, beantwortete sein Frage aber, da ich einsah, dass es nichts brachte ihn danach zu fragen.
"Ein Mann. Alt, groß, aber noch recht gut in Form. Keinerlei Probleme beim Bewegen, obwohl er längst über 90 sein musste, weshalb sich mir auch nicht erschließt, warum er noch, mit diesem Alter, Sachen auf der Straße verk..." Ich wurde unsanft durch seine Worte unterbrochen:
"Er verkauft nichts auf der Straße, er hat ihnen nur diesen Fernseher verkauft. Ich kann ihnen den Grund auch nennen, werde es aber nicht. Jetzt ist nur interessant, dass wir schnellstmöglich hier aus kommen."

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Sherlock
FanfictionKurzgeschichten zu dem großen Sherlock Holmes 《Besuch um Mitternacht》