Spirit und die Straße

Lieferung

Jeder hätte vermutet, dass in den Päckchen Geld oder berauschende Drogen wären, kostbares Diebesgut oder dergleichen, aber es ist viel grundlegender als das.

Es sind Nährstoffpillen.
Eine reicht um dich einen Tag lang mit allem zu versogen was dein Körper zum Überleben brauchst.
Allerdings gibt es zahlreiche unangenehme Nebenwirkungen die von Müdigkeit und Übelkeit bis zum Herzstillstand bei einer Überdosis reichen.
Daher wurden die Pillen kurz nachdem sie auf den Markt kamen verboten.
Der Grund aus dem ich auf den ,,Stoff'' verzichte ist der Gewöhnungseffekt.
Man wird abhängig und kann irgendwann nicht mehr nur eine Pille am Tag nehmen. Das führt früher oder später zur tödlichen Überdosis.
Abhängige erkennt man ziemlich schnell daran, dass sie nie etwas essen und trotzdem zunehmen. Besonders arme Teile der Bevölkerung sind davon betroffen, da man den Stoff früher an sie ausgeteilt hatte. Weniger um sie vor dem Hungertod zu bewahren, sondern weil reguläres Essen teuer ist. Glücklicher Weise habe ich es schon immer gehasst Tabletten zu schlucken, sonst würde ich mich sicher über den Inhalt meiner Päckchen her machen.
Außerdem sind die beiden beigen Bündel für jemand anderen bestimmt.
Und Gavin wird sich freuen.
Er ist kein Abhängiger.
Er ist kein Bulle.
Er ist Verteiler.
Man könnte das Kind natürlich auch beim Namen nennen und ihn als Dealer bezeichnen, aber er zieht ,,Verteiler" vor. 
Ich hab mich dran gerwöhnt, es stört mich nicht und solange er ein (mehr oder weniger) verlässlicher Partner bleibt braucht mich das auch nicht weiter kümmern.

Gavin kommt an alles was man will.

Gavin hat Verbindungen zu allen.

Gavin liefert alles.

Und ich liefere Gavin grade erneut seine gefragteste Ware.

Zielstrebig steuere ich auf ein verfallendes Fabrikgebäude zu. In diesem verblühten Industriegebiet gibt es viele solcher Bauten aus leuchtenden Zeiten.
Nun ist dies ein Friedhof.
Nicht nur für die sterbenden Gebäude.
Für die Hoffnungen und Ziele der halblebendigen Gestalten die sich hier rumtreiben.
Gavin ist eine von ihnen, doch ich zweifle daran, dass er je soetwas wie ein Ziel gehabt hatte.
Er ist einfach so in die ganze Sache reingerutscht und hat jetzt einen Verhältnissmäßig guten Lebensstandart. Allerdings muss er sich den trotzdem noch mit diesen Geschäften über Wasser halten.

Ich betrete die geziegelten Hallen mit Spirits Tapsen im Schleptau. In der dunkelsten Ecke der Halle regt sich etwas. Gavin sitzt auf seinem uralten Sessel den er
-wie ich vermute-
vom Sperrmüll gestohlen hat.
Mit den Augen rollend gehe ich auf den ungewaschenen Mann zu.
Seine kinnlangen blonden Haare hängen ihm in fettigen Stränen ins Gesicht und er schnarcht.
Ich habe nicht vor ihn sanft zu wecken.
Gezielt landen die Päckchen auf seinem Schoß.

Lieferung!

Er kneift die Augen zu und murmelt etwas unverständliches vor sich hin.

Ich hab Hunger also mach, dass du deinen Arsch hochbekommst.

Kann ein alter Kerl nichtmal in Ruhe schlafen?

Du bist Mitte zwanzig, red doch keinen Mist.

Ächzend erhebt sich Gavin aus seinem Sessel und reibt sich die Augen. Die Lieferung legt er auf die Sessellehne.

Mensch, Mischka du suchst dir echt immer die beschissensten Zeiten dafür aus.

Gähnend streckt Gavin sich wobei die Schweißflecken unter seinen Armen zum Vorschein kommen.

Eww...

Du würdest dir echt keinen Zacken aus der Krone brechen wenn du dich mal duschen würdest, Gavin.

Ach weist du, ich möcht doch nicht so geleckt aussehen wie irgendein Anzugträger, da vertraut mir meine Kundschaft doch garnicht mehr.

Er zwinkert mir zu und lächelt schwach.

Bringt alles nichts wenn sie von deinem lieblichen Duft tot umfallen.

Ich muss mir ein lächeln verkneifen als er mich gespielt schmollend anschaut.

Also sehen wir uns mal an was du da gebracht hast, kleines.

Ich blitze ihn verärgert an.

Du weist ganz genau, dass ich es hasse wenn du mich so nennst.