Prolog

670 47 9
                                    

,,Das ist doch ein schlechter Witz!", rief ich entrüstret und starrte meine Eltern fassungslos an.

Als wäre meine Mutter überhaupt nicht überrascht von meiner Reaktion, seufzte sie und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Mein Vater dagegen sah mich genauso stur an, wie ich ihn, doch sein Blick verdeutlichte mir, dass er keine Widerrede duldete. Ich hätte schon wegrennen sollen, als meine Eltern mich zum gemeinsamen Gespräch ins Wohnzimmer gebeten hatten. Immerhin sprachen sie seit ihrer Scheidung vor sieben Jahren nur noch das Nötigste miteinander.

„Avery, setz dich doch erstmal wieder hin und hör dir an, was wir noch zu sagen haben", sagte meine Mutter gefasst und sah mich bittend an.

„Ich werde ganz sicher nicht auf ein Internat in London gehen!", stellte ich klar und versuchte dabei so selbstsicher wie möglich zu wirken, doch in Wahrheit rutschte mir das Herz in die Hose, denn die aufrechte Haltung meiner Eltern signalisierte mir, wie ernst sie die Sache meinten.

Mit verschränkten Armen ließ ich mich wieder auf den abgewetzten Ohrensessel fallen.

„Doch. Das wirst du", sagte mein Vater bestimmt. „Du bist bereits dort angemeldet und dein Schuldirektor hier weiß auch schon Bescheid."

„Und das habt ihr hinter meinem Rücken gemacht? Ohne mit mir zu sagen, dass ihr vorhabt, mich auf einen anderen Kontinent zu schicken?" Zu meiner Überraschung klang meine Stimme überhaupt nicht mehr schrill, sondern einfach nur enttäuscht.

„Ave, sieh mal. Du hast uns da gar keine andere Wahl gelassen. Deine Eskapaden in der Schule müssen endlich aufhören, so kann es nicht mehr weiter gehen", presste meine Mutter hervor und sah mich traurig an.

Ich blickte einfach nur entgeistert zurück, schüttelte langsam den Kopf. Vor allem von meiner Mom hatte ich nicht erwartet, so etwas hinterlistiges zu tun.

Gut, ich gab ja zu, die Idee, die Jungstoiletten in der Schule zu fluten, gehörte eventuell nicht zu meinem Sternstunden. Doch bloß, weil ich hinter meiner Meinung stand und auch nichts dagegen hatte, sie vor meinen Lehrern zu äußern, mussten sie mich doch nicht gleich nach London schicken!

Langsam begann ich zu realisieren, dass ich so viel diskutieren konnte wie ich wollte, denn meine Eltern hatten bereits dafür gesorgt, dass ich in zwei Wochen in einem Flieger nach England sitzen würde.

„Ich werde damit aufhören! Versprochen! Nur bitte schickt mich nicht weg", versuchte ich es ein weiteres Mal, doch mein Vater schüttelte seinen Kopf.

„Das haben wir schon viel zu oft gehört. Es reicht jetzt."

Je länger sein Blick auf mir ruhte, desto unwohler begann ich mich zu fühen. Er benutze diesen Blick immer, wenn jemand nicht auf ihn hörte – ich hatte schon oft genug mitbekommen, wie er ihn bei seinem Agenten angewendet hatte.

Mein Vater hatte sich in den Jahren nach der Scheidung eine Karriere als Schriftsteller aufgebaut und man konnte sehr gut behaupten, dass er damit reichlich Erfolg hatte, immerhin wurde gerade diskutiert, ob eins seiner Bücher verfilmt werden sollte. Jedoch hatte er sich dadurch so sehr von mir und meinem kleinen Bruder Zack distanziert, dass wir mittlerweile nicht mal mehr gerne mit ihm telefonierten.

Bedrückt sah ich auf meine Hände.

„Aber England? Hätte ihr nicht wenigstens ein Internat in der Nähe von Pittsburgh nehmen können?"

„Nein, du brauchst unbedingt Abstand von deinen Freunden, deshalb kommt ein Internat hier überhaupt nicht in Frage."

Ich zog wütend meine Augenbrauen zusammen und funkelte meinen Vater angriffslustig an.

„Ach, brauche ich das? Du hast doch überhaupt keine Ahnung von meinen Freunden! Du kennst nicht einmal den Namen meiner besten Freundin, du bist ja nie hier!"

„Avery", schaltete sich meine Mutter warnend ein.

„Es ist doch bloß die Wahrheit! Ich weiß nicht, was ihr euch dabei gedacht habt, einen ganzen Ozean zwischen alles, was ich kenne und mich zu bringen, doch ich werde ganz sicher nicht nach England ziehen!"

Mit diesen Worten stand ich energisch auf und rauschte davon. Zu meinem Verdruss stiegen heiße Tränen in meinen Augen auf. Denn obwohl ich gesagt hatte, dass ich hier bleiben würde, wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte – und das würde Abschied bedeuten.

Beauty and the BeastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt