Und Sühne

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Zu Vermeidung hysterischer Anfälle und dauerhafter psychischer Schäden, wird das Lesen dieser FF nicht empfohlen.

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"Nein Jako, verschwinde einfach."
Felix versuchte ihn zur Tür hinaus zu bewegen, doch Jako wehrte sich.
"Felix bitte, rede mit mir."
Felix gab es auf, Jako zu schieben.
Er sah ihm in die Augen und holte tief Luft.
Seine Stimme war gefährlich ruhig.
"Jako ich warne dich.
Wenn du nicht gleich aus diesem Zimmer verschwunden bist, kann ich für nichts mehr garantieren."
Jako zuckte leicht zurück.
Diese Tonfall nutzte Felix nur sehr selten.
Und dann sollte man ihn nicht mehr ansprechen.
Doch er wollte es Felix erklären.
Ihm erklären, warum er mit Fewjar pausieren wollte.

Er hatte das Gespräch falsch begonnen und offenbar auch einen ungünstigen Augenblick erwischt.
Dann hatte er die Wut in Felix Augen gesehen.
Aber der Versuch, es wieder zurück zu nehmen, war gescheitert.
Dabei hatte er eigentlich gute Nachrichten.
Es war im Moment nur der falsche Zeitpunkt dafür.
Felix hatte derzeit viel um die Ohren.
Vorbereitungen für die Fewjar-Konzerte.
Uni-Prüfungen.
Seine Arbeit bei Wooden Cube Studios.
Und Stress in seiner Familie, von dem er Jako noch nicht hatte berichten wollen.

Jako sah Felix mit flehendem Blick an.
"Bitte Felix, ich habe einen wichtigen Grund daür."
Felix riss der Geduldsfaden.
Er wusste, dass er seine Worte später bereuen würde, aber er konnte seine Emotionen nicht zurückhalten.
"VERPISS DICH JAKO! RAUS HIER!"
Jako zuckte zusammen und trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
Er startete einen letzten Versuch.
"Bitte lass uns nachher nochmal versuchen zu reden.
Ich.. "
Er kam nicht weiter.

Felix stürmte an ihm vorbei in den Flur.
Er lief, rannte fast den Gang hinab.
Andre, der mit einen Karton aus seinen Zimmer kam, wurde einfach umgerissen.
"Hey Felix, was soll die Scheiße."
Doch er reagierte nicht und lief weiter.
Felix nahm sich den Autoschlüssel und seine Jacke und öffnete die Wohnungstür.
"Felix, nicht.
Du solltest besser kein..."
Jako's Worte wurden von dem Knall der Tür abgeschnitten.
Andre sah ihn verwirrt an.
"Was ist mit ihm los?"
Doch auch Jako reagierte nicht und lief einfach an Andre vorbei.
"Na toll, ignoriert mich einfach alle."
Jako lief ohne Jacke oder Schlüssel aus der Tür und Felix hinterher.

Vor der Haustür angekommen, bemerkte er, dass es begonnen hatte zu regnen.
Er blieb im Hauseingang stehen und sah Felix hinterher, der fast blind über die Straße lief.
Das Fewjar-Mobil stand auf der anderen Seite in einer Parklücke.
Zum Glück war gerade rot, sodass Felix nicht Gefahr lief, von einem Auto erfasst zu werden.
"FELIX?"
Doch dieser reagierte immer noch nicht.
Hörte ihn wahrscheinlich bei dem Straßenlärm auch gar nicht mehr.
Jako zögerte.
Er wollte Felix in seinem emotionalen Zustand nicht fahren lassen.
Hatte Angst, dass er vielleicht die Kontrolle über das Auto verlieren und einen Unfall bauen würden.
Jako beschloss, noch einen Versuch zu unternehmen, ihn aufzuhalten.
Die Ampel war auf grün gewechselt, doch es waren nicht viele Autos unterwegs.
Fewjar-Typisch war es eine sehr späte Tageszeit.
Er wartet eine Lücke im Verkehr ab und sprintete über die vier Spuren.

Felix hatte inzwischen das Auto erreicht.
Er war hinein gesprungen, hatte den Zündschlüssel umgedreht und nach einem kurzen Blick in den Seitenspiegel Gas gegeben.
Als er mit quietschenden Reifen aus der Parklücke fuhr, bemerkte er Jako, der direkt vor das Auto lief, zu spät.
Das Letzte was er sah, war Jakos entsetzter Blick, bevor er ihn erfasst.
Jako wurde frontal gerammt, flog mit Rücken und Kopf auf die Windschutzscheibe, um dann vorn wieder runter zu fallen.
Felix bremste und erstarrte.
Der Schock überwältigte ihn und er hörte plötzlich nur noch ein Fiepen in seinen Ohren.
Sein Körper bewegte sich mechanisch.
Er öffnete die Autotür und wurde von kaltem Regentropfen durchnässt.

Um ihn herum standen Autos an der Ampel und Menschen riefen ihm etwas zu.
Er taumelte vor den Wagen.
Dort lag er.
Dort lag sein bester Freund.
Dort lag Jako.
Eine Pfütze aus Blut bildete sich unter seinem Kopf.
Der Regen spülte das Rot über die schmutzigen Straße zum nächsten Abfluss.
Jako lag zusammen gekrümmt auf der Seite.
Bewegte sich nicht.
"Jako."
Seine eigene Stimme klang in seinen Ohren fremd.
Er taumelte und fiel vor dem Körper seines Freundes auf die Knie.

Neben ihm liefen Menschen hin und her.
Er hörte Wortfetzen.
"Unfall."
"Notarzt"
"Neukölln."
Doch es interessierte ihn nicht.
Er griff nach Jako und zog ihn auf seinen Schoß.
Das Licht der Scheinwerfer ließ sein blasses Gesicht noch fahler aussehen.
"Jako, bitte.
Kannst du mich hören?
Bleib bei mir.
Bitte Jako."
Jako holte einmal Luft und hustete dann heftig.
Blut floss aus seinen Mundwinkeln.
"Fe... Felix."
Jakos Stimme klang schwach, zu schwach.
"Sshh Jako.
Sag nichts.
Spar dir deine Kraft.
Der Notarzt kommt gleich."
Jako hustete erneute.
"Felix, ich werde Vater.
Johanna ist schwanger."
Ein weiterer Hustenanfall erschütterte ihn und ließ ihn gequält die Augen schließen.

Felix Welt geriet aus den Angeln.
Jako wurde Vater.
Er musste überleben.
Wo blieb nur der Krankenwagen?
"Halt durch Jako, bitte.
Der Krankenwagen ist gleich da."
Jako reagierte nicht.
"Jako?
Bitte, tu mir das nicht an."
Er versuchte dessen Puls zu ertasten.
Panisch suchte Felix an dessen Hals nach dem Pochen, dass Leben in seinem besten Freund zeigen sollte.
Er fand den Herzschlag
Schwach.
Langsam.
Stolpernd.
"Bitte Jako, du musst überleben.
Für Johanna.
Für das Baby.
Bitte Jako.
Es tut mir leid."
Tränen liefen über Felix Gesicht und vermischten sich mit dem Regen.

Jako öffnete die Augen.
Den Regen schien er nicht zu bemerken.
"Angenommen."
Flüsterte er, dann schloss er die Augen.
Jako atmete noch einmal aus.
Dann war nichts mehr.
"Jako?"
Felix beugte sich verzweifelt vor, doch Jako atmete nicht mehr.
"Jako?"
Felix schüttelte den Kampf seines Freundes erst sanft, dann stärker.
Doch Jako bewegte sich nicht.
"JAKO!"
Felix schrie vor Verzweiflung.

Von weiten waren Sirenen zu hören, doch Felix interessierte es nicht.
Ein Krankenwagen hielt in der Nähe.
Sanitäter stürmten auf sie zu.
Felix wurde beiseite gezogen.
Er fühlte sich, als würde er neben sich stehen.
Als würde er das Ganze von außen betrachten.
Die Sanitäter versuchten es mit Wiederbelebungsmaßnahmen.
Einmal.
Zweimal.
Nochmal.
Doch Jako kehrte nicht wieder.
Würde es nie wieder.

Felix realisierte es langsam.
Er hatte ihn verloren.
Ihn getötet.
Er hatte seinen besten Freund getötet.
Etwas in ihm zerbrach.
Jako wurde in den Krankenwagen geladen.
Felix sah nicht einmal mehr, wie er wegfuhr.
Er erhob sich.
Leute sprachen ihn an, doch er regierte nicht.
Er lief los.
Die Straße hinab.
Auf die Autobahn zu.
Es waren nur wenige hundert Meter.
Das Auto ließ er so stehen, wie es war.

Die wenigen Leute, denen er begegnete, starrten ihn an.
Er war völlig durchnässt.
Seine Klamotten getränkt von Jako's Blut.
Felix sah aus wie eine wandelnde Leiche.
Doch das alles interessierte ihn nicht.
Er lief die Auffahrt hinauf.
Wurde mehrfach angehupt.
Am Fahrbahnrand blieb er stehen.
Starrte auf die vorbeifahrenden Autos.

Sie waren zu langsam.
Das Tempolimit war zu niedrig.
Es würde nicht reichen.
Nicht, um seine Schuld zu begleichen.
Um ihn zu befreien.
Er hatte seinen besten Freund getötet.
Vater eines ungeborenen Kindes.
Einer der besten Musiker und Künstler, den die Welt je gesehen hat.

Von weitem hörte er das Aufheulen eines getunten Motors.
Es war perfekt.
Die Fahrer dieser Fahrzeuge waren nie vorschriftsmäßig unterwegs.
Felix dachte nicht weiter nach.
Er trat auf die Fahrbahn.
Sah in die Schweinwerfer eines amerikanischen Jeeps.
Hörte noch das Quietschen der Bremsen.
Doch es war zu spät.
Felix spürte den Aufprall kaum.
Auch, dass er die Leitplanke traf realisierte sein Körper nicht sofort.
Felix hörte ein lautes Knacken.
Dann umfing ihn angenehme Stille.
"Es tut mir leid."

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Um mir selbst zu versichern, dass die Jungs noch in Ordnung sind und mich aus meinem eigenen Tief wieder raus zu holen, schaue ich jetzt ganz viele Fewjar-Videos.

Denn ihre Musik ist da eher ungeeignet...

Wenn ihr es mal wieder überlebt habt, bin ich für eure Meinung sehr dankbar.

Bis bald.

Eure
Katja

SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt