OneShot 1

576 31 10
                                    

"If you go your way and I go mine"

Die grelle Sonne brannte in den Augen des jungen Mannes, welcher mit seinem Hund vor die Haustüre trat. Es war beinahe unglaublich, wie schnell der Frühling in die Stadt gezogen war.
Etwas unbeholfen stolperte Tim, mit seinem Hund an der Leine, die Stufen hinunter bis zu seinem Gartentor. Schnell setzte er sich seine Sonnenbrille auf und lief los.
Schon nach den ersten Schritten spürte Tim, dass dieser Tag anders war, als jener zuvor, den er schon einsam, abgeschnitten von der Großstadt, hier verbracht hatte.
Dieser Tag, war einer derjenigen, die das gesamte Lebenskonzept eines Menschen komplett umwerfen konnten.

Verträumt führt Tim seinen Hund am Waldesrand spazieren. Die Natur wirkt viel intensiver als sonst und hat eine bestimmte Wirkung auf Timis Bewusstsein. Seine Gedanken driften allmählich weiter ab, bis Tim seine Umgebung nur noch als Kulisse wahrnimmt. So läuft er mit einem Lächeln auf den Lippen weiter am Waldrand umher, als sich plötzlich ein störendes Bild in die Kulisse seines inneren Auges schiebt. Ein modernes, dampfendes Auto steht geradewegs vor ihm. Daneben ein junger Mann, welcher am Straßenrand sitzt und sein Gesicht verzweifelt in seinen Händen vergräbt. Langsam erwacht Tim aus seiner Illusion und realisiert das wahre Geschehen, was sich vor seinen Augen ereignet. Das Auto wurde schräg gegen einen Baum gefahren und die Motorhaube ist komplett beschädigt. Timi zieht die Leine seines Hundes kürzer und kniet sich hin, um irgendwie mit dem jungen Mann, welcher immer noch verzweifelt zu Boden blickt, zu kommunizieren.
„Kann ich Ihnen helfen?", fragt Tim unsicher und bedacht, den Mann nicht zu erschrecken. Timi beobachtet wie sein Gegenüber den Kopf hebt und blickt geradewegs in die kalten, eisblauen Augen des unbekannten Mannes.
„Ich glaub, das Auto ist nicht mehr zu retten.", erwidert er und deutet in Richtung des Autos. „Aber haben Sie zufällig ein Handy, mit dem ich den ADAC anrufen könnte? Meins ist beim Unfall irgendwie kaputt gegangen.", fragt der Mann, da Timi nichts mehr erwidert hatte.
„Ähm, nein leider nicht, aber mein Haus ist nicht weit weg von hier. Sie könnten von dort aus anrufen.", Timi kommt sich unheimlich albern vor einen Mann, der wenige Jahre jünger zu sein scheint, als er selbst, zu siezen.
Nachdem der Unbekannte sein Angebot jedoch dankend angenommen hatte, machen sie sich auf den Weg zu Timis Haus.
„Ich bin übrigens Lukas.", sagt der junge Mann schließlich und sieht seinem Gegenüber lächelnd in die Augen. „Ich bin Tim." Sie schweigen.
„Du, Lukas. Wie ist n das da passiert? Also der Unfall, mein ich." Tim läuft vor und schließt seine Haustüre auf, während Lukas unsicher auf seine Hände schaut.
„Klassischer Fall von Telefonieren am Steuer.", erwidert er zunächst trocken, ehe seine Stimme weicher wird. „Eigentlich nur ein ganz normaler Beziehungsstreit, den ich klären wollte und Shit, dann war da dieser Baum...", entnervt fährt sich Lukas durch die Haare. „Bist du verletzt?", fragt Tim, doch Lukas schüttelt den Kopf, ehe sie eintreten. Tim reicht seiner neuen Bekanntschaft das Telefon und verschwindet selbst zunächst in der Küche, um seinen Hund zu füttern.
„Guten Tag, mein Name ist Lukas Strobel, ich hatte einen Unfall an der Dornbergerstraße..."
Mehr schnappt Timi vom Gespräch nicht mehr auf, stattdessen denkt er an Lukas' blaue Augen, die ihn auf unerklärliche Weise irgendwo berührt hatten. Leise stellt sich Tim in den Türrahmen seines Wohnzimmers und beobachtet Lukas beim Telefonieren. Er spürt plötzlich eine ungewöhnliche Anziehungskraft, die Lukas irgendwo auf ihn auswirken zu scheint.
„Okay, 45 Minuten. Ja, solange kann ich warten." Lukas legt auf und reicht Tim das Telefon, wobei sich ihre Hände kurz berühren. Diese minimale Berührung löst in Timi ein leichtes Frösteln aus und er starrt Lukas perplex an.
„Ist es in Ordnung, wenn ich noch eine halbe Stunde hier bleiben kann?", fragt Lukas mit unschuldigem Blick und Tim nickt unwillkürlich. Gemeinsam lehnen sie sich an die Fensterbank und kommen sogleich ins Gespräch.
Timi verliert sich immer wieder in den Augen seines Gegenübers, sodass er manchmal kaum noch wahrnimmt, was dieser ihm erzählt. Er beginnt beim Anblick in Lukas' tiefe, blaue Augen zu frieren, als wäre es Winter und die Schneeflocken brannten förmlich vor Kälte auf seiner warmen Haut. Unwillkürlich greift Tim nach Lukas' Hand und als er dies realisiert, ist es bereits zu spät.
Lukas' weiche Lippen, liegen auf denen Timis. Er spürt den sanften Druck auf seinen Lippen und Lukas' Hände die er vorsichtig in Timis Nacken gelegt hatte.
Tims Körper beginnt zu zittern und dennoch zieht er Lukas näher an seinen Körper heran.
Schließlich schiebt Tim Lukas in sein Schlafzimmer, wo er sich sofort auf sein Bett fallen lässt und Lukas sich über ihn beugt. Timi legt seine Hände um Lukas' Hüfte und zieht ihn näher an sich heran. Erneut berühren sich ihre Lippen. Langsam lässt Tim seine Hände unter Lukas' T-Shirt fahren und entlockt ihm somit ein leises Stöhnen. Timi kann an nichts anderes mehr denken als, dass er noch nie zuvor etwas so schönes wie Lukas gesehen hatte.
Irgendwann werden ihre Küsse sanfter, vorsichtiger und intensiver, bis Lukas schließlich mit seiner Hand unter den Bund von Timis Hose fährt und dieser ihm durch ein leises Stöhnen, Bestätigung gibt.

Sie liegen schwer atmend nebeneinander und sehen sich einfach nur an. Diese Kälte, die Tim nach wie vor spürt, als Lukas' ihn zärtlich streichelt, ist nicht zurückgewichen, doch er hatte sich an sie gewöhnt.
„Ich glaube, du musst bald gehen.", sagt Tim schließlich mit brüchiger Stimme.
„Ich weiß."
„Werden wir uns wiedersehen?"
„Vielleicht."
„Was ist mit deiner Freundin?"
„Wir werden sehen." Lukas steht auf und beginnt sich anzuziehen, während er Timi ein letztes Mal durchdringlich in die Augen sieht.
„Ich rufe dich an.", erklärt Lukas mit rauer Stimme, küsst Tim auf den Mund und verschwindet kurz darauf im Flur; Timi verwirrt, traurig und verletzt zurücklassend. Wie konnte es zu dieser unglaublichen Situation kommen, die Tim so viel bedeutet und dennoch keine Spur mehr in seinem Leben hinterlässt? Bei diesem Gedanke wird Tim schmerzlich bewusst, dass Lukas seine Nummer nicht hatte. Er begann plötzlich zu verstehen, wie es diesen Mädchen gehen musste; erst gefickt zu werden, dann wird ihnen versprochen, dass man sie anruft, aber das passiert nie.
Lukas hatte mit ihm gespielt. Hatte seinen Spaß gehabt und Tim liegen gelassen.

If you go your way and I go mineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt