0. Kapitel

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Unter mir 'n Typ und irgendein Mädchen und auf mir ein... ach was weiß ich, kann ich nicht sehen.

Das Wohnzimmer ist nur noch von der Minidiskokugel auf dem Glastisch und den paar Leuten, die an ihren Handys sitzen erhellt. Nicht mehr ganz so laut singt irgend so'n Typ im Fernseher Schnulzen vor sich her, es ist verdammt stickig und außerdem riecht es nach Kotze...

Ich drehe meinen Kopf auf der Suche nach der Wanduhr die ich vorhin gesehen hab, aber die hing glaube ich in 'nem anderen Raum, Küche oder so. Ohne groß drauf Acht zu geben schiebe ich das Etwas von mir weg. Oh, es hat kurze lockige Haare und vor seinem Kopf liegt 'ne kaputte schwarze Hipsterbrille. Ich glaube es ist ein er...

„Ey..!" rufe ich halbwegs leise aber keiner hebt seinen Kopf. Ich stehe auf und gehe zu der einen, mit den Locken die am Fenster sitzt und mit was weiß ich wem schreibt, hin und nehme ihr das Handy weg. „Hey!" sagt sie ziemlich laut und empört so dass jeder, der einen Kater hat, ihr am liebsten an die Gurgel gehen würde. „Maul!" brüllt jemand von der oberen Etage herunter. „Ich hab höflich gefragt aber du hast mich ignoriert, also wollen wir mal sehen.." flüstere ich während ich kurz auf ihren Chat schaue und ihn dann schließe um die Uhrzeit zu sehen. „Ah halb 5 ok. Hier hast du dein Handy wieder...Und, tu dir selbst den Gefallen und spam den Typen nicht unnötig zu. Der wird eh nichts produktives antworten, also vergeude deine Zeit nicht länger." „Was weißt du schon..!" antwortet sie, woraufhin ich die Schultern hochziehe, unecht lächle und mich auf die Suche nach meiner Freundin begebe.

Überall liegen Gläser rum und ich sehe schlafende Menschen mit Flaschen in den Armen. Wem auch immer die Hütte gehört, der hat ordentlich zutun, oder eher die Reinigungskräfte. Wo ich auch hinsehe breiten sich dunkle Flecken auf dem Teppich aus und es liegen Kippen rum, die jemand auf dem Teppich ausgedrückt hat. Ich weiß nicht wie ich das finden soll. Zu Hause würden wir so etwas nicht direkt vor unseren Eltern machen, aber beigebracht einen Scheiß auf alles zu geben haben sie uns trotzdem. Wenn die Zimmer unordentlich sind brauchen wir sie nicht aufzuräumen, dass machen andere. Bei uns kommt einmal die Woche eine Spanierin. Sie ist Ende 40 schätze ich und soweit ich weiß, hat sie zwei Kinder. Viel verstehe ich mit meinem abgebrochenen Schulspanisch nicht und da hilft auch das Internat nicht viel. Ist sie da und jemand macht gerade Dreck, wo sie schon geputzt hat muss sie es wieder weg wischen. Man achtet nach einiger Zeit gar nicht mehr darauf, dass sie schon sauber gemacht hat. Es wurde uns anerzogen, von klein auf haben unsere Eltern es uns vorgelebt, also wie sollen wir es besser wissen?

Hmm ein halber Joint. Ich wedle kurz mit der Hand vor seinem Besitzer herum bevor ich ihn ihm wegnehme und ihn mir wieder anstecke. Jaja rauchen ist schädlich, aber für den Heimweg brauch ich den. Als ich die obere Etage erreiche sehe ich lauter geschlossene Türen.

Dummerweise mache ich eine Tür auf und sofort wieder zu, da ich die beiden Jungs offensichtlich gestört habe. Gut, also das ist die Pärchenetage... doch hinter einer Ecke geht der Flur noch weiter. Vorsichtig spähe ich hinter der Ecke hervor und sehe eine offene Tür, das Bad. Ich bin mir nicht sicher ob ich das sehen will, aber um meine Freundin Hannah zu finden wird das wohl nötig sein. Zum Glück ist das einzig Schlimme mein Spiegelbild, ansonsten liegt nur jemand in der Wanne und zwei andere sind in der Dusche eingeschlafen. Ich betrachte mein Spiegelbild und erinnere mich an meinen Rausch von gestern Abend. Und wieso? .. Weil ich meinen Freund mit 'ner anderen hab knutschen sehen. Also habe ich für mich beschlossen, mich zu betrinken und so viel zu rauchen bis mir das Herz stehen bleibt. Es soll ersticken. Meine Lungen könnten so schwarz vom Nikotin sein, dass ich keine Luft mehr bekomme, mein Herz nicht mehr schlägt und schwarz und kalt wird. Damit ich genauso kalt bin wie er... Die Gestalt im Spiegel ist jedoch nicht tot, denn ihre Haut ist noch rosarot. Aber immerhin sind ihre Augen schwarz. Ich weiß nicht wann ich geweint habe, dafür sieht es ziemlich schlimm aus. Es ist mir in die Augenfältchen und über die Wangen gelaufen. Mit meinem ebenfalls schwarzen Kleid sehe ich aus wie eine Witwe. In gewisser Weise bin ich das wahrscheinlich irgendwie auch. Dieser Gedanke füllt meinen Kopf aus und verwandelt mein Gefallen in Ekel. Ich hasse mich. Schon wieder habe ich mich jemandem geöffnet und wurde enttäuscht... Ein kurzer Blick in den Spiegel und auf diesen widerwertigen Menschen, bevor ich erneut einen starken Zug von meinem Joint nehme, ihn zwischen den Zähnen behalte und auf den Spiegel einschlage. Danach nur noch zersplitterte Teile. Das bin ich. So sehe ich wirklich aus. Zerstreut wie ein Puzzle. Mich durchzuckt ein schlimmer Schmerz in der Hand und als ich sie ansehe, zittert sie und blutet an den Fingerknöcheln. Der Spiegel hat auch etwas abbekommen aber das ist mir herzlich egal. Das macht die Haushälterin sauber und der Spiegel wird ersetzt, ganz einfach.

Als ich mich umdrehe und aus dem Fenster schaue sehe ich Hannah im Garten liegen, endlich. Sie pennt auf irgendeinem Kerl. Mensch, die hat sich gestern Abend wirklich einen geangelt, denke ich grinsend. Ich husche schnell aus dem Bad und schleiche möglichst leise die Treppe wieder herunter und laufe durchs Wohnzimmer hinaus in den Garten. Etwas weiter hinten liegt sie auf einem - - - - .

Nein das kann nicht sein!

Nicht sie! Nicht er! Sie beide?!?... Wut steigt in mir auf und ich bin wie gelähmt. Ich schaffe es vor lauter Schock gerade noch meinen Joint aus dem Mund zu nehmen und ihn wegzuwerfen. Ich starre sie an, wie sie dort liegen. Ich wäre gern an ihrer Stelle. Und auf einmal schießt mir die Erinnerung von gestern in den Kopf. Sie ist diejenige die mit meinem Freund rumgemacht hat! Ich sinke zitternd auf die Knie. Etwas anderes in mir ist gerade zusammengebrochen. Womit habe ich das verdient? ... Eine Weile sitze ich still weinend vor den beiden, bis ich einen erstickten Schrei von mir gebe und sie beginnt zu blinzeln. Vor Schreck verstumme ich, starre sie an und richte mich langsam auf. Ich bin wie gebannt, obwohl ich es nicht ertrage. Entsetzt sieht sie mich an, doch in dem Moment halte ich es nicht mehr aus. Ich ziehe meine Schuhe aus, nehme sie in die Hand und renne. Kein Plan wohin, Hauptsache weg. Ich höre noch wie sie hinter mir herruft, aber ich nehme es nicht wahr. Bestimmt ist es besser so... Trotz alledem bleiben die Bilder, wie friedlich und unschuldig sie da lagen und schliefen.  „Verräter!" schreie ich während ich laufe so laut es nur geht.

Ich schreie es wieder und wieder, bis ich keine Stimme mehr habe und nur noch die Stimme in meinem Kopf brüllen kann.

Schwarze WesteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt