Kapitel neunzehn

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Ich kann meine Emotionen nicht beschreiben, die gerade in meinem Kopf vor sich gingen. Ich war so unglaublich wütend, enttäuscht und verletzt. Doch am schlimmsten war es, dass ich mich schwach fühlte.
Nachdem Andra diese Sätze geäußert hatte, habe ich nicht lange um den heißen Brei herum geredet. Ich habe das Tablet schnell auf den Tisch gestellt, mich bei Harry mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedet und bin dann wie, als wäre etwas hinter mir her, aus der Mensa gestürmt. Die Mitarbeiter wollten mich sogar kurz aufhalten, weil sie dachten, ich wäre ein Patient der gerade durchdreht. Und innerlich, fühlte ich mich auch so.

Vollkommen fertig kam ich vor Dr. White's Zimmer an und ohne zu klopfen, riss ich die Tür auf. Mich kümmerte es nicht, wie die Frau von seinem Schoß sprang, mit aufgeknöpfter Bluse und komplett durcheinander gebrachten Haaren. Es interessierte mich auch nicht, dass die beiden Personen vor mir Rot anliefen, denn ich hatte ganz andere Probleme.

"Ist das eigentlich Ihr scheiß Ernst?", schrie ich aufgebracht und ging ein paar weitere Schritte auf den Schreibtisch zu. Die Frau war mittlerweile bereits aus der Tür verschwunden und Dr. White wollte irgendeine Entschuldigung murmeln, doch jetzt gerade ließ ich ihn nicht ausreden. "Es ist mir scheiß egal, wen oder was sie vögeln. Wie können Sie es wagen, Harry in ein anderes Klinikum verlegen zu wollen und mir nicht ein Wort davon zu sagen?! Weiß seine Mutter überhaupt davon? Wie zum Teufel soll ich ihn denn dann besuchen gehen?!"

"Holen Sie jetzt bitte einmal kurz Luft und setzen Sie sich erstmal. Wollen Sie ein Glas Wasser?"

Vollkommen fertig sah ich den Mann mit den grauen Haaren vor mir an. War das wirklich sein Ernst? Wenn er mich sprachlos machen wollte, hatte er das definitiv geschafft. Ich war so überrannt von seiner Dreistigkeit, dass mir wirklich die Worte fehlten; doch nicht wirklich lange.

"Ob ich ein Glas Wasser will? Mich setzen? Wollen sie mich eigentlich verarschen?" Ich wurde immer lauter und ging bedrohlicher etwas hoch. Ich war vielleicht nicht groß, aber das hieß nicht, dass ich aussehen musste wie ein Kleinkind. Nein, gerade wenn ich wütend war, konnte ich das gut ausdrücken und dann kam ich bestimmt nicht mehr wie ein kleiner Hundewelpe rüber. Und obwohl ich gerade so verdammt hilfslos war, durfte ich mir genau das nicht ansehen lassen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, wenn sie das ganze durchziehen würden. "Ich möchte wissen, ob das mit dieser Verlegung stimmt, oder ob ich da eine falsche Infomation geliefert bekommen habe. Ihr Glas Wasser können Sie sich in den Allerwertesten schieben!"
Meine Mutter wäre enttäuscht von mir, doch dieses Gefühl verbarg ich tief hinten in meinem Gehirn. Hier zählte nur Harry.

"Ja, wir hatten den Vorschlag geäußert und wir haben uns auch mit allen Angehörigen unterhalten. Mrs. Styles ist auch nicht begeistert von dieser Idee, aber sie möchte nur das beste für ihren Sohn. Setzen Sie sich bitte, damit wir das ganze in Ruhe besprechen können und nicht gleich irgendwer rein kommt, der hier nichts zu suchen hat. Anscheinend ist anklopfen nicht mehr so weit verbreitet", murmelte er den letzten Satz leise vor sich hin, hoffend, dass ich ihn nicht mitbekommen hatte, aber ich zog nur wütend meine Augenbraue hoch. Doch tatsächlich setzte ich mich, verschränkte meine Hände miteinander und knetete sie, während der Mann vor mir in seinen Unterlagen wühlte. Kurze Zeit später, hatte er anscheinend gefunden, was er gesucht hat und legte die Akte vor uns beiden auf den Tisch. Auf ihr stand in Druckbuchstaben 'Harry Edward Styles'.

"Was ist das?", fragte ich vorsichtshalber noch einmal nach und wollte nach der Mappe greifen, doch Dr. White zog sie zurück und schüttelte den Kopf.

"Das sind die ganzen angesammelten Untersuchungen, die wir mit Harry gemacht haben. Dort steht jeder Schritt drin verzeichnet und außerdem auch die Medikamente, die er über die vergangenen zwei Jahre zu sich nehmen musste. Wir haben das ganze zu einem Experten geschickt, da wir hier mit ihm nicht weiter kommen. Er ist seit fast genau einem Jahr auf dem selben Stand geblieben, die Halluzinationen und auch die Stimmen, sind nicht weniger geworden."

Schizophrenia [L.S] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt