Zoé Pilar Perez
Man sagt, die Person, die es wert sei, für sie zu kämpfen, ist die, die dich nicht nur zum glücklichsten sondern auch zum traurigsten Menschen dieser Welt machen kann. Die Person, die in dir die pure Lebenslust auslöst und gleichzeitig auch die Person ist, für die du jeden Moment dein Leben aufgeben würdest. Die Person, die nicht nur tagsüber die Sonne für dich strahlen lässt, sondern auch nachts ihre Schatten wirft.
Als mich mitten in der Nacht Alessandro anrief, meinte mein bester Freund felsenfest überzeugt, dass Harry diese eine Person für mich wäre. Dass ich ihn nicht aufgeben könnte, egal was heute passiert war, und dass irgendein Irrtum vorliegen musste.
Es überraschte mich, dass ausgerechnet Alessandro sich da so sicher war, wo er doch schließlich derjenige war, der mich immer irgendwie vor Harry beschützen wollte oder die Zügel strammer zog, sodass ich nicht von Wolke Sieben fiel.
„Zoé, du bist in London. Du bist ganz in der Nähe von Harry, also nutzt du deine Situation jetzt auch."
„Er hat eine Andere, Alessandro, er hat eine Andere! Er hat sie ‚Liebste' genannt.", gab ich wehleidig zurück.
Mein Blick ruhte auf der Glasscheibe meines Fensters, in welcher ich mich spiegelte. Ich ging in der Dunkelheit verloren, wirkte zerbrechlich und meine eigentlich gebräunte Haut schien blass durch das spärliche Licht und die verweinten Augen.
„Dann wird er halt dafür büßen müssen. Komm schon Zoé, wo ist denn bitteschön dein spanisches Temperament? Hat London dich etwa schon gezähmt?"
London, die Stadt, in der ich nun wohnte. Es war schwer, dies zu glauben - es fühlte sich eher so an, als würde ich nur für ein Wochenende in Großbritannien verbringen, um einen Freund zu besuchen, doch tatsächlich lebte ich hier in meiner eigenen kleinen Wohnung. Und dennoch hatte ich noch nichts von der Metropole gesehen, die nun mein Zuhause sein sollte.
Ich fühlte mich weder heimisch noch besonders wohl. Der Regen war nicht nur für meine Stimmung sondern auch für meine Haare eine Qual, mir fehlten das Grün in den Straßen und der Strand als meine Rückzugszone.
„Zoé, dein Vater macht sich schreckliche Sorgen um dich. Du solltest ihn endlich zurückrufen."
Eine von vielen Tränen fand ihren Weg über meine Haut bis in meinen Mundwinkel, ich nahm den salzigen Geschmack war, den sie mit sich trug. Und als ich so zurückdachte an mein eigentliches Zuhause, meine Noemi und Alessandro, an das Meer und die Sonne und an meinen Vater, welcher mich immer als oberste Priorität gesehen hatte, da antwortete ich: „Werde ich tun."
Alessandro erzählte mir noch ein wenig von Barcelona, von ein paar neuen Besuchern in seiner Pension und aufmüpfigen Touristen, ehe wir um vier Uhr nachts unser Gespräch beendeten.
In Gedanken war ich bei Harry, welchen ich nicht aufgeben wollte und von wem ich wollte, dass er mich auch noch nicht abgehakt hatte, und bei meinem Vater, welcher nun bestimmt vermutete, er hätte zum zweiten Mal die wichtigste Frau in seinem Leben verloren.
Nicht weit entfernt läutete ein Kirchturm und übertönte den noch immer nicht ruhenden Verkehr.
Vielleicht gehörte ich nicht hierher. Vielleicht hätte ich bei den Leuten bleiben sollen, die ein Leben lang für mich da waren, anstelle einem eigentlich doch so fremden Briten ins Ausland hinterher zu folgen, der mich wohlmöglich nur als reizende Affäre gesehen hatte.
Die Glocken erklangen ein zweites Mal, als ich mit dem Finger über das Display meines Handys fuhr und die unbeantworteten Anrufe abrief. Ich wollte meinen Vater zurückrufen und mich entschuldigen, ihn um Verzeihung bitten, doch dann fiel mir eine fremde Handynummer auf, welche mindestens genauso oft versuchte hatte, mich zu erreichen, wie Onio. Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen und rollte mich auf die andere Seite des klapprigen Bettes.
Während ich mir immer und immer wieder die Nummer durchlas, schlugen die Glocken zum dritten Mal, doch ich konnte mich einfach nicht daran erinnern, sie schon einmal gewählt zu haben. Doch zu wem auch immer die Nummer gehörte, diese Person musste verzweifelt versucht haben, mich zu erreichen, schließlich hätte sie mich sonst wohl kaum zweiundvierzig Mal angerufen.
Harry, dachte ich sofort, und egal, wie traurig er mich noch vor wenigen Sekunden gemacht hatte, veranlasste er dennoch mein Herz nun dazu, einen Satz schneller zu schlagen und bewies mir somit, dass er der Mensch für mich war, von der Leute sagen würde, dass er es wert wäre, für ihn zu kämpfen.
Mein zitternder Daumen betätigte den Rückruf, wobei ich die späte Uhrzeit einfach vergaß und hoffend meine Augen schloss. Hoffend, dass alles endlich gut werden würde.
Und tatsächlich dauerte es nicht allzu lange, bis mein Anruf angenommen wurde.
„Bonne nuit, c'est Pilar Baptiste. Qui est à l'appareil, s'il vous plaît? Est-ce que vous savez quelle heure est-il?!"
Ich verstand kein Wort von der französischen Begrüßung der Dame am anderen Ende der Leitung. Doch ich verstand ihren Namen und hörte den dezenten spanischen Akzent in ihrer vom Schlaf verschleierten Stimme, der sich zwar versteckte, doch vom leicht gerollten R und dem grob geformten V verraten wurde. Und was meine Gehirnzellen am meisten anregte, war diese Stimme selbst.
Die Stimme, die wohlmöglich die erste war, die ich je gehört hatte. Die mich beruhigt hatte, als ich vom Fahrrad gefallen war und mir das Knie aufgeschlagen hatte. Die mir immer zugeredet hatte, ich solle stets an meine Träume denken und mein Leben leben. Die Stimme, die ich nachts so oft schreien gehört hatte, als ich noch daran glaubte, meine Familie würde für immer in Frieden und Liebe zusammen leben. Die Stimme, die irgendwann einfach nicht mehr da gewesen war, obwohl ich sie so dringend gebraucht hätte.
Zum vierten und somit letzten Mal erklangen die robusten Glocken und konnte ich mir bildhaft vorstellen, wie mein Vater von mir gerade dachte: „Du bist genau wie deine Mutter, beide müsst ihr immer euren Willen durchsetzen, beide lauft ihr einfach davon, in der Hoffnung, das große Glück zu finden. Beide lasst ihr mich einfach alleine."
„Allᴕ? Allᴕ?"
Mein Handy fiel zu Boden, meine Fingerkuppen gruben sich in das Bettlaken unter mir und erschöpft ließ ich mich auf mein Kissen fallen, während die fremde und doch so vertraute Stimme immer weiter fragte, ob noch jemand am Apparat sei.
Doch ich war nicht mehr dran, genauso wenig wie Harry für mich noch erreichbar war, genauso wenig wie es mein Vater nun wahrscheinlich war und genauso wie Pilar, die früher noch mit Nachnamen Perez hieß, mein halbes Leben lang für mich als unerreichbar galt. Und eine leise, besserwisserische Stimme aus meinem Unterbewusstsein flüsterte mir zu, dass London ein riesiger Fehler gewesen war.
Dieses Kapitel wollte sich partout nicht schreiben lassen, von daher kann ich nur hoffen, dass es wenigstens gelesen werden will. Alles Liebe, Hannah xxx
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Itchy Feet
FanfictionDer junge Brite Harry Styles beschließt seine verregnete Heimat Holmes Chapel hinter sich zu lassen und macht sich auf den Weg in das sonnige Spanien. Doch dort lernt er nicht nur die spanischen Kulturen, sondern auch eine junge Kellnerin eines klei...