Eine Kurzgeschichte über Freundschaft und Ausgrenzung. Zuckersüß verpackt in eine kleine Szene zwischen zwei, sagen wir mal, vier - fünfjährigen auf den Spielplatz.
Freunde
Ein kleiner Junge sitzt einsam und weinend auf einer Wippe. Um ihn herum spielen die anderen Kinder miteinander, lachen und haben Spaß, nur den kleinen, einsamen und traurigen Jungen, den beachten sie nicht.
Sie beachten ihn nicht, weil er anders ist als sie. Der kleine Junge spielt nämlich mit Marionetten und nicht mit normalen Puppen. Der kleine Junge mag keinen Lärm und kein Feuerwerk und auch kein planschen. Noch nicht einmal Schokolade mag der kleine Junge.
Der kleine Junge ist langweilig, finden die anderen Kinder. Und gruselig, das ist er auch, genau wie seine komischen Puppen. Mama und Papa hat er auch keine, nur seine Oma, die Dorfälteste, sagen die Kinder, und deshalb hält der kleine Junge sich für etwas Besonderes.
Die Kinder wollen nicht mit so einem eingebildeten Langweiler spielen. Lieber ignorieren sie ihn und spielen Fangen. Alle sind ganz begeistert von dem Spiel, nur ein kleines Mädchen will nicht mit den Anderen spielen. Ihr tut der kleine Junge Leid. Ganz alleine zu sein ist nicht schön, findet sie. Und langweilig ist es auch, außerdem mag sie kein Fangen spielen.
Das kleine Mädchen ist immer zu langsam und immer mit fangen dran, darauf hat sie keine Lust. Deshalb geht das kleine Mädchen zu dem kleinen Jungen und tippt ihm auf die Schulter. Der kleine Junge zuckt kurz zusammen, aber sonst macht er nichts. Er sitzt einfach weiter auf der Wippe und stößt sich jetzt ab und zu mit den Füßen vom Boden ab.
Das kleine Mädchen wartet, bis der kleine Junge wieder mit den Füßen den Boden berührt und tippt ihn dann wieder an. Dieses Mal hebt der kleine Junge den Kopf und schaut sie aus großen, braunen Augen an. „Du hast aber schöne Augen!“, ruft das kleine Mädchen.
Der kleine Junge legt den Kopf schief und schaut das Mädchen zweifelnd an. „Wirklich?“ „Ja, wirklich.“ „Ganz wirklich?“, fragt der kleine Junge wieder, weniger zweifelnd. „Ja, ganz wirklich.“, antwortet das kleine Mädchen. Noch einmal vergewissert sich der kleine Junge: „Ganz, ganz ehrlich wirklich?“ Eifrig nickt das kleine Mädchen. „Ja, ganz, ganz ehrlich wirklich!“
Der kleine Junge schaut das kleine Mädchen aus großen Augen an. So etwas hat noch nie jemand zu dem kleinen Jungen gesagt. „Wollen wir was spielen? Wir können ja wippen!“ Aufgeregt versucht das kleine Mädchen auf den anderen Sitz der Wippe zu kommen, aber es ist zu klein dafür. Noch einmal versucht das kleine Mädchen es und lässt sich dann einfach in den Sand fallen.
Bockig verschränkt es die Arme vor der Brust und starrt die Wippe böse an. Der kleine Junge sieht dem ganzen schweigend zu. Dann lässt er sich vorsichtig vom Sitz rutschen und kniet sich vor das kleine Mädchen. Vorsichtig streckt er die Hand aus. „Soll ich...dir...helfen...?“ Der kleine Junge schaut schüchtern auf den Boden. Er mag das kleine Mädchen. Sie ist die Erste die mit ihm spielen will.
„Ich brauche keine Hilfe! Ich bin auch überhaupt gar kein kleines Kind mehr!“ Das kleine Mädchen schlägt die angebotene Hand bei Seite und rappelt sich auf. Überzeugt von sich stampft es auf die Wippe zu und versucht sich irgendwie auf den unbequemen Holzsitz zu hangeln. Die Wippe ist immer noch zu hoch für sie.
Zähne knirschend, weil Mama gerade nicht da ist und es ihr nicht verbieten kann, dreht sich das kleine Mädchen noch einmal um. „Ich glaube...Ich brauche doch Hilfe...“, sagt das kleine Mädchen leise. Es ist peinlich, das vor dem Jungen zu geben zu müssen.
Aber der kleine Junge lächelt nur ganz leicht und verschränkt seine Hände miteinander. Dann kniet er sich vor die Wippe. „Komm, wir machen Räuberleiter!“, sagt der kleine Junge und schaut das kleine Mädchen an. „Au ja! Wie ihm Film!“ Das kleine Mädchen strahlt und klettert auf die Wippe. Dann wartet es, bis der kleine Junge auf dem anderen Holzstück sitzt.
Der kleine Junge beginnt zu wippen und das kleine Mädchen hilft ihm dabei. Sie wippen ziemlich lange. Immer wieder auf und ab. „Du?“, fragt das das kleine Mädchen auf einmal. „Hast du eigentlich schon eine Freundin?“ Der kleine Junge schüttelt den Kopf. „Nein, ich habe gar keine Freunde...“, sagt er traurig. „Die Anderen finden mich gruselig.“ Das kleine Mädchen runzelt die Stirn. Dann strahlt es. „Toll! Dann bin ich jetzt deine Freundin! Ich mag dich nämlich!"
Der kleine Junge sieht das kleine Mädchen erstaunt an. „Du magst mich?“ „Ja.“ Das kleine Mädchen lächelt schüchtern. Sie findet den kleinen Jungen süß und mag ihn wirklich sehr gern. Doch der kleine Junge sagt: „Beweise es.“ „Hä?“ „Na“, fängt der kleine Junge unsicher an, „Beweise, dass du mich magst.“
Das kleine Mädchen runzelt die Stirn. Dann hüpft es von der Wippe runter und rennt weg. Der kleine Junge sieht ihr traurig hinterher. Vielleicht mag das kleine Mädchen ihn ja doch nicht, denkt er. Der kleine Junge will gerade anfangen allein weiter zu wippen, das kommt das kleine Mädchen wieder an gelaufen und hält ihm eine Puppe hin.
„Da.“, sagt das kleine Mädchen. „Wer ist das?“, fragt der kleine Junge. „Das ist Susi. Sie ist eine Super-Puppe. Ich schenke sie dir und so lang du Susi hast, werde ich dich lieb haben.“ Der kleine Junge macht große Augen und nimmt die Puppe vorsichtig.
„Meinst du das ganz im wirklichen Ernst?“, fragt er. Und das kleine Mädchen grinst ihn an. „Ja, ganz im wirklichen Ernst.“