Kapitel 2 - Peinlich, peinlich...

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Es ist 8.15 Uhr morgens und die allererste Schulstunde der 10. Klasse hat angefangen. Die ganzen Ferien über habe ich so gut wie nichts anderes gemacht, als jegliche K-Pop Gruppen zu suchten. Das weiß auch meine beste Freundin Joline, die gerade auf mich zustürmt und mich danach beinahe erdrückt hätte: "Ich hab' dich sooo vermisst! Aber hey, hast du schon wieder die ganze Nacht durchgemacht oder gibt's 'nen neuen Makeup-Trend namens 'Ich-gehe-jetzt-als-Zombie-zur-Schule' ?"

Ein Lachen konnte ich mir nun nicht mehr verkneifen. Ja, ich gebe zu, dass ich mich noch nicht an die neue Aufstehzeit gewöhnt hatte. Aber so schlecht sehe ich heute auch nicht aus.

Nachdem Joline und ich uns ein wenig ausplauderten und auch noch die anderen begrüßten, kam auch schon unsere Englischlehrerin, Frau Krise, in die Klasse. Der Name dieser unglaublich ausdrucksstarken Frau steht ihr ganz besonders gut. Denn egal, wann und wo man sie sieht, man weiß immer, wie sie gerade gelaunt ist. Und ihre Stimmung liegt meistens im negativem Bereich. So also auch heute.

"Morgen. Ich hoffe, ihr hattet erholsame Ferien und konntet eure leere Batterie der letzten Stunde wieder zu 100% aufladen! Wir steigen nämlich gleich in das neue Thema ein."
Ein lautes Stönen der gesamten Klasse ertönt.
"Na, wenn das so schon wieder anfängt, könnt ihr auch gleich wieder nach Hause gehen. Wir sind hier schließlich in der Schule und hier wird gearbeitet und nicht nur langweilig rumgesessen. Ihr hattet genug Zeit, um nichts zu machen."

Nachdem sie das Thema "Choices - Finding The Right Career" an die Tafel schrieb, sollten wir uns in Gruppen zusammensetzen und unsere Aufgaben erledigen. Gesagt, getan. Joline, Justin, Dennis und ich setzten uns sofort zusammen an einen Tisch. Wir brauchen uns nicht einmal anschauen, um zu wissen, was in unseren Köpfen vorgeht.

"Alter, warum müssen wir diesen Kack jetzt auch noch in Englisch durchnehmen? Als ob wir letztes Jahr nicht schon genug damit am Hut hatten." Ja, Dennis ist sehr leicht reizbar. Aber ich nickte ihm mit einem genervten Blick zu. Das ganze letzte Jahr in Deutsch haben wir uns über nichts anderes unterhalten als über Berufswahl.

"Ja, ist echt so. Vielleicht machen wir das wegen unserem Praktium?", kam nun Joline zu Wort.
"Pff, Praktikum..."
"Weißt du schon, was du machst?"
"Ich? nö. Hab da auch gar keinen Bock drauf."
Joline hat schon immer ein Auge auf Dennis geworfen. Er passt super in ihr Bild eines perfekten Mannes: groß, braun-blonde Haare, Macho, aber auch ein bisschen verpeilt. Außerdem ist er der beste Freund meines besten Freundes, Justin. Doch wie Justin mir schon mitgeteilt hat, hat Dennis kein großes Interesse an ihr. Das konnte ich Joline jedoch noch nicht erzählen. Ich kann sie nicht traurig sehen, denn jedes mal wenn sie weint, ist sie total verzweifelt und diese Stimmung hält dann auch schonmal 1-2 Wochen an.

"Psst, Leute! Lass uns jetzt mal anfangen. Die Olle kommt!", warnt uns Justin. Alle Blicke gehen gleichzeitig zu Frau Krise, dann nach unten auf unsere leeren Blätter. Schnell wollte ich mit der Überschrift beginnen, weiteten sich meine Augen schlagartig und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.

"EXCUSE MEEEEEE"

NEIN! NICHT JETZT!  Nicht in der ersten Stunde. Nicht in Englisch. Nicht wenn mir Frau Krise gerade über die Schulter schaut. Nicht, Jimin. Und vorallem nicht in dieser Lautstärke!
Warum muss mein Handy gerade jetzt eine Nachricht bekommen? Die Klasse war zwar laut, aber mein Handy war lauter. Oder soll ich sagen, Jimin war lauter? Ich sollte meinen Nachrichtenton während der Schulzeit ändern.
Jeder, wirklich JEDER drehte sich nun zu mir um. Justin, der gegenüber mir sitzt schaute mich mit mitleidend an.

"ME! What did I tell you about cell phones in school?"
Frau Krise hob eine Augenbraue, sodass ihre Stirn noch runzliger aussah als sonst, und streckte ihre Handfläche zu mir aus. Nein, nicht mein Handy...
Ich zog es zögerlich aus meiner Hosentasche und gab es ihr schließlich: "Excuse me?", sagte ich mit einem verzweifeltem Lächeln. Etwas besseres fiel mir gerade einfach nicht ein. Die Klasse brach in lautem Gebröle aus. "Der war gut, Me!"

Frau Krise fand das nur eher weniger lustig. "You can get your cell phone back after school at the office. And I get a signature from your parents. Tomorrow."
"Yes, Ms. Krise."

Nach der Doppelstunde gingen Joline und ich für einen kurzen Moment nach draußen und setzten uns auf eine Bank.
"Wer hat dich denn eben angerufen?"
"Angerufen? Niemand. Das war 'ne Nachricht von jemandem, aber ich weiß nicht wer. Hatte ja keine Möglich nachzuschauen."
"Haha, was war das überhaupt für ein Nachrichtenton?"
"Das war Jimin... von BTS."
"Ach, einer deiner K-Pop Leuten?"

Ich liebe Joline ja über alles, wir können uns über alles unterhalten und wir teilen so viele Interessen miteinander, aber eines wird ihr für immer fremd bleiben: K-Pop.
So oft ich es auch schon versucht habe, Joline lässt sich einfach nicht von der Musik überzeugen. In ihren Augen sind das alles weibliche, chinesische Jungen, die zwar viel Talent haben, aber alle gleich aussehen und eine komische Sprache sprechen. Deshalb interessiert sie sich auch nicht über meine Fortschritte im Koreanisch lernen. Also brauche ich einen koreanischen Brieffreund! Jetzt...
Aber immerhin: Sie findet Jinhwan von iKON gut aussehend, jedoch zu klein. Wo ich ihr auch zustimmen muss. Aber Junhoe. Oh, Junhoe... er ist perfekt! Einfach perfekt.

"Was ist, wenn jemandem aus deiner Familie etwas zugestoßen ist?!" Joline reißt mich in die Wirklichkeit zurück.
"Was? Ach, nein. Dann hätte mich einer angerufen. Oder sich im Sekretariat gemeldet."
"Hm, haste auch Recht."
"Ey, aber weißt du was?"
"Hm?"
"Ich habe jetzt endlich einen potentiellen Brieffreund für mich gefunden. Er muss sich nur noch bei mir melden."
"Echt? Ich freu mich so für ich! Dann hast du ja bald jemanden, mit dem du dich über K-Pop unterhalten kannst. Er oder Sie?"
"Er."
"Uuuuh, ein er. Wie heißt er denn?"
"Jetzt wo du es sagst, ich weiß es gar nicht. Ich weiß generell noch nicht viel über ihn. Er hat sich aber sehr sympathisch angehört!"
"Na dann mach ihn dir klar!"
"Hahaha, auf jeden Fall! Gibt nur ein kleines Problemchen..."
"Oh, was ist?"
"Sein Profil auf dieser Penpalseite ist schon ca. fünf Jahre alt. So also auch seine Selbstvorstellung. Ich habe ihm trotzdem einfach mal eine Mail geschrieben. Ich hoffe so sehr, dass er mir antwortet. Der müsste jetzt ungefähr 19 sein. Alter wäre also voll in Ordnung."
"Fünf Jahre... tja. Wünsche ich dir mal viel Glück!"
"Danke, das werde ich wohl brauchen.

Nach Schulschluss wollte ich nur noch schnell nach Hause und mich ins Bett schmeißen. Gleich der erste Schultag nach den Sommerferien war schon stressig. Aber erstmal zum Sekretariat. Mein Handy wartet schon auf mich...

Imagine - Junhoe [iKON]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt