Kapitel 1

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Ich wollte nicht hier sein. Es war laut, stickig und der Geruch von Schweiß und diversen Parfüms vermischt mit Alkohol und Zigaretten lag in der Luft. Der Raum bebte und das Stroboskoplicht entfachte in mir die Angst nicht doch gleich einen Epileptischen Anfall zu erleiden. Ich seufzte innerlich, drehte mich zurück an den Tresen und gab der Barkeeperin ein Handzeichen.

„Ein Big Ben, bitte", brüllte ich der schwarzhaarigen entgegen um die Musik und die wummernden Bässe auch nur halbwegs zu übertönen. Sie nickte und begann den Cocktail zuzubereiten während ich in meiner Tasche rumkramte um Geld zu finden und mich fragte wie in aller Welt sie das gehört haben konnte, wo ich doch selbst mein eigenes Wort nicht verstanden habe. Wahrscheinlich ist das so ne Art Übungssache und kommt mit der Zeit. Wenn man hier öfter arbeitet muss man das ja irgendwann können. Als ich endlich einen zerknüllten Zehner gefunden hatte, kam die Gute auch schon mit einem großen Glas rot-orangenem Gebräu wieder zurück.

„Macht dann acht Euro, bitte!" „Stimmt so!", rief ich ihr entgegen während ich mich vorbeugte und ihr den zerknüllten Zehner hinstreckte.

„Dankeschön!", zwinkerte sie mir zu.

Ich nickte und nahm meinen Drink. Wenn ich daran denke, dass ich gerade zehn Euro für einen beschissenen Cocktail ausgegeben habe, könnte ich mich Ohrfeigen. Ich konnte Clubs einfach nicht ausstehen. Es war immer heiß und stickig, die Musik war überhaupt nicht meins und die Getränke waren maßlos überteuert. Ich zog an dem schwarzen Strohhalm und spürte wie mir das kalte, erfrischende Gebräu die Kehle hinunterfloss und ein ordentliches Brennen hinterließ. Wenigstens war ordentlich Alkohol drin. Vielleicht könnte ich damit den restlichen Abend überstehen und gutmütig über die Tatsache, dass mich eine gewisse Person hierher geschleppt hat und sich nun mit anderen beschäftigt, hinwegsehen.

Ein paar Stunden zuvor hatte mich Alena angefleht mit ihr feiern, besser gesagt hierhin, zu gehen. Plan war es, sich dort mit ihren bekloppten Kumpels zu treffen. Leider hatte ich nicht bedacht, dass ich besagte Kumpels nie länger als eine Stunde aushalten konnte. Ihr zuliebe tat ich's trotzdem. So kam es, dass ich mich nach einer Zeit aus dem Staub machte und beschloss, mein gesamtes Geld an der Bar zu versaufen. Mittlerweile schwammen nur noch kleine Eisstückchen in meinem Glas rum, welche auch immer kleiner wurden. Ich merkte wie ich immer lockerer wurde und mich irgendwo fast schon befreit fühlte. Fast, weil die vorherigen Drinks so allmählich auf meine Blase drückten und ich beschloss, wohl oder übel das Grauen eines jeden Clubs aufzusuchen: Die Toilette.

Ich stellte mein Glas auf den Tresen und hüpfte von dem Barhocker. Zielstrebig bahnte ich mir den Weg durch die tanzende Meute und gelangte endlich an dem dunklen Flur an, an dessen Ende sich die Frauentoilette befand. Wie erwartet gab es eine Schlange, zum Glück jedoch keine allzu lange. Gelangweilt lehnte ich mit dem Rücken an der Wand und lauschte den Gesprächen der vor mir Wartenden, während die Tür zur Frauentoilette immer mehr angetrunkene, gackernde Mädels ausspuckte.

Doch dann kam sie. Groß, schlank, braune lange Haare. Auf den ersten Blick in ihrem schwarzen Hoodie und der Jeans vielleicht nichts Besonderes, aber irgendwas hatte die Unbekannte an sich, was mich zutiefst beeindruckte und ich innerhalb einer halben Millisekunde beschloss, selbige wunderschön und verdammt attraktiv zu finden. Sie schritt den Gang entlang, zurück in Richtung Tanzfläche und als sie an mir vorbeilief, schenkte sie mir ein Grinsen und blickte mit ihren grünen Augen direkt in meine. In dieser kurzen Zeit verlor ich mich in den Tiefen ihrer olivgrünen Augen und fragte mich ob sie nun gerade wirklich nur an mir vorbeigegangen ist und mich angesehen hat, oder ob wir uns mehrere Minuten gegenüber gestanden hatten. Diese flüchtige Begegnung hat mich wahrhaftig Zeit und Raum vergessen lassen. Sie ging weiter und als ich wieder Herrin meiner Sinne wurde, vernahm ich wieder die Gespräche und das betrunkene Gegacker der anderen Wartenden, sowie den wundervollen Geruch welcher von den Toiletten aus ging.

Als ich endlich die Kabinentür hinter mir schloss, atmete ich kurz tief ein und wieder aus um mich zu beruhigen. Während ich beschäftigt war, ließ ich meine Augen über die Wände der Kabine schweifen. Überall wurde etwas mit den verschiedensten Eddings hingekritzelt. Telefonnummern, Sprüche, kleine Zeichnungen, Beleidigungen sowie die obligatorischen Herzen mit den zwei Anfangsbuchstaben der Frischverliebten. Ich schmunzelte. Das wird wohl nie alt. Die Tatsache, dass der ganze Boden nass war – Gott weiß von was – überall Klopapier rumlag, und ich neben meinem rechten Fuß ein gebrauchtes Kondom ausmachen konnte, ignorierte ich. Erst jetzt unter dem grellen Licht der weißen Leuchtstofflampen bemerkte ich wie betrunken ich eigentlich war. Dezent Schwankend stand ich auf, schloss meine Hose, spülte und drehte das von Zigarettenstummeln gebrandmarkte Schloss der Türe. Am Waschbecken angekommen wusch ich meine Hände und sah auf. Es blickte mich mein angetrunkenes Spiegelbild mit großen blauen Augen, rotbraun gelockten Haaren und einem schiefen Mona-Lisa Lächeln an. Das bekam ich einfach immer sobald ich etwas trank. Ich zog mir gerade meinen Lippenstift nach, als mich jemand von der Seite anquatschte.

„Hey schuldige, könntest du mir das hier Hinten vielleicht kurz mit ner Sicherheitsnadl festmachn?" Neben mir am Waschbecken stand eine Blondine die ihr Top im Nacken festhob und mit der anderen Hand mit einer Sicherheitsnadel herumwedelte. „Is gerissen, sch krieg das jetz nich mehr hin", lallte sie als Erklärung. „Sicher doch", antwortete ich und nahm ihr die Nadel aus der Hand. „Sch bin übrigens Paulina, aber alle nenn' mich Pauli, und du?", fragte sie mich während sie sich herumdrehte. „Bianca, aber alle nennen mich Bibi", lachte ich. „So, das müsste halten" Paulina drehte sich zu mir um und grinste mich an. „Dankeschön, sch wünsch dir noch n schönen Abend, Bibi" Sie drehte sich um und lief Richtung Tür. „Den wünsch ich dir auch Pauli, und trink mal n Wasser!", rief ich ihr hinterher bevor sie lachend verschwand.

Als ich auch Richtung Ausgang lief, bemerkte ich wieder den Alkohol und entschied mich dazu kurz nach draußen zu gehen. Wieder lief ich den dunklen Flur entlang, vorbei an den neuen Wartenden und bog links ab. Das einzig Gute an dem Club war die große Außenterasse. Sie bot einem einen Blick über den Großteil der Stadt und bot mit diversen Sitzmöglichkeiten, Stehtischen und der angenehmen Beleuchtung vor allem im Sommer durchaus zum verweilen ein. Abgesehen davon herrschte hier draußen kein Rauchverbot und obwohl ich es mittlerweile fast leid war, musste ich meiner Nikotinsucht nachkommen.

Also trat ich durch die Tür nach draußen in die laue Sommernacht und durchwühlte meine Handtasche nach meiner Packung Luckys. Ich bog abermals links ab um mich in einer Art Sitzniesche auf einem Sandsack, umringt von dürren Palmen, niederzulassen. Mit der Zigarette im Mund kramte ich erneut meine Handtasche durch, auf der Suche nach einem Feuerzeug. „Wo sind die scheiß Dinger wenn man mal eins braucht?!", nuschelte ich genervt vor mich hin. „Feuer?", kam es von nebenan. Verwirrt schaute ich zur Seite, um zu sehen wer mich da grade gefragt hatte. Für einen Sekundenbruchteil setzte mein Herz aus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 22, 2016 ⏰

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