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"Clyde, Benny, ihr könnt mich jetzt getrost rauslassen."
"Nein", antwortete Benny barsch.
"Nein", stimmte Clyde zu, "Zuerst checkt Benny die Lage."
Ich stöhnte auf eine sehr unprinzessliche Art.
Und ließ mich zurück in die Polster der Autositze fallen.
Währenddessen stieg Benny aus dem Auto. Er war einer meiner beiden Leibwächter - und für seine jungen fünfundzwanzig Jahre war er so muskulös und riesig und stämmig, dass er gleich mal einer Handvoll Schülerinnen, die schon eine Weile auf dem Parkplatz der Academy rumgestanden, neugierig ins Auto geguckt und sich nicht ganz unberechtigt gefragt haben, warum wir eine Viertelstunde bewegungslos ohne Aussteigen in der Limousine herumsitzen, einen Heidenschreck einjagte.
Ein paar schrien gleich auf, sodass er sofort zu ihnen guckte - und ich kannte Bennys angsteinflößenden Blick, deswegen kannte ich den Grund, warum die Mädchen sogleich davon liefen.
Ich ärgerte mich ein wenig.
Wenn Benny und Clyde jetzt auch an der Academy an meiner Seite waren - wie sollte ich einen finden, der nicht vor den beiden Angst hatte? Warum hatte meine Mutter auch darauf bestanden, das die beiden mitkamen, wenn ich an die Academy ging?
Ich hatte an die Academy gehen wollen, damit ich da eine Zeit lang wie ein gewöhnlicher Teenager lebte - aber ein normaler Teenager wurde nicht von zwei bulligen Bodyguards flankiert.
Ich war immer noch sauer, dass meine Mom nicht eingesehen hatte, dass mir nichts an der Academy passieren würde.
Doch Anastasia Evelyn Moon war schon immer überängstlich gewesen.
Dabei wollte ich doch nur zur englischen Academy, wo nur ein Haufen Schüler lebte, der mir sicher nichts tun würde.

Wie ich gesagt hatte - ich wollte in meiner kleine Zeit, die mir noch bis zum Antritt meines Throns fehlte, etwas Normalität auskosten.
Denn davon hatte ich in den letzten siebzehn Jahren eindeutig zu wenig genossen.
Oder nennt ihr das Normalität? Audiencen mit den wichtigsten Beratern, königlicher Unterricht im manierlichen Sitzen, Essen und Lächeln, drei Lernordner mit aktueller Politik, dreizehn andere mit historischer Politik, Kartenlesen, Reden vorbereiten und Kameras meiden...
Ja. Ich brauchte es einfach, mal Freiheit und Abwechslung.
Ich schaute aus den Autofenstern zum Gebäude der Academy.
Hier würde ich ein ganzes Jahr lang trainieren, lernen, Leute kennen lernen und - das war am wichtigsten - das Volk kennen lernen, dass ich einmal regieren würde.

Ich war so aufgeregt.
Der normale Umgang, den ich im Schloss in Wales pflegte, war nicht unter vierzig. Wenn überhaupt.

"Prinzessin?", riss Clyde mich aus meinen Gedanken.
"Ja, Clyde?"
"Mr Cole ist zurück."
Er meinte Benny.
Hastig schaute ich aus dem Fenster.
Tatsächlich, da kam er - im Schlepptau eine dürre, schwarzhaarige Frau mit hektisch rollenden Augen und dahinter noch eine brünette, relativ kleine Schülerin mit einer Jacke, auf der WOOLF ACADEMY abgedruckt war.
Bevor ich den Türgriff zu fassen bekam, war Clyde auch schon aus dem Auto gesprungen und hatte gentlemanlike die Tür für mich geöffnet.
"Ich Danke Ihnen, Clyde", ich lächelte und stieg aus.
"Willkommen, Eure Majestät", die schwarzhaarige Begleiterin von Benny trat vor und machte einen tiefen Knicks, ebenso wie die Brünette.
"Bitte, bitte, lassen Sie das bitte", sagte ich schnell, "Und nennen Sie mich bitte Aneeta. Ich bin doch hierher gekommen, um", ich warf Benny und Clyde einen bösen Blick zu, "zumindest bestmöglich wie eine normale Schülerin behandelt zu werden."
Die Schwarzhaarige biss sich auf die Lippe. "Bitte entschuldigt. Natürlich, dass war ja Euer Wunsch... nun, wenn ich mich vorstellen darf - ich bin Giselle Edwin, die Direktorin der Academy."
Ich nickte ihr zu.
"Und das ist Genna Elvis - die stellvertretende Schülersprecherin. Wir beide freuen uns, Euch kennen zu lernen."
Sie deutete auf die Brünette.
Ich nickte abermals. "Ganz auf meiner Seite."
Ich kam mir schon etwas seltsam vor - mit diesem vornehmen Sprachgebrauch. Ich war es aber nun mal gewöhnt, aber ich hoffte, auch bald unter dem Einfluss von den Schülern ihre Sprechweise anzunehmen.

"Wenn Ihr erlaubt, würde ich gerne Euch das Internat zeigen", sagte Genna, "Ebenso wie Euer Zimmer, dass ihr beziehen werdet."
"Das wäre schön", erwiderte ich, "Vielleicht kannst du mir auch gleich ein paar Leute vorstellen?"
Gennas Blick huschte unsicher zu Mrs Edwin. "Wir haben es extra so eingeplant, dass Ihr um die Zeit kommt, wo nichts weiter los ist, um Euch in Ruhe anreisen zu lassen. Ich habe die große Ehre heute erhalten, Euch bei meiner Feier heute Abend offiziell der Schülerschaft ankündigen zu dürfen."
Gennas Lächeln war dabei sehr stolz - und ein wenig arrogant, finde ich.
"Wenn ihr denkt, dass es besser so ist", sagte ich ein wenig enttäuscht.
Wie oft hatte ich gesagt, dass ich normal, NOR-MAL behandelt werden wollte?
"Aber dann brauche ich euch ja wenigstens nicht. Ihr könnt Pause machen und eure Zimmer beziehen", sagte ich an Benny und Clyde gewandt und hätte fast noch ein Husch Husch hinzugefügt.
Diese persönlichen Bodyguards trugen nicht zur Normalität bei - und würden in der nächsten Zeit peinlich und nervig sein!
"Aber Prinzessin...", stotterte Clyde.
"Seid wann hört ihr eigentlich nicht auf meine Befehle?", fragte ich säuerlich.
Eine Weile diskutierten sie noch mit mir, aber als ich drohte, sie kündigen oder in das Verließ zu sperren, wenn sie noch weiter gegen mich anredeten, zischten sie ab.

Und mein erster Schritt in Richtung freies normales Jahr konnte beginnen!

Woolf-Academy | MoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt