Kapitel 1

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Es sind Winterferien, doch der Winter lässt noch immer auf sich warten. Kaum Schnee zu sehen, der Regen macht regelrecht den ganzen Winter kaputt. Kein Skilift hat geöffnet und auch alles andere macht bei diesem Wetter keinen Spaß draußen – da hab auch ich keine andere Wahl, als in meinem Zimmer zu verharren und in eine andere Welt abzutauschen. Das Handy liegt in der Ecke - unberührt und mit zig unbeantworteten Nachrichten. Gerade mitten in die Serie „Lena – Liebe meines Lebens" eingetaucht und aus der realen Welt geflüchtet, holt mich dar nervige Klingelton wieder zurück „knock knock, anybody there?". Nein! Jetzt nicht! Lasst mich doch alle bitte einfach mal in Ruhe!..
Gekonnt ignoriert, aber leider dennoch genervt wende ich mich wieder meiner Serie zu, ohne überhaupt auf die Idee zu kommen, einen Blick auf die neue Nachricht zu werfen. - Wird doch sowieso wieder jemand aus meiner Klasse sein, der Hilfe bei Hausaufgaben braucht. Ist doch immer so. Die meisten kommen nur, wenn sie was von mir brauchen – darauf kann ich jetzt wirklich verzichten.
Ferien sind zum Entspannen da, und meiner Meinung nach auch, um von der Schule Abstand zu gewinnen. In meinem Fall aber wohl eher von den ganzen Leuten. Ja, ich bin ein Einzelgänger. Zumindest die meiste Zeit. Klar ist es manchmal auch schön, in der Nähe gewisser Menschen zu sein – aber eben nur von manchen – ganz wenigen.
Immer diese blöden Gedankengänge, die einen komplett aus der Bahn werfen! Während ich die Pause-Taste drücke, lehne ich mich entspannt in meinem Sessel zurück und schaue an die Decke. Gerade ist wohl wieder mein nachdenklicher Moment.
Anknüpfend an die vorigen Gedanken, überlege ich, wen ich jetzt gerne sehen würde, bei wem ich jetzt gerne sein würde. Gibt es überhaupt jemanden? Auch meine richtigen Freunde ignoriere ich zurzeit, die fallen also weg. Und wen soll es sonst geben? -Ich kenne doch kaum jemanden..und dann fällt mir auf, dass ich die letzten Minuten immer wieder an meine Englischlehrerin denken musste. "Es sind Ferien! Du willst nicht an Schule denken!" – versuche ich mir in den Kopf zu schlagen. Doch vergebens. Ich kann meine Gedanken nicht mehr von ihr abwenden. Ist sie etwa die Person, bei der ich gerade sein möchte? Macht das überhaupt Sinn? - Ja, auf ihren Unterricht habe ich mich immer gefreut und auch wenn ich sie gesehen habe, musste ich durchgehend lächeln. Sie hatte mich schon vom ersten Schultag an total in ihren Bann gerissen und mich glücklich gemacht, sobald ich nur bei ihr war. – Jetzt muss auch ich mir eingestehen, dass ich von mir selbst überrascht bin. Die Antwort auf meine Frage lautet also: bei meiner Lehrerin. Ich würde jetzt gerne bei meiner Englischlehrerin sein – Ms. Singh. Angela Singh.
„Angel" – sage ich immer wieder in einem sanften und ruhigen Ton, während mein Blick noch immer an die Decke gerichtet ist, doch gedanklich komplett bei ihr. Für viele weitere Minuten geht mir ihr Anblick nicht mehr aus dem Kopf. Ihre schönen braunen und glatten Haare, die leuchtenden braunen Augen und das Lächeln..ihr Lächeln, es steckt so sehr an! Wenn ich nur daran denke, muss auch ich lächeln. – Wie kam es zu diesen Gedanken? Gerade noch war ich gedanklich in einer ganz anderen Welt, weg von der Realität, und jetzt? Und was hat das alles zu bedeuten?!
In nur zwei Tagen beginnt die Schule wieder. Wie werde ich reagieren, wenn ich Ms. Singh über den Weg laufe? Wie reagiert man, wenn eine Person solche Gedanken bei dir auslöst, du aber genau weißt, dass es falsch ist? Ich habe Angst. Wieso denke ich auf einmal daran? An Sie? Wenn die Schule wieder anfängt, muss ich einen Weg finden, ihr nicht zu begegnen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Ich muss meine Gedanken erst ordnen, und herausfinden, was das wirklich zu bedeuten hat.
Den Rest des Tages versuche ich vergeblich wieder in eine andere Welt abzutauchen und von der realen Welt abzuschalten. Doch immer wieder schweifen meine Gedanken ab, und plötzlich kommt mir die Idee: Unsere Schule hat eine Website und die Stundenpläne aller Klassen auf dieser Schule kann man dort finden – inklusive dem unterrichtenden Lehrer und dem Zimmer. Ich gehe also auf die Website und durchsuche Klasse nach Klasse, Tag nach Tag und Stunde nach Stunde ihren Kürzel „Si", neben mir ein Stundenplan liegend. Er füllt sich immer weiter, bis alles fertig ist. Jetzt kenne ich ihre Unterrichtszeiten, ihre Freistunden und kann mir ausmahlen, wann sie die Gänge entlang läuft. Und jetzt, wenn ich so auf das Blatt Papier starre, kommt dieses komische Gefühl. Ist es falsch, mir solche Informationen zu beschaffen? Ich komme mir vor wie ein kleiner Stalker.

Diary - Feelings for my TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt