Never.Lose.Hope

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Ich lief die Brücke nun schon zum achten mal entlang. Schon so oft hatte ich überlegt, ob ich nicht einfach runter springen sollte. Irgendwann geht es doch sowieso zu ende. Bei mir wahrscheinlich noch früher als bei anderen. Ok, was heißt hier wahrscheinlich - ich sterbe ganz sicher früher als andere. Um genau zu sein, habe ich nur noch ein paar Monate. Das habe ich meiner Krankheit zu verdanken. Toll oder?..

Das war nun also das neunte Mal, das ich die Brücke entlang lief. Konnte die Brücke nicht einfach von selbst einstürzen? Dann würde ich wenigstens nicht Selbstmord begehen... wieso ich mich überhaupt da runter stürzen will, ist nicht weil ich sterben möchte - ganz im Gegenteil egenteil - ich liebte mein Leben! Aber die Vorstellung es bald nicht mehr leben zu können... Es war ja nicht nur eine Vorstellung, sondern es war real... Ich konnte meine restliche Zeit gar nicht richtig genießen, oder Spaß haben. Wie würde der Tod sein? Und wird man wieder geboren? Oder ist man danach einfach nichts mehr? Ist man im Himmel? Gibt es den "Himmel" überhaupt? Oder die Hölle? Wenn ja - wo komme ich dann hin?

Diese fragen stellte ich mir jeden Tag. Und noch viele andere.

12. Runde auf der Brücke. Mittlerweile lief ich aber auf dem breitem Geländer. Nach ein paar weiteren Runden und ein paar Minuten des wiederholten Überlegens, blieb ich dann stehen und drehte mich in Richtung Abgrund. "Es bringt doch eh nichts, wenn ich jetzt noch ein paar Monate da bin und dann nicht mehr. Ob jetzt oder ein bisschen später juckt mich nicht."

"Du springst doch jetzt nicht ernsthaft da runter oder?"

Ich riss meine Augen auf und drehte mich ruckartig um, um einen jungen Kerl mit grstreiftem T-Shirt, weißer Jacke und einer süßen runden Brille zu sehen.

"Ich bin noch nicht ganz sicher...", gab ich zu.

"Wenn du jetzt allein sein willst, kann ich auch wieder gehen und woanders Fotos machen?", er machte Anstalten zu gehen.

"nein nein, du kannst hier bleiben, ich geh schon." ich sah noch ein letztes mal die Brücke herunter um dann runter zu gehen.

"Aber geh bitte nicht DA runter!", bat er und zeigte nach unten.

"Was? Nein!", gab ich zu verstehen.

"Ok gut, denn sonst hätte man mich vielleicht noch verdächtigt, dich da runter geschmissen zu haben.", grinste er.

"Wow... wie nett.", grinste ich zurück.

"Ich bin JHope.", er hielt mir seine Hand vor die Nase.

"(y/n)", gab ich zurück und reichte ihm meine Hand.

"Wieso wolltest du springen?"

"Weil... ich sowieso nur noch ein paar Monate habe und -" ich wurde von ihm unterbrochen.

"Was!? Aber deshalb bringt man sich doch nicht um!?" Er ließ seine Kamera, die er in der Hand trug, sinken und sah mich traurig an.

"Wieso, ich sterbe doch sowieso bald?" Da es langsam kalt wurde, verschränkte ich meine Arme und sah zu Boden.

"Ja eben?", Meinte er und sah mich erwartungsvoll an.

"Wie bitte?" Was sollte das denn jetzt heißen?

"Na, wenn du eh bald stirbst, musst du ja nicht schon jetzt sterben." Ich sah ihn verblüfft an. So hatte ich das jetzt noch nicht gesehen...?

"Aber..." Ich wusste nun wirklich nicht was ich sagen soll.

"Kein aber. Du musst alles einmal anders sehen und nicht die Hoffnung verlieren." Er nahm seine Kamera und fing an irgendetwas an der Brücke zu fotografieren. Da es nun Zeit zum Sonnenuntergang war, sah dieser Ort ein bisschen geheimnisvoll aus und machte einen romantischen Eindruck.

"Wieso reden bitte alle nur von Hoffnung!?", Platzte es aus mir heraus, "warum soll ich denn noch hoffen, wenn es doch eh ganz sicher fest steht, dass es bald zu Ende geht mit mir!? Diese blöde 'Hoffnung' bringt mir nichts! Wieso versteht das keiner!?" Ich schlug mit meinem Fuß gegen die steinerne Brücke.

"Aber davon Rede ich garnicht? Man stirbt doch sowieso irgendwann." Er sah mich ausdruckslos an.

"... was meinst du dann?" Ich war verwirrt.

"Du musst echt mal die Dinge anders sehen!" Er setzte sich auf das Geländer. "Eins steht fest: Jeder ,also auch du oder ich, wird irgendwann sterben.
Aber keiner weiß wie es ist, zu sterben. Jeder hat immer Angst davor, dass es schlimm wird. Und genau deshalb muss man hoffen, dass es ein schöner Tod wird und dass man die Zeit vor dem Tod genießen und wertschätzen kann.
Verstehe,
akzeptiere
und mach das beste daraus. Das gilt für jede Situation im Leben. Und ab jetzt - vor allem für dich." Er tippte mir auf die Nase.

"Du heilige Scheiße. Bist du Philosoph!?", wollte ich wissen.

"Nein, ich bin nur ich. JHope.", lächelte er.

Ich setzte mich zu ihm. "Meinst du das mit der Hoffnung jetzt ernst?", fragte ich vorsichtig und blickte über das orange, schimmernde Wasser, welches sich leicht im Wind bewegte und kleine Wellen schlug.

"Ja Das meine ich ernst. Ich spreche aus Erfahrung. Man darf nie die Hoffnung verlieren.
Die Hoffnung, auf etwas besseres.
Die Hoffnung, auf das Schöne.
Die Hoffnung... auf sich selbst.", sprach er und stand wieder auf.

"Wenn du irgendwann doch da runter springst, dann hoffen wir mal ,dass du einem Fisch begegnest.", grinste er.

Ich grinste zurück. Er war der einzige, der mich nicht aufgehalten hätte, zu springen, aber mir dennoch nachgetrauert hätte, in der Hoffnung, dass es ein schöner Sprung gewesen wäre.

Für ihn wäre es kein Sprung in den Tod gewesen ,sondern ein Sprung in die Befreiung.

Er hing sich seine Kamera um seinen Hals. "Ich kann zwar kein Englisch, aber eins solltest du dir merken: never lose hope." Er lächelte mich noch ein letztes Mal an, bevor er in der Dämmerung verschwand.

Ich dachte noch einmal an das alles, was er gesagt hatte.

Verstehe, akzeptiere und mach das Beste daraus.

Ein Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht.

Never lose hope.

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Bitte denkt alle an diese Worte wenn es mal drauf ankommt ♥

(annafanni hat diese Geschichte auf Ungarisch übersetzt)

Never.Lose.Hope || OneshotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt