Als wir ankamen, war meine Mutter schon auf der Arbeit. ,,Wusstest du eigentlich, das alle schwarzen Einhörner das Affix ,,Stern des Südens" haben?",fragte mich meine Stute. ,,Nö, aber schöner Affix!" , antwortete ich. ,,Ich muss auf der Koppel bleiben, nicht?", fragte Waikiki. Ich nickte und flüsterte:,,Bis morgen oder später!"
,,Schatz, kommst du mal?" , tönte die Stimme meiner Mutter durchs Haus. Kurz darauf stand ich vor ihr. ,,Ich habe eine tolle Nachricht!", freute sich Mama und plauderte drauf los:,, Ich habe einen neuen Job an der Ostsee in Rügen angenommen, und natürlich auch an dich gedacht! Wir werden neben einem Reiterhof leben, wo du Waikiki unterbringen kannst. In den Sommerferien ziehen wir hin!" ,,Super!", freute ich mich, ,,aber Waikiki braucht keinen Stall! Dort wo sie ist, ist auch eine Koppel. Und du darfst sie auch nicht verkaufen!" ,,Ja,klar! Aber jetzt gehst du ins Bett, es ist nämlich schon spät!" rief Mama. Ohne noch etwas zu sagen, ging ich ins Bad, duschte, putzte Zähne und zog mich um. Danach ging ich ins Bett. In dieser Nacht träumte ich von Waikiki. Vor uns erstreckte sich ein Springparcurs. Hilfe! Ich war noch nie gesprungen! Was machte ich hier überhaupt? Jetzt wurde ich aufgerufen. Aber vorher kamen noch zwei Mädchen in den Parcurs und legten die Stangen höher! ,, Nein! Sie sind schon hoch genug!", schrie ich ängstlich. Das eine Mädchen grinste mich an. ,,Nun treib deinen Traum doch schon an!" Die Richter wurden langsam ungeduldig. Mitten im Publikum erkannte ich Frau Gerber, meine Klassenlehrerin. Ihre Blicke schienen mich zu durchbohren. Mir blieb also nichts anderes übrig, als zu starten. Also trieb ich Waikiki an. Sie steuerte auf das erste Hindernis zu. Ich spürte, wie sich unter mir ihre Muskeln spannten und schrie Waikiki ins Ohr: ,,Nicht!" Waikiki antwortete: ,,Vertrau mir!", und setzte zum Sprung an. Ich kniff die Augen zu, und wartete darauf, aus dem Sattel gehoben zu werden, im Sand zu landen, und das Lachen des Publikums über mich her gehen zu lassen. Doch es kam ganz anders. Waikiki sprang, ich hielt mich ängstlich am Sattelknauf fest, und bemerkte, dass wir gar nicht mehr landete. Ja, wir flogen! Erst jetzt bemerkte ich die Flügel die Waikiki links und rechts gewachsen waren. Wir flogen über den Parcurs hinweg, und ich hörte, wie uns die Zuschauer zujubelten. Waikiki und ich flogen höher und höher, bis in den Himmel hinauf. Ich war mir sicher, Waikiki und ich hätten es auch ins All geschafft, wenn nicht der Wecker geklingelt hätte. Ich tastete nach dem Störenfried, und versuchte, Waikiki wieder in meine Träume zu befördern, doch es blieb alles schwarz, keine Waikiki. Blödes Mistding von Wecker! Aber ich müsste so und so aufstehen, denn Mama wäre eh in spätestens fünf Minuten gekommen um mich zu wecken, wie ich mit einem Blick auf den Wecker feststellen konnte. Als ich mich eine halbe Stunde später auf den Weg zu Waikiki machte, überlegte ich, ob ich auf ihr zur Schule reiten sollte. Au, ja! Also rannte ich schnell ins Haus zurück, um meine Sachen zu holen, und schwang mich dann auf Waikikis ungesattelten Rücken, und sie galloppierte los. Ich wusste nicht, wohin. Das einzige, was ich wusste war, das ich in Sicherheit war, solange ich auf ihrem Rücken saß. Ich wusste auch, das Waikiki wusste, was zu tun war und was sie tat. Aber ich wusste nicht, wohin sie mich brachte. Ich vertraute ihr einfach. Waikiki beschleunigte und bremste ihren Gallopp ganz von alleine. Ich musste nichts tun, nur sitzen und reiten. Ich bin zwar schon oft geritten, aber so traumhaft schön war es noch nie. Die Schulpferde mussten ohne Ende getrieben werden, aber auf meiner Stute musste man nur sitzten, es genießen, und sich entspannen. So flogen wir dahin. Ich wusste ebennur, dass ich auf Waikikis Rücken sicher war-so sicher wie nirgendwo anders!
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Das schwarze Einhorn
Short StoryDer Tag, an dem ich ein Einhorn fand... und es mir folgte.