Abschied

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Abschied ist etwas, das niemandem leicht fällt. Ich hasse es. Mehr als alles anderes. Auch wenn es nur kleine Abschiede sind, wie zum Beispiel von Arbeitskollegen, obwohl ich weiß, dass man sie morgen früh um viertel vor Acht wiedersehen werde. Noch schlimmer sind welche, wie diese, von denen ich gleich einen vor mir habe.

Ich sehe in die haselnussbraunen Augen von Damien.

Trauer, Angst, Liebe, sind die drei auffälligsten Emotionen, die in ihnen liegen.

Meine Sicht wird unscharf, weil sich Tränen bilden und meine Augen vernebeln. Ich will nicht gehen. Nicht ohne ihn.

Er nimmt mich in die Arme. Ich spüre die Wärme, die seine Haut ausstrahlt. Das wird jetzt erstmal lange die letzte Umarmung von ihm sein. Ich gebe schluchzend meinen Tränen nach und sie bilden unschöne dunkle Flecken auf seinem hell grauen Button-Down-Hemd. Doch das ist uns beiden egal.

Ich will nicht nach hause, wenn er in Seattle bleiben muss. Dann bin ich nicht vollständig. Ich will ohne ihn nirgends mehr hin. Selbst nach Miami, meiner Wahlheimat, nicht.

Plötzlich reizt mich die blendende Sonne, die unendlich langen Strände, die offenen, fröhlichen Leute, die hitzigen Temperaturen, alles nicht mehr. Alles ist scheiße ohne Damien. Das ist die einfachste Zusammenfassung.

Er stützt sein Kinn auf meinem Kopf und ich spüre die Nässe seiner Tränen auf meiner Kopfhaut.

Ich blicke auf und sehe in seine verzerrte Miene. Seine geröteten Augen. Meine Tränen auf seinem Hemd. Sein verwirrtes Haar, weil er sie heute schon so oft aus Verzweiflung durch gewuschelt hat.

Mein Flug wird zum letzten Mal aufgerufen. Ich verkrampfe mich und schließe für einen kurzen Moment meine Augen und atme noch einmal seinen einzigartigen Duft ein. Ich höre seine verzweifelten Bitten, dass dieser Moment noch nicht gekommen ist.

Ich ziehe ihn zu mir hinab, um ihn einen letzten Kuss zugeben.

Innig und leidenschaftlich, Tränen überströmt und angst verzerrt, küssen wir uns. Mitten auf dem lauten, überfülltem Gate. Jetzt muss ich gehen, das weiß ich. Es geht nicht anders. Ich muss nach Hause, auf die Arbeit, zu meinem Kater, zu meiner vorlauten Mitbewohnerin. Ohne Damien.

Ich löse mich von ihm und er sieht mich traurig an.

"Ich liebe dich. Und werde immer auf dich warten, Baby", flüstert er.

"Ich werde wiederkommen. Ich liebe dich auch."

Ich drehe mich um, meinen Pass und Bordcard in der Hand. Am Gate drehe ich mich ein letztes Mal zu ihm um und er steht da. Weinend und völlig aufgelöst.

Verzweift gebe ich der Flughafenangestellten, mit dem aufgesetzten Lächeln mein Ticket und winke Damien zu. Er winkt zurück.

Ich gehe in den Airbus und setze mich ans Fenster, setze mir meine Kopfhörer auf. Leise stöhnend schließe ich meine schmerzenden Augen und nehme schluchzend Abschied.

Von Seattle.

Von Damien.

Von meinem Herz.

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Hey :)

das ist meine erste Veröffentlichung und eine Kurzgeschichte! Es werden also planmäßig zu der Story keine weiteren Teile hinzukommen.

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