Das absolut Letzte oder das, in dem ich meinen Weg beschritt

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Das absolut Letzte oder das, in dem ich meinen Weg beschritt

Wir gingen Arm in Arm die Straße entlang und obwohl mir der kalte Schneematsch den Rocksaum vollkommen zerstörte und zu allem Überfluss auch noch meine Schuhe durchweichte, war ich glücklicher, als ich dachte, je sein zu können.

Er war einfach perfekt, wie er so neben mir ging. Gut, abgesehen von dem holprigen Start hatte er sich wie ein Gentlemen verhalten.
Sogar seinen Mantel wollte er mir umlegen, doch ich hatte mit einem Lächeln abgelehnt. Der Weg bis zum Haus meiner Eltern war nicht besonders weit, sodass es sich weder gelohnt hätte, noch unauffällig gewesen wäre.
Auch die Nachbarn sollten nicht unbedingt direkt auf unser kleines Geheimnis gestoßen werden, wenn wir unsere Beziehung auf unbestimmte Zeit vor meinen Eltern geheim halten wollten.

Deshalb löste ich mich auch widerwillig aus seiner warmen Umarmung, als unsere Straße in Sicht kam.
„Und... was soll ich sagen?"
Je näher wir kamen, desto nervöser wurde ich. Ich musste meinen Eltern meinen Verlobten vorstellen.

„Vielleicht erzählen wir ihnen erstmal von meinem Wunsch, wieder nach London zu ziehen und schauen einfach, wie sich das Gespräch entwickelt."
An einem aufmunternden Lächeln versuchte ich mich nur kurz, denn es half nicht nur nicht, ich belog mich damit auch selbst und das wollte ich gewiss nicht. Schließlich bestand meine letzte Lüge mir selbst gegenüber daraus, meine absolute Verliebtheit zu verleugnen, was mich letztlich einige schöne Monate gekostet hatte.
Plötzlich lachte Thomas nervös auf und strich sich mit der Hand durch die dunklen Haare. Mehr als einen fragenden Blick musste ich ihm nicht entgegen bringen, da antwortete er mir schon.

„Wir sind noch nicht mal verheiratet und stehen trotzdem schon vor großen Prüfungen."
„So schlimm wird es nicht", sagte ich zu uns beiden und erlaubte mir, auf die Gefahr hin, gesehen zu werden, ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen.

„Lange können wir unsere Neuigkeiten nicht bewahren. Spätestens bei der nächsten Soiree wird unser Erlebnis im Park der Inhalt sämtlicher Gespräche feiner Damen sein."
Obwohl er darauf nicht antwortete, wusste ich, dass ihm diese Vorstellung nicht behagte. Sie bedeutete unweigerlich, dass wir wenig Zeit hatten, uns selbst vorzubereiten.

Wir passierten den Zaun unseres weitläufigen Vorgartens und gingen langsam auf das große Haus zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, dies hatte aber auch den Vorteil, dass ich so die kühle Luft nicht spürte. Thomas Körper versteifte sich sichtlich.

„Und was machen wir, wenn sich eine Gelegenheit bietet?" Mit einem tiefen Atemzug betätigte ich den altmodischen Türklopfer.
„Dann sagen wir es und gehen. Ich möchte nicht, dass meine Eltern vor deinen Augen und den meinen über uns diskutieren."

Mary-Ann öffnete die Tür. Während wir eintraten, musterte sie meinen Verlobten mit einer Neugier, die ich nicht von ihr erwartet hätte.
„Ich nehme die Mäntel," sagte sie übereilig, als sie bemerkte, dass sich der Mann neben mir suchend nach einer Gaderobe umsah.

„Ihre Mutter befindet sich im Kaminzimmer und ihr Vater ist in seinem Arbeitszimmer", fügte sie hinzu, als erwartete sie, dass ich mich zwischen beiden entscheiden würde. Vater hasste Thomas förmlich durch all die Erzählungen meines Onkels, wie also könnte ich ihn von meiner Hochzeit überzeugen, wenn nicht erneut den Weg über meine Mutter zu gehen?

„Soll ich Tee bringen?"
„In das Kaminzimmer bitte", sagte ich ihr zu, dann bedeutete ich meinem Verlobten, die Tür zu seiner Linken zu öffnen. Verdutzt starrte er mich an, als ihm aufging, dass ich vorhatte, ihn als erstes den Raum betreten zu lassen.
Zögernd legte er eine Hand auf die Klinke. Dann, in einem gedankenschwachen Moment meinerseits, packte er mich an der Taille und schwang mich herum, sodass ich schlussendlich zwischen ihm und der Tür landete.

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