Das allerletzte oder das in dem alles begann

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„Mutter, ich muss dir was erzählen!" Klang das gut? Oder war es zu lässig, zu normal für so ein besonderes Gespräch, wie das, welches ich mit meiner Mutter zu führen plante. Denn wenn ich ihr erzählte, dass ich verlobt war....Oh Gott...Allein dieser Gedanke ließ mich innerlich schon wieder Freudensprünge machen. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Ich, die von allen als seltsam angesehene Animant, würde tatsächlich heiraten. Und dann auch noch Thomas Reed. Thomas, der als noch verschrobener galt als ich. Du liebe Güte, was wir für ein Paar abgeben würden.
Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen und erst da bemerkte ich, dass meine Gedanken schon wieder weit gewandert waren. Aber die Vorstellung wie ich in Thomas' Armen lag, er mich mit einem seiner seltenen Lächeln bedachte, seine Hände brennende Spuren auf meinen Körper hinterließen, während sie zu meinem Gesicht wanderten, mir damit eine Gänsehaut über den Körper schickten und er langsam, so unglaublich langsam seine Haltung veränderte bis unsere Lippen endlich voreinander schwebten, ich seinen warmen Atem spüren konnte, ihn schon beinahe schmecken konnte...

Verdammt! Erneut war meine Phantasie mit mir durchgebrannt. Es konnte doch nicht sein, dass mir wegen der Verlobung meine gesamte pragmatische Denkweise abhandengekommen war. Wo war die alte Animant? Die, die klar und sachlich denken konnte und nicht dauernd in einer Traumwelt verschwand. Ich würde dem allen jetzt ein Ende machen. Nicht lange nachdenken, einfach mal machen!

Entschlossen straffte ich meine Schultern und hob das Kinn. Dann klopfte ich mit meinen mittlerweile schon halb erfrorenen Händen an die Türe meines Elternhauses, vor der ich seit sehr vielen Minuten in der beißenden Kälte stand, immer noch versuchend meinen geplanten Worten den letzten Schliff zu geben.

Doch jetzt war es sowieso zu spät, denn Mary-Ann öffnete bereits die Tür.

„Guten Tag, Miss! Soll ich Ihre Jacke nehmen?" Ich gab sie unserem Hausmädchen bereitwillig, bevor ich mich erkundigte, wo meine Mutter sei. Doch im gleichen Augenblick wurde mir die Frage beantwortet, da Schritte auf der Treppe hörbar wurden, die nur meiner Mutter gehören konnten. Schnell, trippelnd. Und schon stand sie neben uns. Kaum hatte sie mich gesehen, wich ihr gehetzter Gesichtsausdruck erst einem freudigen und dann einem planenden. Ohoh, das konnte nichts Gutes bedeuten...

„Animant! Wie schön, dass du endlich wieder von deinem Spaziergang zurückgekommen bist!" Während sie redete, schickte sie sich wieder an, die Treppe zu erklimmen, die sie vorher erst runter gekommen war und zwang mich damit ihr zu folgen. „Ich muss dir unbedingt zeigen, was die Schneiderin mir für Henrys Hochzeit für ein Kleid geschneidert hat. Ich bin empört. Habe gesagt ich will so ein ähnliches wie du eins hast und was macht sie?" Schon da hörte ich nur noch mit halbem Ohr zu. Sobald meine Mutter anfing von Kleidern zu reden, war ich wieder ganz die Alte. Was mir zugutekam, denn so hatte ich meine Fähigkeit wiedergewonnen, Thomas Reed aus meinem Kopf zu verbannen, zumindest kurzfristig.

Und das, wo das in der Luft schwebende Gespräch doch eigentlich von ihm handelte. Fast ausschließlich nur von ihm.

Bevor ich wie die Tage zuvor einen Rückzieher machen konnte, räusperte ich mich. „Ich habe dir was zu erzählen!"

Doch meine Mutter beachtete mich gar nicht. „Jaja, Kindchen. Gleich. Du weißt doch, dass ich gerade sehr viel zu tun habe. Die Hochzeit ist in wenigen Wochen und so viel ist noch nicht gemacht. Deswegen bin ich auch so froh, dass du endlich von deinem Spaziergang wiedergekommen bist!" Und so ging es in einem fort. Ich versuchte es ein zweites Mal, jedoch mit dem gleichen Ergebnis der völligen Ignoranz meiner Mutter.

Schließlich konnte ich mich nicht länger halten und platze heraus: „Ich bin verlobt!"

Es dauerte ein paar Sekunden, ehe meine Mutter zu realisieren schien, was ich gesagt hatte. Wie in Zeitlupe drehte sie sich um. Doch diese kurze Zeit, die sie dafür benötigte, schien mir wie eine Ewigkeit. Mein Herz schlug schneller, denn jetzt merkte ich erst, dass ich die Worte einfach so aus meinem Mund kommen ließ, ohne vorher groß einen Gedanken auf sie zu verschwenden. „War es falsch einfach so mit den Neuigkeiten ins Haus zu fallen? Wird sie mit meiner Wahl einverstanden sein? Verbietet sie mir die Hochzeit?" Alles Gedanken, die ich mir die letzten Tage schon gestellt habe; ohne irgendeinen Ansatz einer Antwort zu erahnen. Zwar hatte ich mir den Kopf über alle möglichen Reaktionen meiner Mutter zerbrochen, aber selbstverständlich fielen mir jetzt nur all die negativen ein.

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