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Drei Wochen zuvor:

Aufwachen. An die Decke starren und einfach nichts denken. Der Wecker klingelt. Die schlanke Hand greift nach dem Handy und hält es vor das Gesicht des jungen Mannes. Er starrt kurz auf den Bildschirm, dessen Uhr sechs Uhr anzeigt, bevor er mit schnellen Bewegungen den Code eingibt und den Wecker austellt. Träge setzt er sich auf und gähnt.

Als das Handy vibriert, schaut er auf den Bildschirm. Eine neue Nachricht. Er tippt vorsichtig auf die Nachricht und liest sie, sich die Augen reibend, durch. ›Tae-Min, wo bist du? Bist du etwa schon unterwegs auf der Straße? Eomma

Tae-Min lächelt belustigt und schreibt schnell zurück. ›Nein Eomma, ich bin gerade erst aufgewacht. Wieso fragst du mich das? Min

Er schickt die Nachricht ab und steht auf. Mit leicht schleppenden Schritten geht er ins Bad und wäscht sich sein Gesicht mit kaltem Wasser, das ihn sofort erfrischt. Sein Handy vibriert ein weiteres Mal und er öffnet die Nachricht. ›Das ist merkwürdig. Denn wenn ich mich nicht versehen habe, sah ich dich eben über den Strand wandern. Muss wohl jemand anderes gewesen sein... Ich habe dich lieb! Eomma

Verwirrt runzelt Tae-Min seine Stirn, schreibt schnell noch: ›Ich dich auch! Min‹ zurück und zieht sich um. 

Nachdem er sich fertig gemacht hat und etwas gegessen hat, geht er aus der Wohnung heraus und schultert seine Tasche. Obwohl es noch so früh ist, kommt ihm der Hausverwalter entgegen und spricht ihn höflich lächelnd an. 

»Guten Morgen, Herr Lee. Sie sollten wohl, bevor Sie heute Nachmittag wiederkommen, erfahren, dass Sie einen Nachbarn bekommen. Falls etwas los ist, melden Sie sich bitte.« Tae-Min lächelt ebenfalls höflich, nickt verstehend und verbeugt sich leicht, daraufhin wendet er sich zum gehen. 

»Schönen Tag, Herr Jang!«, sagt der Jüngere mit einer weichen, tiefen Stimme, und der Hausverwalter grüßt zurück. »Ihnen ebenfalls, Herr Lee!«

///

Der junge Mann verbringt seinen Tag mit seiner gewohnten Arbeit und hat nachmittags schon fast vergessen, dass er nun nicht mehr allein auf der Etage seiner Wohnung ist. Doch als er ein fremdes Auto an der Straßenseite sieht, erwacht in ihm ein wenig die Neugierde auf den neuen Nachbarn. 

Sein Auto eingeparkt und zugeschlossen, die schwarze Tasche locker auf den Schultern geht er nun zum Hochhaus und steigt in den Aufzug. Irgendwie hat er ein komisches Gefühl. Ein Gefühl das ihn verwirrt und das er nicht zuordnen kann. 

Während der Aufwärtsbewegung des Fahrstuhls legt sich ein Druck auf Tae-Min's Schultern, als würde seine Tasche schwerer werden und sein Kopf von zwei Händen zusammengepresst werden, in seinen Ohren rauscht das Blut. Das Pling, das ihm zu erkennen hiebt, dass er nun auf seiner Etage aussteigen kann, zerreißt die beinahe unerträgliche Stille und klingt ungewohnt schrill in seinen Ohren.

Gleichmäßig gleiten sie beiden mattgoldenen Metalltüren auseinander, kurz verharrt er. Komischerweise wird ihm leicht übel und er legt eine Hand auf seinen Bauch. Er hat, zumindest so weit er noch weiß, nichts falsches gegessen, und genug hatte er auch, er hat weder Hunger noch Appetit.

Bevor die Türen wieder zugehen steigt er aus dem Fahrstuhl. Wieder einmal kommt ihm der Apartmentflur sehr leer vor. Schwarzer Marmorboden, graue Marmorwände, schwarze Apartmenttüren mit goldenen Nummern und Türgriffen. Neben den Türen elektrische Zahlenschlösser, als doppelte Sicherung. 

Unnatürlich laut kommen ihm seine Schritte vor, das Klacken der harten Sohlen hallt in seinem Kopf wider, als er auf Apartment hunderteins zugeht. Das Dröhnen in seinem Kopf nimmt zu, ihm wird leicht schwindelig, seine Sicht verschwimmt. 

Eine seiner Hände hält seinen Kopf, die andere tastet nach der Wand neben der Tür. Er kann nicht mehr denken, fühlt nur noch. Er fragt sich nicht einmal, warum es ihm so plötzlich schlecht geht, warum er Schmerzen hat. 

Seine Hände schieben den Verschluss vom elektrischen Zahlenschloss nach oben, geben mit routinierten Bewegungen und dennoch zitternd den Code ein. Das Schloss piept. Kann ich jetzt rein? Er weiß es nicht mehr. 

Ein plötzlich heftiger Druck in seinem Kopf lässt ihn schmerzerfüllt die Augen schließen. Seine Hand tastet nach dem Türgriff, versucht die Tür zu öffnen. Keine Bewegung. Verschlossen. Verzweifelt und kraftlos lässt er beide Hände fallen, sein Kopf sinkt auf seine Brust und seine Knie zittern. Sekunden, Minuten vergehen, er hat kein Zeitgefühl mehr. 

Dumpfe, tiefe Töne erreichen seine Ohren. Schritte? Seine Augen öffnen sich einen Spalt, als er ein Klacken hört. Die Tür öffnet sich langsam. 

Seine Beine geben nach, seine Sicht verschwindet ins Schwarze und er verliert sein Bewusstsein. Er weiß nicht einmal, ob er nun in seinem Apartment auf den Boden fällt oder ob er von jemandem aufgefangen wird.

///

Es ist ruhig. Tae-Min hört nur seinen Atem. Er liegt auf etwas ziemlich weichem. Sein Bett? Schlagartig öffnet er die Augen. Wo bin ich? Über ihm ist eine blendend weiße Decke. Keine Lampen. Also nicht mein Zimmer.

Er hört Schritte, ein Knistern von Plastik. Hastig will er sich aufsetzen, wird jedoch gleich wieder in die weichen Kissen gedrückt. 

Die blond gefärbten Haare verdecken das nach vorne geneigte Profil des Mannes vor ihm, die vorderen Strähnen sind – wie auch bei Tae-Min selbst – etwas länger. Überaus verwirrt, zu verwirrt um die Situation auch nur ansatzweise zu verstehen, starrt er den Mann an, dessen grazile Finger ein Schmerzpflaster auspacken, neben ihm kniend und über ihn gebeugt. 

Aus seiner Starre erwacht Tae-Min erst, als der Fremde ihm das Pflaster auf die rechte Seite seines Bauches legt und behutsam feststreicht. Die Berührungen kitzeln etwas und außerdem – das ist ein Fremder

Tae-Min räuspert sich leise und stützt sich auf seine Ellenbogen. »Entschuldigung... aber wer sind Sie?« 

Der Andere richtet sich auf und streicht sich seine Haare zurück, erst dann schaut er Tae-Min an. Diesem stockt ein wenig der Atem. Er sieht... genauso aus wie ich? Tae-Min starrt nur paralysiert in die dunklen Augen des Mannes, während dieser amüsiert lächelt. 

»Lee Tom. Oder lieber Lee Tae-Min?« Tae-Min's Mund öffnet sich und schließt sich, er bekommt keinen Ton heraus. Lee Tae-Min – Lee Tom – zieht eine Augenbraue nach oben und knüllt die Verpackung des Schmerzpflasters zusammen, steht langsam auf und schaut ihn von oben an.

»Dein Bauch hat mit meiner Türklinke Bekanntschaft gemacht. Sah etwas schmerzhaft aus...« Ein Mundwinkel zuckt nach oben. »Willst du etwas Wasser?«

Tae-Min nickt. Die Sekunden verstreichen, ohne dass er seinen Blick von der Stelle löse kann an der kurz zuvor ›Tom‹ stand, bevor dieser mit diesem unerklärlichen Gesichtsausdruck durch die Öffnung zu einer Küche verschwunden ist. Tae-Min hört etwas klappern und Wasser rauschen und kurz darauf ist der Andere auch schon mit einem Glas in einer Hand da. Tae-Min schmunzelt leicht, als er sich der Absurdität dieser Situation bewusst wird. Er hat nämlich die Angewohnheit Gläser oder Tassen mit der linken und nicht der rechten Hand zu halten. Wie sein Gegenüber.

In dem Moment, in dem sich die Finger bei der Übergabe des Glases berühren, umfängt beide eine wohlige Wärme und ihre Blicke treffen sich. Die Intensität Beider lässt ihre Wangen langsam rötlich färben vor Hitze. Doch keiner kann blinzeln oder den Blick lösen, sie sind zu gefangen von dem brennenden Blick ihres Gegenübers.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 10, 2019 ⏰

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PRESS IT - Taemin [TwoShot]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt