Prolog

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Laute Schreie hallten durch die Gänge, des wunderschönen Schlosses. Frauen, mit weichen Tüchern und Schalen mit warmem Wasser in den Armen, rannten durch die reichlich verzierten Gänge. Sie alle stiegen eine Treppe aus Marmor empor und öffneten eine schneeweiße Tür, hinter der man dumpfe Stimme hören könnte, die jedoch durch die Schreie übertönt wurden. An der anderen Seite des Ganges zerrte eine verzweifelte, junge Frau ein kleines Mädchen in ihr Zimmer. Doch das Kind krallte sich mit aller Kraft an dem weißen Türrahmen fest und schrie, wie am Spieß. „Kommt mit, Eveline", zischte die Frau, die anscheinend eine Angestellte war, dem jungen Kind zu. „Ich will aber zu Mutter!", antwortete sie, wobei man die Verachtung, für die arme Frau deutlich anhören konnte. Zwei weitere Damen gesellten sich zu dem schrecklichen Szenario und halfen dabei, das Mädchen in ihr Zimmer zu bringen. Mit einem letzten bösen Aufschrei schlug die Tür hinter den Dreien zu und das Einzige, was man wahrnehmen konnte war das erschöpfte Keuchen, das aus dem großen Raum kam, in den die Frauen eilten.

Im Inneren des Schlafzimmers befand sich ein großes Himmelbett, in dem die schreiende und wimmernde Frau lag. Sämtliche Glastüren, die auf wundervoll verzierte Balkone führten, standen offen, sodass die kühle Nachtluft die leichten Vorhänge zur Seite wehten. Im Raum verteilt standen die verschiedensten Vasen, in denen farbenfrohe Blumen blühten. Auf einem silbernen Tisch, in der Nähe des Bettes, stellten die Frauen schnell ihre Tücher und Schalen ab, um dann ihre gesamte Aufmerksamkeit der Frau zu zuwenden. An ihrem mit Schweiß durchtränktem Nachthemd konnte man deutlich erkennen, dass sie hochschwanger war, denn eine runde Kugel zeichnete sich an der Oberfläche ab. Die blonden Haare der Frau klebten ihr nass im Gesicht und aus ihren Lippen war sämtliche Farbe entwichen. Eine Hebamme kniete vor ihren angewinkelten Beinen und schrie immer wieder „Pressen!", während eine andere Frau, mit streng nach oben gesteckten braunen Haaren, ihr mit einem Tuch die Stirn abtupfte. „Holt den König", wisperte eine alte Dame zu einem Dienstmädchen, die nur schockiert in einer Ecke saß und dem blutigen Schauspiel zusah. Das weiße Bettlacken verfärbte sich blutrot, die zitternden Hände der Hebamme krallten sich um das kleine Köpfen, das aus dem Unterleib der Frau schaute. „Ihr dürft nicht aufgeben", wisperte eines der anderen Dienstmädchen, doch in ihrem Gesicht stand das pure Entsetzten. Erschöpft ließ sich die gebärende Frau in ihre Kissen fallen, ihre Kräfte schienen zu schwinden, mit jedem Keuchen, das aus ihrer Kehle drang. „Unsere Königin, sie stirbt", hauchte die Hebamme, wobei sich Tränen in ihren blauen Augen sammelten. „Wo bleibt der König?", rief die alte Dame, die gerade ein Tuch in das Wasser eintauchte.

Minuten der Stille vergingen, in denen nur die erschöpften Töne, die von der im Sterben liegenden Königin stammten, den Raum erfüllten. Es schien so, als würde jedes Licht dunkler werden und die Luft abkühlen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und das Dienstmädchen, das eigentlich den König hätten suchen sollen, betrat mit gesenktem Kopf den Raum. Alle Augenpaare waren auf sie gerichtet, doch alles was als Antwort von ihr kam war ein Kopfschütteln. Doch nur einen Sekundenbruchteil später betrat eine weitere Frau den Raum, an ihrem schwarzen Kleid konnte man erkennen, dass sie nicht zu den Angestellten des Hofes gehörte. Ihre pechschwarzen Haare schauten als Zopf unter ihrer dunkelgrauen Kapuze hervor und auch sonst waren ihre gesamten Klamotten in dunklen und tristen Farben gehalten. Es schien fast so, als wäre sie dieser leidvollen Nacht entsprungen.

Alle Frauen in dem großen Saal schauten nun unentwegt auf die Fremde, die vor ihnen stand. Die Hebamme hatte immer noch ihre blutbeschmierten Hände um den zarten Kopf des Babys geschlungen und starrte auf die Schwarze Dame, jedoch fand sie als erstes ihre Stimme wieder. „Wer seid Ihr?", rief sie quer durch den ruhigen Raum, bekam allerdings nur ein rasches Kopfschütteln als Antwort. Mit schnellen Schritten bewegte sich die Schwarze Dame auf das Bett der Königin zu und meinte mit einer ruhigen und einfühlsamen Stimme. „Geht jetzt, ihr alle!", keiner von den Anwesenden traute sich etwas dagegen zu sagen und so verließen die Dienerinnen ihre sterbende Königin. Mit einem letzten traurigen Blick schloss die letzte von ihnen die weiße Tür und überließ das Schicksal ihrer Herrscherin dieser Fremden.

Die Wiedergänger ChronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt