Alyra

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„Es ist mir vollkommen egal, was sie euch befohlen hat und was nicht, ich will sie sehen und zwar sofort", ertönte die laute Stimme meiner Schwester Eveline vor meiner Zimmertür. Ich selbst saß in meiner riesigen Badewanne, die mit goldenen und dunkelgrünen Fliesen eingerammt war. Ansonsten befand sich in meinem Badezimmer nur ein schöner Spiegel, den mir der Kaiser von Arios einst zu meinem Geburtstag geschenkt hatte, Jahre war das jetzt schon her, so kam es mir zumindest vor. Vor dem besagten Spiegel, befand sich ein Holztisch, in den ein lustiges Muster geschnitzt war, als ich noch ein Kind war verglich ich es immer mit Enten, obwohl die Tiere eigentlich gefährliche Panther darstellen sollten, die auch in unserem Wappen waren. Allerdings erkannte man diese, auf meinem Tisch kein bisschen. Hinter mir stand die riesige Glastür offen, die auf einen von drei Balkonen, die an mein Zimmer angrenzten, führten. Weswegen mir meine hochgesteckten kupferfarbenen Haare etwas ins Gesicht geweht wurden, zumindest die Strähnen, die sich herausgelöst hatten. Meine Schwester fand meine Haarfarbe immer sehr beeindruckend, da sie im Sonnenschein aussah wie flüssiges Kupfer und nicht wie diese komischen rötlichen Kupfertöne der Bauernmädchen. Manchmal fragte ich mich, woher diese Farbe wohl kam, denn meine Eltern und auch meine Schwester hatten blonde Haare, aber irgendwann hatte ich beschlossen, dass es mir egal war und lebte einfach damit.

Durch einen Torbogen, der geschmückt war mit Rosen, die ich so sehr liebte, konnte ich in den großen Hauptraum meines Zimmers sehen. Das Wort Zimmer war hier definitiv fehl am Platz, da meine Gemächer so groß waren wie eine ganze Wohnung, aber irgendeinen Vorteil musste es ja haben, wenn man zum Königshaus von Valeria gehört. Wieder vernahm ich die wütende Stimme meiner Schwester, die sich mit meiner Dienerin Caithe stritt.

Die beiden konnten sich nicht leiden, da Caithe sich der Königin, meiner Schwester, immer widersetzte, um mich zu schützen. Dafür liebte ich sie auch, selbst wenn ich Angst hatte, dass sie eines Tages für ihre Frechheit für immer in den Kerker wandert, was ich immer versuchte zu verhindern. Schon manche Nächte hatte meine beste Freundin und auch treuste Dienerin in den dunklen Gemäuern des Nordturmes verbracht, dort wo sonst nur die Mörder und Vergewaltiger vor ihrem Todesurteil hinkommen, doch Caithe konnte ich zum Glück immer wieder herausbekommen. Sie stammte ursprünglich aus dem Land der sterbenden Sonne, was man auch an ihrer gebräunten Haut und den dunklen Haaren erkennen konnte, zudem war sie sehr zierlich, im Gegensatz zu mir, weswegen ich mich auch immer auf einen niedrigen Stuhl setzten musste, wenn sie meine Haare kämmen wollte, da ich sonst viel größer war als sie. Zudem liebte sie die Musik und spielte mir fast jeden Abend etwas auf dem großen Flügel, der in meinem Zimmer stand, vor. Auch ich konnte auf den hellen und dunklen Tasten des großen Klavieres spielen, allerdings nicht mit einer so atemberaubenden Leidenschaft wie Caithe, die die Noten zu beherrschen schien.

Mit einem Mal wurde die große Tür aufgerissen und meine Schwester trat herein, an ihren zusammen gepressten Lippen konnte man erkennen, dass sie stocksauer auf mich war. Das ließ mich aber nur frech grinsen, da ich die Wutausbrüche meiner Schwester, die verheerend waren, schon gewohnt war und so lehnte ich mich einfach wieder nach hinten und genoss das warme Wasser, das meinen Rücken umspülte. „Was hast du dir dabei gedacht, einfach nicht zu erscheinen?", platze es zornig aus ihr heraus, was man in der Öffentlichkeit nicht von ihr gewohnt war. Sie bemühte sich stets ein gutes Bild zu machen, zog immer die neusten Stoffe an, die ihr die Schneider gaben. Dazu kam, dass sie ihre Haare immer leicht nach oben steckte, was sie mächtiger wirken ließ und trotzdem hatte sie immer dieses Jugendliche an sich, dieses gewisse Etwas, was sie freundlich machte. Doch von Freundlichkeit fehlte in diesem Moment jede Spur, sie hatte ihre Hände fest in die Hüften gestemmt und auch von ihrer Krone, die sie sonst immer trug, fehlte jede Spur. „Der Fürst war außer sich, das heißt wir können die Vermählung mit seinem Sohn vergessen", meinte sie nicht weniger aufgebracht und funkelte mich böse an. „Ich hätte ihn sowieso nicht geheiratet", erwiderte ich vollkommen desinteressiert und betrachtete meine mittlerweile schrumpeligen Hände. „Manchmal frage ich mich, was bei dir los ist, jedes Mädchen träumt davon einen der gutaussehend Söhne des Fürsten Aplerìa zu heiraten, alle außer du!", schrie sie schon beinahe, so wie es jedes Mal war, wenn sie sich in Rage redete. Meistens verlor Eveline immer wegen mir die Beherrschung, aber an irgendwem musste sie die angestaute Wut, die sie als Königin aufbaute, auch rauslassen und mir machte es nichts aus. „Alle Mädchen, außer mir, du bist du auch nicht verheiratet", entging ich ihr nüchtern. „Das ist etwas anderes, ich bin die Königin, ich möchte meine Stellung im Reich nicht verlieren durch eine Heirat und das weißt du, die Zeiten haben sich geändert, man findet nicht so leicht den passenden König, wie zu Mutters Zeiten", erklärte sie mir. Und da waren sie wieder, diese unausgesprochenen Worte, die zwischen uns beiden standen. Eveline liebte mich von ganzem Herzen, da war ich mir sicher, aber dennoch vermisste sie Mutter und vermutlich konnte ein kleiner, dunkler Teil ihres Herzens mir nicht verzeihen, dass ich für ihren Tod verantwortlich gewesen war. Schließlich konnte ich mir selbst nicht verzeihen.

Die Wiedergänger ChronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt