3 | wütende Blicke

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Heute war es überraschenderweise sonnig und heiß. Keine Spur von Wolken oder Regen.

Nach dem Frühstück, zog ich mich um und rief Cassandra an. Wir machten uns aus, dass wir uns gleich im Freibad treffen würden. Sie sagte, sie wollte auch noch ein paar Freunde mitbringen. Danach verabschiedete ich mich von meinen Eltern, schnappte mir mein Skateboard und fuhr los. Oder versuchte es zumindest. Ehrlich gesagt konnte ich nicht mal ansatzweise damit umgehen, aber da meine Eltern es mir zum Geburtstag geschenkt hatten, wollte ich sie nicht enttäuschen.

Mit der Folge, dass ich den ganzen Weg lang 0,00000035 km/h fuhr, trotzdem stürzte und das Skateboard mit einem Avada Kedavra verfluchte.

Es dauerte Gott sei Dank nicht lange, da das Freibad praktisch um die Ecke war. Dort, vor dem Tor, wartete meine Freundin mit drei Jungs auf mich. "Hi, Cass." grinste ich und wandte mich dann den drei Typen zu. Der eine, mit braunen Haaren, sah aus wie ein typischer Aufreißer. Der andere hatte schwarze Haare und wirkte irgendwie gleichgültig, so wie er seinen Döner kaute. Der letzte hatte, trotz dem heißen Wetter, eine lange rote Jeans und ein schwarzes Shirt an. Seine Haare waren die kürzesten von allen.

"Und wer seit ihr?" fragte ich sie.

"Joel.", kam es von dem Langen. "Du?"
Er reichte mir die Hand und ich wurde rot. "Ruby."
"Ich bin Henry." lenkte mich der schwarze-Shirt-Typ ab. "Und das ist Seth." er zeigte auf den mittleren Jungen mit den asiatischen Zügen. "Hi." brachte undeutlich hervor er und mampfte seinen Döner weiter.

"Woher kennst du sie?" fragt ich an Cassie gerichtet, während wir uns einen Platz im Schatten suchten. "Kannst du dich noch erinnern, als in den Ferien für zwei Wochen in einem Erste-Hilfe-Camp war? Dort hab ich sie kennengelernt. Seth ist Asiate und frisst was das Zeug hält."

Das hätte ich mir denken können.

"Joel ist sowas wie mein Cousin und ein Vollzeit-Idiot." Besagte Person verdrehte nach ihrer Aussage die Augen.

"Und Henry... sei jetzt nicht gemein, aber-"
"Ich glaube du solltest das lassen, Cass." unterbrach sie Seth, der mit den anderen beiden Jungs vor uns die Handtücher über der Wiese ausbreitete.

"Das kann mir Henry aber auch selbst sagen." zischte sie.
Darauf entstand ein unangenehmes Schweigen.

"Ich bin schwul." brach Henry seufzend die Stille. "Aber erzähl das niemanden." murmelte er peinlich berührt.
"Natürlich nicht! Schon gut, du musst dich vor mir nicht schämen." lächelte ich ihn ermutigend an.  Henry lockerte allmählich wieder auf. "Hey, Mädchen lieben es einen schwulen Freund zu haben." stieß ihn Cassandra freundschaftlich in die Seite. Darauf lachte Joel.

                                         🔫🔫🔫

"Ähm, nur um das jetzt klar zu stellen : Cass ist unsere Freundin. Und auch deine, also müssen wir uns wohl oder übel auch anfreunden." erkannte Seth nachdem wir aus dem Wasser kamen. "Alles klar. Dann sind wir eine Gang." scherzte ich.
"Ich hab den passen Namen! Die Dumbos." lachte Cassandra. "Oder die Fettsäcke." schlug Seth japsend vor. "Die Wichser." Joel streckte seinen Arm in die Luft. "Nein, die Weicheier!" kam es von Henry.

So ging es eine ganze Weile auf dem Heimweg, bis Cass in ein Viertel einbog, in dem sie wohnte. Nach und nach verabschiedeten sich auch die Jungs und schließlich war ich ganz alleine.

Ich fuhr den längeren Weg auf der Brücke und schaffte es dieses Mal ohne Hinfallen, dafür wankte uch ziemlich oft. Die meiste Zeit schaute ich dabei hinunter zum Fluss, bis ich von meinem Board abstieg, weil ich deshalb beinahe gestürzt wäre.

Ich ging gedankenverloren meinen Weg, als ich plötzlich gegen etwas prallte. Eine Schulter. "Tut mir leid." murmelte ich und wollte weiter gehen.

"Kannst du nicht aufpassen, Kleine?" zischte eine jungenhafte Stimme. Da wurde ich böse und schaute endlich in das Gesicht, von dem Typen. Er hatte honigblonde Haare und brauen Augen, welche mich praktisch mit diesem wütendenden Ausdruck durchbohrten.

"Ich habe mich schon entschuldigt. Mehr kann ich auch nicht mehr tun. Außerdem ist das kein Grund, gleich aggressiv zu werden!" entgegnete ich ihm. Leider klang der Satz schnippischer als gewollt.

"Nicht frech werden!" knurrte er und kam einen Schritt näher.

Also, jetzt, mein Freund, übertreibst du ein wenig.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Einen Fremden sprach man generell nicht an und einen Streit anzufangen, nur weil ich gegen ihn gelaufen bin, erschien mir kindisch. Oder ich hatte einfach zu viel Schiss vor ihm.

Dämlich, wie ich war, gewährte ich meinem Stolz, der sich in den unpassensten Situationen nie zähmen ließ, die Oberhand. "Was denn? Ist die Wahrheit etwa verboten? Und wer glaubst du bitteschön zu sein, mir meine Meinung verbieten zu können? Obama kann es nicht.  Alessio kann es nicht. Und meine Mutter kann es auch nicht. Also warum du?" meine Stimme wurde etwas lauter und auch ich machte einen Schritt in seine Richtung.
Seine Arme spannten sich an und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Ich versteckte meine Angst und funkelte ihn wütend an. Innerlich verreckte ich natürlich an der aufkommenden Panik.

Unsere Geschichter waren nur wenige Zentimeter von einander entfernt. Er wollte gerade etwas erwidern, als wir ein Auto hörten. Wie von einer Tarantel gestochen fuhren wir beide hoch. Das Polizeiauto wurde langsamer und zwei darin sitzende Männer musterten uns streng.
Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und ging hastig weg. Selbst als die Polizei und der Junge weg waren, konnte ich Blicke auf mir spüren.

Doch wenn ich verstohlen nach hinten blickte, konnte ich niemanden sehen.

Gangsterboy | TBSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt