1. Kapitel

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Langsam glitten meine müden Füße auf den kalten Holzboden. Ein Frösteln durchzog meine schlaffen Glieder und ein Gähnen entrang meinem Mund, während ich mich streckte. Vorsichtig stand ich auf und schwankte zu dem großen Fenster gegenüber meines Bettes zu. Meine Finger drückten mit leichtem Druck den Knopf, rechts davon, welcher die Jalousien hinauf fahren ließ. Meine Augen blinzelten heftig als sie in das grelle Morgenlicht der Sonne blickten. Nach der üblichen Gewöhnungszeit, an das helle Licht, sah ich den grünen Mischwald der sich hinter unserem Haus befand. Je weiter mein Blick sich hinein bohrte, desto dunkler kam mir das Grün der Bäume vor. Nach kurzer Zeit des Hinausblickens, drehte ich mich um und ging in mein Badezimmer, welches mit meinem Zimmer durch eine Tür verbunden war. Ich betätigte den Lichtschalter links von mir und die Glühbirnen, die in die Decke versetzt waren, erleuchteten den sonst so dunklen Raum. Ich zog meine Klamotten aus und steckte sie in die Wäschetonne, danach stellte ich mich unter die Dusche und ließ das Wasser lauwarm auf mich hinabrieseln. Das Wasser erweckte meine immer noch müden Glieder wieder zum Leben. Als ich damit fertig war föhnte ich meine Haare und zog mir das Gewand, welches ich schon am Vortag bereitgelegt hatte, an. Das grüne Tank-Top betonte meine Augen, die die gleiche Farbe hatten, dazu hatte ich mir eine enge Röhrenjeans angezogen, Alles in allem betonte meine Kleidung meinen wohlgeformten Körper. Vorsichtig kämmte ich meine braunen Locken und betrachtete mich im Spiegel. Ich hatte dunkle Augenringe von den letzten Nächten die ich trotz extremer Müdigkeit schlaflosverbracht hatte. Ich griff auf die Glasablage vor dem Spiegel und nahm mein Make-Up mit dem ich versuchte meine Augenringe zu kaschieren. Danach tuschte ich noch meine Wimpern und tat etwas Kajal rauf. Zum Schluss sah ich noch einmal in den Spiegel und betrachtete das Ergebnis, meine Augenringe waren äußerst gut kaschiert und fielen fast nicht mehr auf. Freudig schritt ich nach unten in die Küche und setzte mich zu unserem Esstisch. „Morgen Jane, möchtest du auch Kaffee?“, fragte mich meine Mutter und lächelte mich breit an. Ich nickte ihr stumm zu und sie schritt zur Kaffeemaschine und betätigte den Knopf. Während der Kaffee in die Tasse rieselte, breitete sich ein angenehmer Geruch aus. Vorsichtig setzte meine Mutter vor mir die Tasse ab und ihre Hände fingen an zu zittern. „ Jane, ich habe heute noch eine Operation, also warte heute bitte nicht auf mich“, erklärte sie mit zittriger Stimme. „Viel Glück“, sagte ich ihr, während ich mich zu ihr nach vorne beugte, über den schmalen Tisch hinweg und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Einige Zeit später stand ich auf und ging zur Schule. Der Weg dorthin dauerte zum Glück nicht lange, da mein Auto in der Werkstatt war, denn ich war echt faul wenn ich mal ehrlich bin. Vor der großen Glastüre, welche der Eingang dieses tristen Schulgebäudes war, stand meine beste Freundin Mila. „Morgen Süße!“, rief sie mir entgegen, während sie auf mich zu gerannt kam um mich zu umarmen. Herzlich schloss sie mich in ihre dünnen Arme und ich drückte sie kurzzeitig an mich, da ich echt nicht der Typ war der es sich auf solche Begrüßungen stand. Sie musterte mich von oben bis unten woraufhin ich sie fragend ansah. Als ein Grinsen auf ihr Gesicht trat blickte ich verunsichert an mir hinab. Sah ich denn heute wirklich so scheiße aus, dass mich sogar meine beste Freundin auslachen musste? Mila riss mich wieder aus meiner Grübelei als sie meine unausgesprochene Frage mit einem Lächeln im Gesicht beantwortete:„ Süße, du siehst nicht scheiße aus. Wir sind heute nur im Partnerlook unterwegs.“ Mila schüttelte den Kopf und tätschelte meine Schulter, als wäre ich ein dummes Kleinkind welches die Welt noch nicht verstand. Zum ersten Mal an diesem Tag blickte ich auf ihre Klamotten und tatsächlich, sie hatte das gleiche an wie ich. Ein Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus. Mila hakte sich bei meinem Arm ein und so traten wir dann ins Gebäude, während uns die Jungen der Schule immer wieder interessierte Blicke zuwarfen. Langsam näherten wir uns dem ersten Unterrichtsraum wo wir unterrichtet wurden, Mathe. Glücklicherweise gehörte ich zu den wenigen die es konnten und nicht ständig alles falsch hatten. Wir setzten uns auf unseren üblichen Platz in der hintersten Reihe, als es klingelte trat dann der Lehrer ein. Von da an verging die Zeit wie im Flug, bis sie abrupt für mich stehen blieb. Wir redeten in Geschichte gerade wieder einmal über Alexander der Große, als die Sekretärin des Direktors eintrat und mich aufforderte mit zu kommen. Sie war äußerst ruhig auf dem Weg ins Büro, diese Ruhe machte mir Angst und ließ ein ungutes Gefühl aufkommen. Die große schwere Holztüre schloss sich hinter uns und der Direktor bat die Sekretärin zu gehen und mich, mich zu setzen. Ich blickte mich in dem kleinen Raum um, auf der linken Seite war ein Verhältnis mäßig großes Fenster und direkt mir gegenüber hinter dem alten Mann war ein riesiges Regal voller Bücher. „Miss Sanderson“, zögerlich nur sprach er diese Worte aus und mein Blick richtete sich starr auf ihn, während sich mein Körper Kerzengerade aufrichtete. Sein Blick schien zwar auf mich gerichtet, wirkte aber eher so als würde er ins Leere gehen. „Miss Sanderson, das Krankenhaus hat angerufen wegen der Operation“, er stockte und eine einzelne Träne sank seine Wangen hinunter. Ich konnte mir schon denken was los war, aber ich wollte es von ihm hören, brauchte die Bestätigung die in seinen Worten liegen würde. „Ihre Mutter hat es leider nicht geschafft. Sie ist Tod, es tut mir unendlich Leid für dich“, Sein Blick war aufrichtig. Das war der Zeitpunkt an dem die Zeit stehen blieb. Mein Gesicht vereiste zu einer undurchdringlichen Maske und meine Gesichtsfarbe wurde bleich, mein Herz blieb stehen und ich spürte wie sich die Kälte durch kämpfte um auch dieses zu vereisen. Wie in Trance schritt ich hinaus auf den Menschenleeren Gang, mein Blick war starr nach vorne gerichtet, meine Gedanken ein einziger Wirrwarr. Meine Beine bewegten sich wie von selbst wieder zum Unterricht. Ich setzte mich wieder neben Mila, die die Veränderung mitbekam und mich fragend und zugleich bekümmert ansah. Der restliche Schultag war an mir regelrecht vorüber gezogen, ohne dass ich es bemerkt hatte landete ich zu Hause. Ich schloss die knarrende Haustür auf und trat ein, es kam mir so unendlich leer vor ohne meine Mutter, welche ich nie wieder sehen würde. Meine Tasche fiel laut zu Boden und ich steuerte auf das Sofa im Wohnzimmer zu. Ich nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, danach kauerte ich mich auf der Couch zusammen und fing bitterlich zu weinen an. Mein ganzer Körper zitterte heftig und kalte Schauer liefen meinen Rücken hinab. Erst spät in der Nacht wachte ich wieder auf, ich hatte völlig vergessen meinen Vater anzurufen, hektisch langte ich zum Telefon und gab mit zitterten Fingern die Nummer seines Privatanschlusses ein. Nach dem es vier Mal geläutet hatte, nahm er endlich ab. „Hallo? Wissen Sie eigentlich wie spät es ist?“, kam seine Stimme gereizt aus dem Hörer. Rasch blickte ich auf die Uhr, drei Uhr morgens. „E-Es tut mir Leid Vater, ich wollte dir eigentlich nur Bescheid sagen“, sagte ich mit kratziger und verheulter Stimme. Tränen der Verzweiflung kullerten meine geröteten Wangen hinab, über mein Kinn und dann meinen Hals hinunter ins Dekolleté. „Jane? Was ist los?“, seine Stimme war nun besorgt. „Mum ist Tod“, ein schluchzen entrang meiner Kehle, während ich antwortete, meine Stimme war bei dem Wort Tod fast abgebrochen. Tiefes einatmen war auf der anderen Seite zu hören, während immer mehr Tränen meine Wangen hinunterliefen. „Ich komme mit dem nächsten Flieger zu dir“, sagte er mit fester Stimme. Es fiel mir schwer zu antworten, und ich atmete ein paar Mal tief ein. „Danke Dad“, antwortete ich dankend. Ich legte auf der Stelle auf und schritt die Treppe hinauf, direkt in mein Badezimmer. Ich schaltete das Licht ein, welches mir sogleich in die Augen stach, und betrachtete mich im Spiegel. Mein Make-Up war verwischt, also nahm ich mir ein Abschminktuch und entfernte es. Als ich damit fertig war, blickte ich abermals in den Spiegel. Meine sonst so schönen Augen waren verquollen und Blut unterlaufen, sie brannten von den vergossenen Tränen.

Am nächsten Morgen läutete die schrille Glocke des Hauses und riss mich aus dem Schlaf. Ich blinzelte einige Male, stand auf und ging hinunter zur Haustüre, um sie der Person zu öffnen. Es fiel mir schwer meine schlaffen Glieder zu bewegen und ich musste aufpassen, dass ich nicht die Treppe hinunter stolperte, welche bei jedem Schritt vertraut knackte. Abermals läutete die Klingel und ein hastiges Klopfen folgte. Rasch schloss ich die Türe auf und sah meinem Vater entgegen. Eigentlich sah ich auf seinen Brustkorb, da er ein richtiger Riese war. Vorsichtig hob ich meinen Kopf an und blickte in seine dunkelbraunen fast schwarzen Augen, welche mir so vertraut waren. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Gesichtszügen aus, doch als er merkte dass ich es nicht erwiderte, erlosch es so schnell wie es kam. „Hallo Jane, wie geht es dir?“, fragte er mich und ich merkte dass er sich Sorgen um mich machte. Traurig sah ich zu ihm auf, drehte mich um und ging in die Küche. Laute Schritte ertönten hinter mir, nachdem die Türe, ebenfalls laut ins Schloss fiel. Ich wankte hinüber zur Kaffeemaschine und schaltete sie ein, so wie am Tag zuvor, verbreitete sich ein angenehmer Duft der gerösteten Bohnen aus. Als ein Sessel nach hinten gerückt wurde, drehte ich mich um. „Willst du auch Kaffee, Stan?“, fragte ich ihn und versuchte ein Lächeln für ihn aufzubringen. Welches eher einer Grimasse glich, was ich an seinem Blick merkte, also ließ ich es bleiben. Er nickte mir stumm zu. Als er mich und Mum verlassen hatte war ich böse auf ihn, vor allem weil er sich in eine andere verliebt hatte. Ein paar Wochen später nach der Trennung, hatte mir meine Mutter dann offenbart, dass sie Metastasen im Hirn hatte. Auch dafür hatte ich ihn gehasst, weil ich dachte er hätte davon gewusst. Doch später hatte ich herausgefunden dass er nichts davon wusste, trotzdem blieb der Hass erhalten. Aber wie könnte ich jetzt noch auf ihn böse sein? Wenn ich ihn doch jetzt so sehr brauchte? Meine Mutter veränderte sich in der ganzen Zeit während sie krank war, ich hatte mich um sie gekümmert, alles für sie getan, hatte mir immer Sorgen um sie gemacht. Sie gepflegt und nun wo sie endlich wieder die alte war, starb sie, obwohl es Bergauf ging mit ihr. Ich nahm die beiden Tassen und stellte sie zusammen mit Zucker und Milch auf den Esstisch. Das Schweigen zog sich in die Länge, von draußen hörte man Vögel zwitschern. „Ich werde mich um alle Angelegenheiten kümmern, ruh du dich aus“, seine dunkle Stimme durchbrach die unangenehme Stille und hallte in dem hellen Raum wider. Ich nickte und nahm dann einen Schluck aus meiner Tasse. Langsam ging ich wieder hinauf in mein Zimmer, ließ ihn alleine im Unteren Stockwerk. In meinem Zimmer, legte ich mich in mein Bett, rollte mich zusammen und ließ meinen zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. Meinen Arm legte ich um meinen Körper, hatte Angst er würde auseinander brechen, nun wo ein wichtiger Teil meines Herzens fehlte. Meine Augen fingen an zu schmerzen, während immer mehr der salzigen Flüssigkeit meine Wangen und dann auf den Kopfpolster rannen. Die salzigen Rückstände klebten auf meiner Haut, als sie trockneten. Am Abend wachte ich schwer atmend wieder auf, nachdem ich eingeschlafen war und einen Alptraum hatte, ich hatte nicht einmal mitbekommen das ich eingeschlafen war. Ich stand auf und wankte in mein Badezimmer und ließ heißes Wasser in die Badewanne ein, danach lief ich schnell zu meinem Kleiderkasten und holte mir ein weites Jack Daniels T-Shirt heraus und eine Jogginghose. Ich legte meine Kleidung ab und schmiss sie in eine Ecke im Raum und stieg in die Wanne. Die Hitze ließ mich fühlen dass ich noch immer lebte auch wenn ich mich wie Tod fühlte. Als ich schließlich damit fertig war zog ich mir das Gewand an, putzte ich mir die Zähne und bürstete meine Verfilzten Haare. Leise schlich aus meinem Zimmer hinüber in das meiner Mutter, welche sich gegenüber des meinigen befand. Von unten hörte ich meinen Vater telefonieren, um alles für das Begräbnis zu planen. Genauso leise wie ich hinüber geschlichen war, öffnete ich die Türe und schloss sie hinter mir, als ich eintrat. Ich blickte mich im Raum um, welcher nach ihr roch. Ich ging auf das Nachtkästchen zu und nahm das Foto von uns beiden in die Hand. Mit dem Bilderrahmen in Händen setzte ich mich auf ihr Bett, ich presste das Bild an meine Brust und erinnerte mich an die glücklichen Zeiten mit ihr. Leise Tränen des Vermissens rannen wieder aus meinen Augen, langsam ließ ich mich auf die Seite sinken. Wieder schlief ich ein…

WTF O.o My stepbrothers are twinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt