Prolog | 3.September 2016

9 0 1
                                    


An diesem Freitagabend war es kalt und dunkel. Ein starker Sturm war im Gange und grelle Blitze erhellten die Nacht als ich an diesem Tag vor dem Spiegel stand und überlegte welches Kleid ich anziehen sollte. Jule hatte es geschafft mich zu überreden in einer Bar in meinen achtzehnten Geburtstag hinein zu feiern. Was mich dazu getrieben hatte ihr zuzustimmen wusste ich nicht aber nun hatte ich den Salat und einen Rückzieher konnte ich nicht machen da Jule mich sonst gefühlt die nächsten hundert Jahre damit aufziehen würde. Ganz abgesehen davon das sie auch sauer wäre. Nein das konnte ich wirklich nicht tun.

Mit einem tiefen Seufzer entschied ich mich schließlich für das blaue Kleid und schlüpfte in dieses. Es war mein Lieblingskleid. Himmelblau, bis zu den Knien reichend, mit einem Herzausschnitt und langen Ärmeln. Die wahre Wichtigkeit des Kleides für mich kannte bis auf Jule und meinen Vater niemand. Niemand wusste das es das letzte war was meine Mutter vor ihrem Tod für mich genäht hatte. Ich lächelte traurig und legte meine Hand um das silberne Kreuz welches an einer einfachen, dünnen Silberkette um meinen Hals hing. Viel war mir nach dem Hausbrand von meiner Mutter nicht mehr geblieben denn man hatte kaum etwas retten können.

Das Klopfen an meiner Zimmertür riss mich aus den Gedanken und ich atmete tief durch bevor ich ‚hinein' rief und mich auf meinem Sessel vor dem Schreibtisch niederließ. „Jo du bist noch nicht fertig?", Jule warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und sah mich dann mit einem Blick an den ich gerne als ‚Bist-du-verrückt-Jule-Blick' bezeichnete. „Ja gleich." Antwortete ich und schlüpfte in meine Ballerinas. Ich konnte auf High Heels laufen aber diese Dinger waren so fürchterlich unbequem und Jule würde mich vor drei sicherlich nicht Nachhause lassen. „Wir haben aber etwas Anderes ausgemacht...", grummelte sie weiter während ich seufzend aufstand, mir noch einmal die hüftlangen, schwarzen Haare bürstete und dann zu ihr sah. Wortlos schnappte ich mir meine Tasche und wollte ihr aus dem Zimmer folgen. „Ah Moment!" rief sie plötzlich auf, blieb wie angewurzelt stehen und zeigte auf meine Kette. „Das bleibt hier! Ich weiß was es dir bedeutet aber das schreckt die Kerle nur ab also...leg sie ab." Ich wollte widersprechen aber eine Diskussion mit Jule war eine die ich nicht gewinnen konnte. Nicht wenn es um das Kreuz und den glauben ging. Jule war nicht gläubig und fand das ganze wie sie sagte ‚Irrsinnig'. Abermals seufzend und mit dem Kopfschüttelnd nahm ich die Kette ab und legte sie auf den Schreibtisch. „Schon besser.", strahlte meine beste Freundin mich an und verließ endlich das Zimmer woraufhin ich ihr folgte. Es war vermutlich das letzte Mal das ich mich in diesem Zimmer fertig machte. Ab Montag ging die Uni los und ich würde dann meine Wohnung zusammen mit Jule in der Nähe des Campus beziehen. Die erste eigene Wohnung. Die Freude auf das bevorstehende Kapitel meines Lebens war riesig aber ich machte mir auch sorgen um meinen Vater. Würde er alleine zurechtkommen? War meine Entscheidung von Zuhause auszuziehen falsch? Diese Fragen stellte ich mir seit wir die Zusage des Vermieters bekommen hatten. Das war vor drei Monaten und ich hatte noch immer keine Antworten auf diese Fragen.

Die Fahrt zu der Bar – sie war vor kurzem erst bei uns in der Kleinstadt eröffnet worden – dauerte ungefähr eine Viertelstunde und als wir ankamen war der Parkplatz voll. „Siehst du und genau deswegen wollte ich früher kommen!", jammerte Jule und ich verdrehte lachend die Augen. „Wir sind nur etwa zehn Minuten später als geplant hier."
Jule musste drei Runden drehen bevor wir endlich einen freien Platz abbekamen und endlich in die Bar konnten die nebenbei erwähnt genauso voll war allerdings auch verraucht. Am liebsten hätte ich umgedreht und wäre wieder gegangen aber Jule hatte sich so sehr auf den Abend gefreut und auch etwas geplant und das wollte ich ihr nicht kaputt machen. Dieses Mädchen war in den vier Jahren seit dem Unfall zu so etwas wie einer Schwester für mich geworden. Nach dem Brand hatte sie Wochenlang bei uns in der neuen Wohnung geschlafen und ihre Eltern hatten nichts dagegen gehabt was vermutlich daran lag das unsere Familien sich vor der Tragödie sehr nahegestanden hatten. Jeden-Sonntag-nach-der-Kirche-Gartenlunch-Nah.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 01, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Die GefallenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt