Kapitel 2

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Schweißgebadet saß ich in meinem Bett. Ich blickte mich um. Das war mein Zimmer, genauso wie es am Band zuvor auch ausgesehen hatte. Es war also nur ein Traum. Naja, was heißt nur? Das war nun bestimmt der zehnte Albtraum in den letzten drei Wochen. Und es passierten immer ähnliche Sachen, meistens rannte ich vor etwas oder jemandem weg oder ich war gefangen in einer Hülle meiner selbst und mein Körper wurde bewegt, ohne dass ich es wollte. Ich konnte nichts dagegen tun. Meiner Grandma hatte ich noch nichts davon erzählt, denn ich wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte. Ich sah zu meinem Wecker hinüber. 4:32 Uhr. Ich versuchte so ruhig wie möglich zu atmen. Nach einiger Zeit hatte ich mich beruhigt und beschloss etwas frische Luft zu schnappen. Ich zog einen dicken dunkelblauen Pullover aus dem Berg auf meinem Sitzsack raus und zog ihn über. Dann suchte ich noch meine Laufschuhe und ging so leise wie möglich die Treppe hinunter, um meine Grandma blos nicht aufzuwecken. Oder hatte sie heute Nachtdienst? Keine Ahnung, war mir aber auch egal, solange sie nicht mitbekam, dass ich nicht friedlich in meinem Bett lag und schlief. Draußen auf der Verenda unseres Gartens überlegte ich, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre, drinnen zu bleiben. Aber da ich jetzt schon mal draußen war, blieb ich auch hier. Da es gerade mal März war, war die Luft noch ziemlich frisch und ich bekam eine Gänsehaut. Doch ich mochte die Nacht. Da war alles immer so friedlich und ruhig. Tagsüber waren immer alle Leute beschäftigt und unterwegs. Es war immer laut und keiner wusste mehr wirklich, wer er überhaupt noch war-wenn man mal ganz ehrlich ist. Alle hingen sie nur noch kopfüber in ihrer kleinen bunten Social-Media-Welt. Aber nachts da schien es mir fast so als würde das alles gar nicht existieren, als wäre es da nicht wichtig, dass du das neuste Handy hattest oder das aufwendigste und teuerste Make-up trugst. Hier konnte ich einfach nur sein. Ich musste eine ganze Weile draußen gesessen haben, denn so langsam merkte ich, wie es heller wurde. Ich schlich mich leise ins Haus, bevor meine Grandma merkte, dass ich die halbe Nacht auf der Veranda verbracht habe. Es war 5:30 Uhr, also noch 1½ Stunden Schlaf, die ich auskosten musste, bevor die Nacht entgültig zu ende war und ich aufstehen musste.

"Guten Morgen, Liebes." Ich öffnete meine Augen und sah, dass meine Großmutter an meinem Bett stand. Ich drehte mich weg, doch sie ließ nicht locker. "Wie spät ist es?", fragte ich sie dann schließlich. "Es ist halb 8. Komm runter, ich mach dir ein Toast." Ich murmelte etwas, das sich anhörte wie eine Mischung aus "Okay, danke und bis gleich". Innerhalb weniger Sekunden saß ich kerzengerade und mit weitaufgerissenen Augen im Bett. Halb acht? Mist. Ich hab verschlafen. So schnell wie möglich stand ich an meinem Kleiderschrank und zog eine schwarze Hose und ein dunkelrotes T-shirt hinaus. Ich sprintete ins Bad, duschte in Windeseile, jedoch ließ ich meine Haare aus, und zwängte mich so schnell es ging in die Hose und streifte das Shirt über. Auf dem Weg nach unten machte ich noch einen Abstecher in mein Zimmer, um meine Tasche zu holen. Ich schob mir das Salamitoast in den Mund, putzte meine Zähne, zog meine schwarzen Chucks an und schnappte meine Lederjacke. "Bye Grandma. Hab dich lieb." Mit diesen Worten verschwand ich aus der Tür. Es war kurz vor acht. Ich würde so oder so zu spät kommen, also konnte ich auch vorher noch schnell einen Kaffee to go holen. Es war viertel nach acht als ich an der Schule ankam. Olivia stand mit einer Zigarette in der Hand am Schultor. "Morning sunshine", begrüßte sie mich. " Was machst du hier draußen? Wir haben Bio." Sie schnippte die Zigarette weg und umarmte mich zur Begrüßung. "Das Gleiche könnte ich dich fragen. Außerdem ist Ms Miller krank. Du hättest also ruhig zuhause bleiben können." Na super. "Wo ist Ethan?" "Der macht die ersten Stunden blau. Er hatte doch gestern ein Date mit irgendeinem James oder John oder sowas. Auf jeden Fall fing der Name mit J an." Olivia fuhr sich durch die schulterlangen blonden Haare und packte die Zigarettenpackung in ihre Tasche. "Weißt du Olli, du bist meine beste Freundin und ich liebe dich, aber das mit dem Rauchen solltest du echt lassen." Ein Augenrollen. Ich weiß, dass sie das nicht hören will, aber ich werde so lang damit weiter machen bis sie aufhört oder zumindest nicht noch unbedingt vor der Schule eine rauchen musste. Wir gingen in die Schulcaféteria, um die Zeit totzuschlagen, beziehingsweise den verpassten Schlaf von heute nacht nachzuholen. "Meine Güte, Silver. Du siehst ja völlig fertig aus. Was ist denn los? Dabei bin ich doch der, der gestern aus war", kündigte sich Ethan an. Olivia sprang sofort auf, um ihn auszufragen. Ich bekam nicht viel mit. Irgendwas mit Kino, Café und toll und bis 1 Uhr nachts. "Aber jetzt mal ernsthaft Silver", wendete er sich an mich, "du siehst grauenvoll aus. Warst du Party machen?" Party. Schön wärs. Wie viel Zeit hatte ich noch bis der Unterricht weiterging? "Nein, Ethan. Ich war nicht Party machen. Ich war gestern arbeiten bis halb 8 und dann habe ich meine Hausaufgaben gemacht. Und zu guter letzt lag ich im Bett und hab geschlafen. Jedoch nur um dann um halb fünf von meinem Traum geweckt zu werden." Ich trank die letzten Schlücke meines mittlerweile kalten Kaffees als ginge es um mein Leben. "Schon wieder ein Alptraum? Bist du wieder vor etwas weggerannt?" Olivia zwirbelte aufgeregt an einer Haarsträhne. Ihre blauen Augen waren aufgerissen. "Ja, aber diesmal bin ich weitergekommen. Ich stand vor einer Wand und da kam er auf mich zu." Ich versuchte mich an so viel wie möglich zu erinnern. Was leichter gesagt war als getan. "Also so langsam mache ich mir echt Sorgen. Das geht jetzt schon mehrere Wochen so. Du solltest mal zum Arzt gehen oder zum Psychologen." Ich hatte wahrscheinlich noch nie so viel Sorge auf ein mal in ihrem Gesicht gesehen. Olivia war normalerweise eine etwas kühlere und abgebrühte Persönlichkeit. Aber sie übertreibte es ein bisschen. Jeder hat mal Alpträume. "Sag mir bitte sofort bescheid, wenn du anfängst Stimmen zu hören, ja?", fragte sie dann schließlich noch. Es klingelte. Der Rest des Tages verlief ganz normal. Bis auf den ein oder anderen Schlafanfall konnte ich mich gut konzentrieren. Gegen 16:00 Uhr kam ich am Café an. Elli wartete schon auf mich. "Hey Elli", begrüßte ich sie freundlich. Sie war eine gute Freundin meiner Mutter gewesen. "Gut, dass du da bist. Ich muss dringend los. Ein Notfall mit Ginger. Anna ist auch da. Schafft ihr das zu zweit?" Sie war aufgebracht. "Natürlich schaffen wir das. Geh." Kaum hatte ich ausgesprochen, war sie schon bei ihrem Wagen. Ich ging in den kleinen Personalraum, band die kleine Schürze um meine Hüften und nahm mir den kleinen Block und den Stift, der daneben lag. Es war relativ ruhig im Café bis eine junge Frau hereinkam. Ich schätzte sie auf etwa 20, sie hatte lange dunkle Haare und obwohl sie eher unauffällig gekleidet war, fiel sie mir sofort auf. Sie kam mir aus einem unerklärlichen Grund bekannt und auch etwas vertraut vor. "Hallo", begrüßte sie mich freundlich, "Ein Coffee to go, bitte." Es dauerte einen Moment bis ich reagieren konnte. "Das macht dann 2,50$." Sie gab mir 3$. "Stimmt so." Ich nickte dankend. Und auch als sie dabei war, das Café zu verlassen, konnte ich den Blick nur schwer von ihr wenden. "Wow, Silver. Alles okay bei dir? Du bist ja wie in Trance." Anna stand neben mir. Ich schreckte auf. "Silver, alles okay? Mein Gott. Was war das denn?" Wenn ich das wüsste. "Nichts. Ich hab heute Nacht schlecht geschlafen. Ich bin nur etwas geschafft." Zuhause ließ ich mich direkt nach dem Essen ins Bett fallen.

The green Eye-Witches on EarthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt