Amsterdam, der Inbegriff einer Großstadt. Eine Stadt, die nicht nur von Kriminalität, Prostitution und Drogenkonsum, sondern auch durch unzählige Touristen am Leben erhalten wird. Ich selbst war bis zum Ende meines fünften Lebensjahres ein Teil dieser Stadt, wenn auch nur ein mikroskopisch winziger.
"Mama, in wie vielen Tagen fängt das Wochenende an?", murmelte ich, während ich aufhörte wirr irgendwelche Lego-Klötzchen aneinander zu stecken. "Es dauert nicht mehr lange, mein Schatz. Nur noch drei Mal schlafen.", sagte sie und warf mir dabei einen liebevollen Blick zu, der verursachte, dass ich das mit einem Lächeln erwiderte. Doch das besagte Lächeln stammte nicht aus dem Inneren meines noch so jungen Herzens. Ich vermisste meinen Vater, welcher nicht bei uns in Amsterdam lebte. Er hatte sich zu der Zeit eine recht stabile Firma in Baden-Württemberg aufgebaut, welche es leider unmöglich machte, zu uns nach Amsterdam zu ziehen. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, so gut wie jeden Freitag unzählige Kilometer auf sich zu nehmen, um das Wochenende mit seiner Frau und vor allen Dingen mit seinem Sohn zu verbringen. Wenn ich mit meinem heutigen Verstand darauf zurückblicke, muss ich sagen, dass mein Vater einer der gutherzigsten Menschen war und auch heute noch ist, die jemals in mein Leben getreten sind.
Ich konnte das jedoch damals nicht verstehen. Ich wollte meinen Vater um mich herum haben. Immer. Zu egal welcher Uhrzeit. Ich wollte mit ihm Fußball spielen, zusammen Kinderserien anschauen bevor er mich dann zu Bett bringt. Dieses Bild einer klassischen Familie wird einem Kind überall im Alltag eingetrichtert. Von Werbe-Einspielern bis hin zu Cartoon-Serien. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb mein Bedürfnis nach einer Vaterfigur in meinem Leben damals auch so riesig war.Mein Vater hatte immer sehr viel zu tun. Seine Firma befasste sich mit dem Entgegennehmen und Ausführen von Aufträgen aus dem Bereich Tapezieren, Streichen und Lackieren von Neubauhäusern. Selbst ein Kleinkind wie ich konnte die Erschöpfung von der Woche, die er neben kleinen Geschenken für meine Mutter und mich so gut wie immer mitnahm, förmlich schon spüren. "Na Großer, wie geht's dir denn?", sagte er an einem Freitagabend, kurz nachdem er unsere Wohnung betrat. Ich rannte auf ihn zu und umgriff mit aller Kraft, die ein Kind wie ich nur aufgreifen kann, sein Bein. In diesen wenigen Sekunden hätte mich nichts und niemand auf dem gesamten Globus auch nur ansatzweise dort wegbekommen können. "Da hat mich wohl jemand sehr doll vermisst.", sagte er und fing zu lächeln an. Ich schaute ihn von unten mit enorm aufgerissenen Augen an und nickte einige Male. Seine Stimme zu hören, löste in mir noch mehr das Gefühl von einem Zuhause aus, als es jede Wohnung, jedes Haus oder gar jede Villa jemals könnte.
FORTSETZUNG FOLGT.