Das Leben ist schon komisch manchmal.
Man ist einsam um Menschen.
Man ist fröhlich allein.
Ich zumindest, bin gerade einsam und mein Versuch etwas schönes zu schreiben endet gerade hier. Doch es ist einfach so wunderschön hier, dass ich einfach schreiben muss, auch wenn es bloß ein Eintrag in ein Notizbuch ist und nicht wie geplant ein Kapitel meines Buches. Ich bin freiberuflicher Autor, also eigentlich arbeitslos, denn ich stehe noch so ziemlich am Anfang meiner Karierre.
Ich habe eigentlich gerade einen Zahnarzttermin, wegen der Schmerzen, doch ein Zahnarzt wird die eigentlichen Schmerzen auch nicht lindern können. Das kann eigentlich niemand so richtig, vor allem kein Arzt.
Mir fiel auf, dass ich seit ich hier wohne noch nie einen Zahnarzt besucht habe, also seit ungefähr sechs Jahren. Ich hatte keine Schmerzen und meine Zähne sehen gut aus und ich mag keine Zahnärzte, niemand sollte mir mit Metallteilen in den Mund, aber jetzt hat meine Mitbewohnerin mir den Termin gemacht. Sie gibt mir immer von ihrer Schokolade und wir essen sie dann zusammen, weil sie sagt, es sei irgendwie verzweifelt eine ganze Tafel Schokolade allein zu essen, sei es auch nicht auf einmal. Sie merkt meistens nicht, dass sie es trotzdem tut, weil ich immer nur ein Stück davon esse. Sie isst nur Schokolade, wenn es ihr schlecht geht. Ich höre dann zu. Aber mit meinen Schmerzen, kann ich eben gar keine Schokolade mehr essen und das stört sie, weil sie dann immer extra jemanden zum Schokoladeessen einladen muss und kann es nicht sponntan machen. Komisch oder?Ich ging also zum Zahnarzt und habe mich tatsächlich verlaufen, was eigentlich nicht oft vorkommt. Ich ging in so eine Gasse rein und da war es. Eine kleine Oase, ganz still, ohne den Straßenlärm. Es war ein Garten aus Topfpflanzen, ganz viele, bunt zusammengewürfelt. Um sie herum schlängelten sich Girlanden, die hell leuchteten. Es ist so schön hier, wie eine andere Welt. Auch drinnen ist es schön. Eng und mit viel Holz und Pflanzen.
Mein Zahnarzttermin war direkt vergessen und jetzt sitz ich hier eben.
Es sind nur vier andere Leute hier, eine alte Frau, die genau so aussieht, wie wir uns die perfekte Oma vorstellen, also solche, die man direkt lieb hat.
Dann ist da noch ein Pärchen, sie wirken schüchtern. Ich frage mich, ob sie merken, dass der eine den anderen immer ansieht, wenn er auf die Tischplatte sieht. Sie sehen sich immer abwechselnd an mit einem Blick vom dem wir alle eines Tages angesehen wollen, der Blick zeigt eine unglaubliche Liebe, dass ich fast weine und lache gleichzeitig. So etwas zeigt mir immer, dass die Welt schön ist.
Als letztes ist hier noch ein Mädchen, vielleicht so alt wie ich, doch ihr Gesicht hat etwas weises. Ihr Blick zeigt Sehnsucht und Frieden. Liebe und Trauer. Das Mädchen ist wunderschön, doch nicht dieses normale schön. Es ist ihre Ausstrahlung. Sie ist besonders und das sieht man. Die Kellnerin geht auf sie zu und fragt: "Anna, willst du noch etwas?" Sie blickt auf und lächelt. Gott, was für ein lächeln, bedankt sich, bezahlt und steht auf. Sie geht. Ich sehe ihr hinterher. Anna also, was für ein schöner Name, so einfach und doch so stimmig. Sie ist ein Engel der Großstadt, sie geht ihre Wege und man erkennt ihre Schönheit erst, wenn man hinsieht und gibt dir Mut.
Ich werde sie wohl nie wiedersehen, doch das ist gut. Dieser Ort ist magisch und man darf es nicht dadurch zerstören, ihn zu oft zu sehen, er hat etwas einmaliges und sie gehört nunmal zu diesem Ort. Alles was mir bleibt ist nicht zu vergessen. Sie ist zu wunderbar um sie anzusprechen. Sie bleibt nurnoch in meiner Erinnerung.
Ich sollte auch zahlen. Ich sollte gehen und einen Zahnarzttermin machen. Ich sollte gehen und mit meiner Mitbewohnerin Schokolade nichtessen um ihr zuzuhören.
Das Leben geht nunmal weiter und manchmal haben wir Glück und finden magische Orte.
DU LIEST GERADE
Anna
Short StoryViele Kurzgeschichten und doch eine Geschichte. Annas Geschichte, die Geschichte eines scheinbar glücklichen und doch kaputten Mädchens, das flieht. Sie flieht vor ihrem alten Leben.