Kapitel 1

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Ben lag auf seinem Bett und las. Das tat er oft, und nicht selten lag er mehrere Stunden dort, las und vergaß dabei völlig die Zeit und vergaß dabei zum Beispiel auch, dass er sich mit seinen Freunden treffen wollte, Arzttermine hatte oder sonst irgendwelche wichtigen Sachen. Heute war wieder so ein Tag, an dem er vergessen hatte, dass er einen Arzttermin hatte. Okay, man könnte auch sagen er hatte ihn verdrängt, denn er hasste Zahnärzte wie die Pest und da kam es ihm gerade Recht, dass er diesen Termin vergessen hatte. Gestern erst war er wieder in der städtischen Bibliothek und hat sich mit neuen Büchern eingedeckt. So lang er nun seit knapp 2 Stunden hier und verschlang eine Biographie über einen Schauspieler, den er eigentlich nicht mochte, aber dessen Buch interessant ausgesehen hatte. 

Plötzlich trat seine Mutter ins Zimmer:"Ben!" Sie machte eine Bewegung mit der rechten Hand und wischte sich einmal damit über die Stirn. Seine Namensgebärde. Er sah sie an und wartete darauf, dass sie weiter reden würde, doch das tat sie nicht. "Was?", gebärdete er etwas genervt, er würde hier viel lieber weiter lesen. "Du weißt ja, dass die Meiers von nebenan ausgezogen sind und heute kommen die neuen Nachbarn an. Ich wollte Ihnen Kuchen backen um sie hier Willkommen zu heißen, dazu muss ich aber nochmal in die Stadt!" Das war typisch seine Mutter.  Für alles und jeden Anlass wurde Kuchen gebacken und neue Leute mussten sofort nett und freundlich begrüßt werden - noch ein Anlass für Kuchen. Eigentlich konnte Ben sich nicht beklagen, seine Mutter konnte backen, wie sonst niemand. "Ja, mach das. Ich bleibe dann hier.", gab er zurück und wollte sich gerade wieder sich seinem Buch zuwenden, als seine Mutter sich neben ihn auf das Bett setzte. "Nein, du kommst mit und hilfst mir. Außerdem kannst du auch mal nett zu den neuen Nachbarn sein!"  "Warum sollte ich mich mit den neuen Nachbarn anfreunden und mich bei denen gut stellen, wenn ich doch eh nicht höre, was die über mich sagen?" Doch seine Mutter gab nicht auf. "Los jetzt! Zieh dich bitte an und komm, ich warte unten auf dich." Ben wollte gerade zu einem Konter ansetzten, ließ dann aber die  Hände sinken und stemmte sich vom Bett hoch. Es hatte keinen Zweck jetzt zu diskutieren. Schnell stand er auf und sammelte ein paar Klamotten vom Boden auf. In seinem Zimmer herrschte das absolute Chaos und damit sah es aus wie das typische Zimmer eines 17 Jährigem Jungen. Überall auf dem Boden lagen irgendwelche Sachen verstreut, die Regale waren vollgestopft mit Büchern, DVDs und sonstigem Kram, der irgendwie darin Platz fand. Auf dem Schreibtisch vor dem Fenster lag ein Haufen Zettel, Schulhefte und Mathebücher. Außerdem stand dort ein moderner Laptop und ein großer Bildschirm, an den eine Playstation angeschlossen war. Ein ganz normales Zimmer eben. Doch das etwas fehlte, was ihn von anderen Jungen seines Alters unterschied, wurde erst mit dem Zweiten Blick klar. Es gab nirgendwo Musik. Es gab keine Stereoanlage, kein Radio, kein CD Player. Keine Kopfhörer für einen MP3-Player, auch keine Lautsprecher am Computer, keine CDs. Umso mehr Bücher fanden seinen Platz im Zimmer von Ben. Er schlüpfte in eine schwarze Jeans und in ein ebenso schwarzes und schlichtes T-Shirt. Als er die Treppe herunter lief, sah er wie seine Mutter schon abfahrtsbereit an der Tür stand  und ihm zu verstehen gab, dass er sich beeilen solle. Um einem möglichen Konflikt aus dem Weg zu gehen beeilte er sich, als er seine löchrigen Vans anzieht und trat neben seine Mutter. Diese beobachtete ihn jedoch kritisch von der Seite und setzt an um ihm mit der Hand durch seine Haare zu fahren, doch er wich gekonnt aus. Daraufhin Kreuze er seine Hände auf Brusthöhe und formte mit den Lippen das Wort:"Verboten!". 

Als sie vor die Tür traten, stieß Ben beinahe mit einer einer Person zusammen, die mindestens einen Kopf kleiner war als er. Entschuldigend hob er die Arme und lächelte die Person vor ihm an, um nicht reden zu müssen, den dass vermied er um jeden Preis. Die Person vor ihm war ungefähr in seinem Alter, 16 oder 17, klein, hatte schulterlange braune Haare, trug eine Jeanshose, welche über den Knien abgeschnitten war und ein rotes Top, wodurch viel braun gebrannte Haut zu sehen war. "Hey, ich wohne da drüben!" Ben starrte auf die Lippen des Mädchens vor ihm. Als er nickte fuhr sie fort:"Ich bin Charlie!" Er wusste für einen kurzen Moment nicht, was er machen sollte. Er wollte nicht reden, dann wusste sie sofort, dass er nicht so war wie sie. Er konnte auch schlecht mit Gebärden antworten, dann würde sie das ebenfalls wissen. Deshalb starrte er sie für einen kurzen Augenblick an, wie der letzte Vollidiot, ehe ihn seine Mutter bei dieser peinlichen Aktion störte. "Hallo Charlie! Wohnt ihr jetzt nebenan? Ich bin Angelika." Smalltalk. Seine Mutter konnte hervorragend Smalltalk führen, egal mit wem. Sie konnte sich mit wildfremden Menschen stundenlang über nichts unterhalten. Charlie antwortete irgendwas, aber ihre Lippen bewegten sich zu schnell, als dass er sich darauf hätte konzentrieren können dem Gespräch zu folgen. Dann sprach seine Mutter:"Das ist mein Sohn Ben, aber er kann dich nicht hören. Er ist gehörlos." 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 04, 2016 ⏰

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Die Geschichte des Jungen von NebenanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt