1 - Wie es immer war

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Die Schulklingel erlöst mich aus dem Matheunterricht. Ich gebe einen erleichterten Seufzer von mir, bevor ich aufspringe und in Rekordzeit meine Sachen zusammenpacke und aus dem Raum renne. (Ohne Witz,ich renne wirklich. Ich hasse Mathe. Noch mehr als gesponserte YouTube-Videos und Nagellack, der nach einer Stunde schon abblättert.) Nach über 10 Jahren Schule habe ich einige Talente entwickelt, und meine Schulsachen schneller zusammenzupacken, als Usain Bolt sprintet, gehört dazu.

Da dies die letzte Stunde des Tages war, mache ich mich auf dem Weg zum Ausgang, wo ich zusammen mit meiner besten Freundin Lea den Bus nehme. Ich wünschte wirklich, wir könnten ein cooleres Transportmittel benutzen als den nach Pisse stinkenden Bus mit betrunkenen Pennern und uralten Opis, die uns immer böse anstarren, wenn wir ihnen nicht in Sekundenschnelle den Sitzplatz überlassen, aber leider dauert es noch ein paar Jährchen, bis ich Auto fahren kann.

Da ich im Flur nichts besseres zu tun habe, höre ich gelangweilt dem Gespräch von zwei Neunklässlerinnen hinter mir zu.

„Hat dich Jonas jetzt endlich gefragt, ob du mit ihm zum Frühlingsball gehen willst?", fragt die eine.

„Nee," seufzt die andere. „Ich überlege mir schon fast, ob ich ihn nicht lieber selber fragen soll, aber wäre das nicht viel zu aufdringlich?"

Ich verdrehe die Augen und verschnellere ich meine Schritte, damit ich mir nicht länger dieses unnötige Gespräch anhören muss. Typisch. Warum glauben Mädchen heutzutage immer noch, der Junge müsste den ersten Schritt machen? Wir sind im 21. Jahrhundert, Leute. Wacht mal auf.

Der Frühlingsball ist DAS Ereignis des Jahres. Alle, wirklich alle, gehen hin. Der Schulleitung nach findet der Ball jedes Jahr seit der Gründung der Schule in 1915 statt und ist somit eine heilige Tradition. Er feiert die Ankunft des Frühlings. Schönere Tage, mit mehr Sonne, Blumen und so.

Der Schülervertertung nach ist die Erklärung der Schulleitung zum Frühlingsball eine Lüge. Es gibt den Ball erst seit 10 Jahren, nachdem die Schüler wochenlang in den Gängen mit Postern und Schildern und all dem Kram dafür protestiert haben. Sie wollten, dass in der Schule „endlich mal was cooles" geschieht. Das alles weiß ich, weil ich seit neuestem in der SV bin, und ich bereue es jetzt schon, denn ich habe kapiert: Bevor man überhaupt damit angeben kann, etwas organisiert zu haben -sei es Frühlingsball oder was anderes-, muss man es erstmal organisieren, und das ist verdammt anstrengend.

Ich kann ein lautes Stöhnen nicht unterdrücken, als ich an alles denke, was ich zu Hause noch für den Ball organisieren muss. Plus Hausaufgaben, plus Lernen für die ganzen Arbeiten...  Tschüss, Freizeit.

„Kannst du dieses Stöhnen nochmal von dir geben? Das klang richtig geil. Hat mich voll angetörnt."

Ich schaue zur Seite und bereue es augenblicklich, denn neben mir schlendert jetzt kein anderer als Max. Ihh. Ernsthaft? Meine Augen verdrehen sich, bevor ich es verhindern kann. Ich weiß, dass das nicht besonders höflich ist, aber es hat sich als Reflex entwickelt, jedes Mal, wenn ich seinen augenkrebserregenden Anblick ertragen muss.

„Verpiss dich, Max." Ich versuche, (noch) schneller zu laufen, um ihn abzuwimmeln, aber leider kann er problemlos mit mir Schritt halten. Warum konnte der in mich verliebte Typ nicht dick und unsportlich sein? Oder wenigstens eklig und hässlich, damit es leichter wäre, ihn zu hassen?

Max ist seit dem Kindergarten in mich verliebt, und leider ist seine ewige und epische Liebe für mich (ACHTUNG, SARKASMUS) im Laufe der Zeit nicht verblasst, sondern nur noch stärker und intensiver geworden. Was habe ich Gott nur angetan, dass er seit Kindesalter nur so einen Fluch auf mich legen musste?

VergeblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt