In dieser Nacht war es wieder einmal so weit.
Schweißgebadet wachte ich auf und plötzlich, scheinbar ohne irgend einen Grund, schossen mir Tränen in die Augen.
Doch es gab sehr wohl einen Grund.
Seit Jahren schon hatte ich alle paar Wochen mal den selben Traum. Doch in letzter Zeit schien er mich in ausnahmslos jeder Nacht heimzusuchen.Wie ihr vielleicht bereits wisst, passieren uns Menschen manchmal Dinge, die uns ein Leben lang verfolgen. Das ist absolut nichts schlimmes und ist völlig normal. Ob es gute oder schlechte Dinge sind. Sie können noch so klein und unbedeutend erscheinen und trotzdem wird man sie niemals wieder los.
In meinem Fall war es leider keine Kleinigkeit und es hat auch lang genug gedauert alles zu verarbeiten, doch ich habe es geschafft mich zusammen zu raufen und es einfach einmal aufzuschreiben.Es war 20:15 Uhr an einem eigentlich schönen Sommerabend. Ich kam von meiner ersten Trainingsstunde nach Hause und war unfassbar glücklich, denn ich hatte meine Eltern lange überreden müssen, um einen solchen, ihrer Meinung nach "gefährlichen" Kampfsport betreiben zu dürfen.
Es waren zwei erfolgreiche Trainingsstunden gewesen, in denen ich, auch wenn ich das erste mal da war, schon sehr viel gelernt hatte.
Der Weg nach Hause war nicht weit, weshalb ich meinen Eltern schon vorher versichert hatte, dass ich mit dem Fahrrad gut nach Hause kommen würde.
Ich fuhr also nach Hause und mein Weg führte durch ein kleines Waldstück. Es war nicht dunkel, deshalb hatte ich auch keine Angst, doch als ich mir grade Gedanken über die verschiedenen Techniken aus dem Training machte, bemerkte ich auf einmal, dass auf der linken Seite des Weges ein Mann stand.
Er tat nichts, sondern stand einfach regungslos da und schaute mich an.
Ich hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen, deshalb hielt ich an, um ihn zu fragen ob ich ihm helfen könne.
Er schien ein wenig desorientiert und musterte mich von oben bis unten. Unbehagen Steig in mir auf. Nicht etwa, weil ich diesen Mann nicht kannte, sondern weil es so schien als würde er auch die allerkleinste Bewegung meinerseits analysieren.
Nach einer Sekunde, die eine Ewigkeit lang zu sein schien, antwortete er endlich: „Es tut mir leid, aber wie komme ich am schnellsten zur Bahnhofstraße ? "
Seine Stimme ließ mich erschaudern. Sie war nicht so, wie man sie von einem schlaksigen, circa 45 jährigen erwarten würde. Vielleicht rauchte er ja schon eine halbe Ewigkeit. Das würde die raue Stimmfarbe erklären..
Nachdem ich ihm lang und breit den Weg erklärt hatte, bedankte er sich und schien weiter gehen zu wollen. Auch ich stieg wieder auf mein Rad, schließlich wollte ich pünktlich zum Essen zuhause sein.
Ich war gerade im Begriff loszufahren, als ich einen kräftigen Tritt gegen meinen hinteren Reifen spürte. Der Mann hatte meinem Fahrrad einen solch kräftigen Tritt verpasst, dass ich, überrascht von seiner Kraft, mit einem kurzen Schrei zu Boden fiel.
Von nun an ging alles viel zu schnell, als dass ich genau jedes einzelne Detail beschreiben könnte.
Geschockt, wie ich war, lag ich nun also orientierungslos am Boden. Er nutzte meine Schwächen schamlos aus, packte mich am Handgelenk und Schliff mich vom Waldweg hinunter in Richtung Wald. Was würde er mit mir tun ? Was sollte ich machen? Würde ich überleben? All diese Fragen schwirrten gleichzeitig durch meinen Kopf und ich fühlte mich nicht in der Lage auch nur eine einzige von Ihnen zu beantworten.
Ich fing an, mein Handgelenk von ihm weg zu zerren, doch leider blieb der Erfolg aus. Er holte aus und schlug mir mit seiner flachen Hand ins Gesicht. Ich erkannte die Aussichtslosigkeit meiner Situation und unter Tränen ließ ich all das, was ihn anscheinend glücklich machte geschehen. Es mochten nur ein paar Minuten vergangen sein, doch für mich fühlte es sich an, wie eine Ewigkeit. Meine Gedanken kreisten um die Möglichkeiten, die ich hatte. Und völlig von selbst erhob sich mein Bein und ich rammte meinen Fuß in seinen Unterleib. Er schrie auf und fiel zu Boden.
Mit tränennassen Augen stand ich auf und rannte. Ich rannte einfach nur weg von diesem Monster. Als ich an meinem Fahrrad ankam, stieg ich auf und sah zu, dass ich nach Hause kam. Zuhause angekommen bekam ich schrecklich großen Ärger, da ich zu spät kam.
Schluchzend entschuldigte ich mich bei meiner Mutter und ging auf mein Zimmer. Wieder einmal brachen Tränen aus mir heraus. Ich wollte einfach nicht mehr leben.Bis zum heutigen Zeitpunkt habe ich diese Geschichte noch nie jemandem so umfassend erzählt. Und noch immer wache ich nachts auf, Schweiß gebadet und weinend vor Zorn.
Vor Zorn darüber, wie ein Mensch sich an dem Elend anderer befriedigen kann !
YOU ARE READING
Mein Schweigen
Short StoryMal wieder eine Geschichte aus meinem eigenen Leben :) viel Spaß damit :) !