17: Schutzmechanismus

751 51 7
                                    

Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen und habe mir nur darüber Gedanken gemacht, ob ich ihn heute in der Schule ansprechen wollte. Würde ich überhaupt die Möglichkeit haben ihn alleine anzutreffen? Wenn nicht, könnte ich den Mut aufbringen, ihn vor den Augen aller anderen anzusprechen? Wenn ich tatsächlich soweit käme, was würde ich überhaupt sagen? Sollte ich lügen oder doch besser die Wahrheit sagen? Würde er mir verzeihen, oder würde er meine eigentlichen Erwartung erfüllen und den Kontakt abbrechen, sobald er rausfände wer ich war? Diese Fragen schwirrten mir bereits den ganzen Tag im Kopf herum und führten in der Mittagspause dazu dass ich keinen Happen Essen runterbekam. Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich die Cafeteria nach ihm absuchte und hatte schon das Gefühl, dass ich mir seine ganze Erscheinung gestern nur eingebildet hatte, als ich ihn plötzlich mit gesenktem Kopf an einem Tisch in der hinteren Ecke sitzen sah.

-

Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zudrücken und unterdrückte immer noch den Drang das Froschgesicht endlich zu fragen, warum sie nicht zu unserem Treffen gestern gekommen war. Dieser Neugierde konnte ich nicht mehr lange standhalten, aber ich war zu wütend auf sie. Doch was, wenn es eine plausible Erklärung für die ganze Sachen gab? Vielleicht hatte sie mich nicht erkannt? Obwohl sie das mit dem Frosch hätte verstehen müssen... Vielleicht gab es irgendwelche Probleme mit dem Verkehr? Aber ich hatte über eine Stunde gewartet und hätte es auch noch länger, wenn es nicht angefangen hätte in Strömen zu regnen... Ich suchte verzweifelt nach einer Erklärung, denn ich hatte fest damit gerechnet, dass sie kommen würde. Das ganze sah ihr einfach nicht ähnlich... Es konnte doch nicht an mir liegen, oder?
Als ich anfing mein Umfeld wieder genauer wahrzunehmen, erkannte ich dass alle sich um Mike gescharrt hatten und sich scheinbar köstlich amüsierten. "Ey, was ist denn los?", fragte ich nach. Sie schauten zu mir und grinsten mich an. "Sei doch nicht so genervt, mein Prinz.", kam es tadelnd von Noah. Wahrscheinlich lag es an der Müdigkeit, aber ich brauchte eine Weile um das Bild was ich vor mir sah mit diesen Worten zu verknüpfen. Ungläubig starrte ich auf mein Handy in Mikes Händen und war auf einmal hell wach. "Gib das her!", presste ich zwischen meinen Zähnen hervor. Ich wollte danach greifen doch Mike sprang auf und hielt es mit Absicht von mir weg. "Hört euch das an Jungs: 'Du bist ewig für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich.' Unser Freund Aiden hier hat eine poetische Ader!", sagte er zu den anderen, welche noch lauter als zuvor anfingen zu lachen. Jetzt sprang auch ich von meiner Bank auf. "Alter, das ist privat. Lass es einfach sein. Außerdem ist das noch nicht mal von mir!", versuchte ich ihm zu erklären.

-

Ich hatte mich fest dazu entschlossen, zu ihm hinzugehen und die ganze Situation zu klären. Ich konnte einfach nicht mehr warten, und wenn es einmal soweit war würde ich die richtigen Worte schon finden. Als ich ihn wieder ansah, merkte ich jedoch, dass etwas nicht stimmte. Er schien aufgebracht zu sein und sprang von seinem Tisch auf. Ich wollte es zu einem günstigeren Zeitpunkt wieder versuchen, als ich die Worte, die sie laut und deutlich miteinander wechselten, realisierte.

-

"Ach das hier ist nicht dein Handy?", hakte Mike ironisch nach. "Doch ist es, abe-" - "Aiden, du hast uns ja garnicht davon erzählt. Mein Prinz, du musst dich doch nicht schämen, wenn du ein offenes Ohr für solche unvorteilhaften Erscheinungen hast, die scheinbar von Gott im Zorn erschaffen wurden.", unterbrach mich Noah. "Alter ich hab doch keine Ahnung wie sie aussieht!" - "Oh aber du hast sie selbst als 'schleimtriefendes Froschgesicht' bezeichnet?!", kam es wieder von Mike. "Wer ist hier ein Froschgesicht?", gesellte sich plötzlich Roxanne dazu. Wieder machte Mike ein paar Schritte von mir weg, um sicher zu gehen, dass er nicht von mir angesprungen wird. "Hier hör dir das an Roxanne, unser lieber Aiden ist ein Blumenliebhaber: 'es fällt mir wirklich, wirklich schwer das zuzugeben, aber dieses scheinbar nicht mit Worten zu beschreibende Zusammenspiel der prächtigen Farben und der Gestalt, die die ganzen Geheimnisse dieser Welt zu behüten scheint, lässt mich jedes Mal unendlich dankbar werden, auf so einem wunderbaren Planeten wohnen zu dürfen.'" Roxanne stimmte köstlich amüsiert in das Lachen der anderen mit ein, was mich noch wütender machte. Sie würden es nicht verstehen, es gab nur eine Möglichkeit. "Leute!", sagte ich also so laut, bis sie alle verstummten und ich Ihre Aufmerksamkeit hatte. "Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich diesen Quatsch da ernst meine, oder? Ich meine, ihr kennt mich doch, als ob ich jemals so etwas lächerliches schreiben würde. Ich verarsche die Kleine doch nur!" Es fiel mir unglaublich schwer diese Worte auszusprechen und spürte wie sich mein Brustkorb schmerzhaft zusammenzog. "Lasst ihn doch einfach in Ruhe!", kam es das erste Mal von Kyle, der sich stumm das Szenario von unserem Tisch aus angesehen hatte. Mike aber wollte noch nicht nachgeben: "Also hast du dich nicht mit ihr getroffen?" - "Du wolltest dich mit jemandem treffen?", fragte Roxanne mit einem Ausdruck von Panik im Gesicht. "Nein, ich habe es mir zum Glück rechtzeitig anders überlegt!" Ich hoffte, das würde ihn endlich beruhigen und zu meiner Erleichterung gab er mir mit einem Klopfen auf die Schulter mein Handy zurück.

-

Dieser Schlag ins Gesicht tat mehr weh, als die körperlichen Ohrfeigen die ich schon häufig zu spüren bekommen habe. Erneut versuchte ich mich unbemerkt aus der Cafeteria zu entfernen. Das wird mir alles zu viel! Es war also ein vollkommen richtiger Instinkt gewesen gestern Abend nicht zu ihm zu gehen, als ich ihn erkannt habe. Wie ich mich vor weiteren unnötigen Demütigungen zu schützen hatte, wusste ich mittlerweile, doch obwohl sie mir gestern erspart blieb, traf sie mich heute mit voller Wucht und öffnete mir die Augen. Ich hatte noch nicht mal mehr eine einzige Träne übrig, um darüber zu weinen.

Nachrichten an Prinz CharmingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt