Erschrocken schlug ich die Augen auf. Schon wieder ein Albtraum. Mittlerweile weiß ich damit umzugehen. Ich drehe mich einfach wieder um und schlafe weiter, zumindest ist das in den meisten Fällen so. Doch in dieser Nacht war es anders. Irgendwas in meinem inneren sagte mir, dass dieser Tag für mich nicht gut verlaufen würde. Diese innere Unruhe.. wie beschreibt man sowas ? Es hat sich angefühlt, wie ein flaues Gefühl in der Magengegend, ohne das einem wirklich schlecht ist. In dem Wissen, dass mit meinem Körper nur alles in Ordnung sein konnte, drehte ich mich auf die Seite und griff nach meinem Handy auf dem Nachttisch, um auf die Uhr zu sehen.
Ach so war das, wir hatten also schon morgen. Es war 5:23 Uhr und als ich mich ein bisschen an das Licht meines Handys gewöhnt hatte, fiel mir diese Nachricht ins Auge. Sie war einige Zeilen lang doch meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Satz "Falls ich dir später nicht antworten sollte, habe ich wohl alles beendet".
Ich war perplex. Perplex darüber, wie jemand so etwas einfach so im Raum stehen lassen kann. Als ich auch in der nächsten Stunde nichts mehr von ihm hörte, bekam ich Panik. Ich fühlte mich leer und wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Von Gedanken geplagt, die mich dazu zwangen, mir seinen leblosen Körper vorzustellen, fuhr ich zur Schule. Ich versuchte ihn anzurufen, doch es hob niemand ab. Vielleicht schlief er auch und er hatte es sich anders überlegt.. ein tröstlicher Gedanke. Und schließlich kam die Nachricht "keine Angst, ich bin noch da".Denke ich heute, knapp einen Monat später an diese Stunde voller Zweifel, Angst und Kummer zurück, denke ich immer daran, wie lang sich eine solche Zeitspanne letztendlich ziehen kann. Durch den Kummer darüber, in dem Glauben gelassen zu werden, einen geliebten Menschen verloren zu haben, hat sich eine Stunde angefühlt wie ein ganzer Tag.
Das kuriose an den Dingen, die ich erlebe ist, dass ich sie vorher zu spüren scheine. Es hört sich verrückt an, dieses flaue Gefühl im Magen kann doch kein Zufall gewesen sein. Auch dass ich, wie ich in meiner Kurzgeschichte "Erkenntnis" erzähle, einfach eine Stunde früher aus dem Haus gehe und letztendlich einen vom Zug erfassten Menschen sehe, muss von irgendwem vorherbestimmt sein. Alles um uns herum hat einen Grund und für jedes Ereignis gibt es eine Erklärung. Nichts geschieht umsonst, dafür wären es viel zu viele Zufälle.
Als ich an diesem Tag am Bahnhof stand und daran dachte, ihn vielleicht für immer verloren zu haben, brach ich in Tränen aus. Mir war bis zu diesem Zeitpunkt nie so wirklich klar, was ich wollte. Egal um was es ging, ich lebte einfach in jeden Tag hinein. Es gab keine Struktur. Erstmalig hatte ich das Gefühl jemanden wirklich zu brauchen und diesen Menschen schien ich verloren zu haben, ohne es vorher gewusst zu haben. Ich kannte ihn schon eine so lange Zeit und er wusste so viel über mich. Ich konnte nicht fassen, dass er sowas auch nur dachte, denn ich war immer der Annahme, ich wäre die zerbrechliche von uns beiden. Ich fühlte mich emotional tot und genau das wollte ich sein. Tot. Auf einmal machte nichts mehr einen Sinn. Es ist schwer jemandem dieses Gefühl zu erklären, der nicht selbst darunter leidet. Doch so ist es leider nunmal.
Als ich diese Zeilen las, dass es ihm gut ginge, fiel mir ein Stein vom Herzen. Es war zwar nicht wieder alles in bester Ordnung, doch auf dem Weg der Besserung.
In diesem Moment gingen mir nurnoch diese Worte durch den Kopf:"Danke dafür, dass du mich nicht vergessen hast. Ich bin nicht gut ohne dich."
Alina Knopp, September 2016