Kapitel 1

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Ein Hauch von Stille

Ich stand auf einer Wiese. Ihr dachtet euch jetzt sicher auch: Boa sie stand auf einer Wiese. Tja, dasselbe dachte ich auch gerade. Eigentlich sah es hier ziemlich öde aus. Neben mir stand eine große Eiche, die ihre Zweige bis zum Boden wachsen ließ, aber sonst war alles was ich sehen konnte einfach nur Wiese. Blöde, beschissene Wiese.

Egal in welche Richtung ich auch sah, da war nur Wiese, Wiese und äh, Wiese. Ach ja und Himmel, den hätte ich fast vergessen. Frischer Frühlingsduft schwebte in der Luft. Ohne erkennbaren Grund ging ich also Richtung Süden los. Nahm ich jedenfalls an, den die Sonne stand in der Richtung grad am höchsten. Anfangs fand ich die Sonne ganz angenehm, warm prickelnd auf meiner Haut, aber mit der Zeit konnte ich kaum noch atmen vor Hitze. Wieso war ich noch mal von dem schönen Schatten des Baumes weggelaufen? Ach ja klar, weil ich bescheuert war und keine Ahnung hatte wo ich stand. Der Durst wurde immer größer und ich versuchte irgendetwas zu finden, dass nicht Wiese oder Himmel war. Zum Baum würde ich auf jeden Fall nicht mehr zurückfinden, soviel war sicher. Nur wie konnte ich dieser unerträglichen Hitze entkommen? Mit jedem Schritt zog ich mich weiter und drängte mich dazu nicht aufzugeben. Jeder Zentimeter war ein Kampf für sich und jede Bewegung eine riesige Qual. Die Sonne senkte sich langsam dem Gebirge entgegen. Zwei Gipfel ragten in die Höhe. Fast sah es aus als würde die Sonne langsam von ihnen verschluckt werden. Halt. Warte. Gebirge?

Ich blickte nach vorn und sah zwei kleine Berge gar nicht so weit entfernt von mir. Erstaunt sah ich die Gipfel an. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich auf diese Hügel zulief. Wahrscheinlich war ich so in Trance gewesen von der Hitze, das ich kaum noch denken konnte. Erst die Dämmerung machte meinen Kopf wieder klarer. Im Abendlicht strahlten die Wolken, die sich am Himmel gesammelt hatten,  in vielen verschieden rot und violett Tönen. Vor dem Gebirge sah ich jetzt da ich genauer hinsah einen schwarzen Streifen. Er sah aus wie ein dunkler Wald. Neugierig kam ich näher um das Gebilde zu betrachten. Hoffnung durchströmte mich wie heißen Tee. Die Sonne war schon fast untergegangen, als ich an dem großen Steingemäuer ankam, dass ich fälschlicherweise für einen schwarzen Wald gehalten hatte. Jetzt erkannte ich erst, dass ich vor einer riesigen Burg stand, die mächtiger und älter aussah als alles was ich bisher gesehen hatte. Glücklicherweise war ich direkt vor dem Tor gelandet und musste nicht um die halbe Burg laufen. Es war ein riesiges Tor mit einem Schloss das aussah, als käme es aus dem 15. Jh. Der Rost setzte schon an den Scharnieren an und das große Holzgebilde war verziert mit tausenden von Schnörkeln. Auffallend war aber die beeindruckende Tulpenschnitzerei, die den Großteil des Tores ausmachte. Die Farben, mit denen das Tor bestrichen war, waren schon ganz ausgeblichen und zeugten von den letzten Jahrzehnten, wen nicht sogar Jahrhunderten, die das Tor hier schon stand. Das Tor wurde gerade geöffnet, was irgendwie seltsam war, in Anbetracht der Tageszeit. Welche komischen Typen lebten den hier? Vorsichtig ging ich näher auf das Tor zu, dass noch nicht ganz geöffnet war. Durch den Spalt zwischen den Torflügeln konnte ich das Innenleben der Burg genauer betrachten. Ich erwartete steinige Straßen, heruntergekommene Gebäude und arbeitende Menschen zu sehen, aber nichts davon traf auch nur im Entferntesten zu. Wenn die Stimmung hier Draußen friedlich und frei gewirkt hatte, war das da Drinnen genau das Gegenteil. Überhaupt sah man keinen einzigen Menschen, keine Gebäude und keine Straßen. Da waren nur viele Blumen. Wunderschöne Blumen in allen Farben des Regenbogens. Manche sahen aus wie Tulpen, andere wie Nelken oder Rosen. Und viele davon hatte ich noch nie gesehen. Ihr dachtet jetzt sicher ich sei Depressiv oder so, weil ich das da drin so schrecklich fand. Ich war ja auch noch nicht fertig mit erzählen, denn die Blumen wurden überschattet von gigantischen schwarzen Bäumen, die alles Licht verschluckten. Die Bäume waren voller Blätter, aber jedes einzelne von ihnen war Pechschwarz wie die Nacht. Noch bildeten die Blumen eine Art Lichtung, aber das würde bald vorbei sein. Auch am Boden schlängelte sich unaufhaltsam Gestrüpp in Richtung der Blumen. Langsam starben die wunderschönen Pflanzen ab. Viele waren schon selbst zu Gestrüpp geworden. Die Bäume wucherten immer weiter und bald würde gar keine Blume mehr stehen. Höchstens noch Dornen und Unkraut. Die ganze Pracht würde verschwunden und vergessen sein und niemand würde sich mehr an diesen schönen Platz wagen. Von überall her schien die Dunkelheit zu kommen, was mir immer mehr zu schaffen machte. Nicht das ihr denkt ich wär ein Angsthase oder so, aber plötzlich schreckte mich eine Stimme aus meinen Gedanken hoch, was mir nur noch mehr Angst einjagte. „Es ist bald soweit“, rief eine Tiefe Männerstimme, die aus den dunkelsten Tiefen der Erde zu kommen schien. „Es ist bald so weit“, rief sie immer wieder. Von allen Seiten her bestürmte mich diese Kraftvolle Stimme. Ich versuchte mir die Ohren zuzuhalten, aber die Stimme hallte in meinem Kopf weiter: „Bald kommt die Zeit“ sagte sie noch einmal. „Bald. Bald. Bald. Bald. Aufwachen. Bald. BALD. BALD!“, schrie sie immer wieder. Da bemerkte ich, dass auch eine andere Stimme nach mir gerufen hatte und ich öffnete vorsichtig die Augen. Ich linste durch meine Wimpern und erkannte voller Erleichterung, dass mich nur mein Geschichtelehrer Herr Gerkens aus meinem Alptraum geholt hatte. Abwartend starte er mich an und wartete auf eine Erklärung. Was würdet ihr jetzt in so einer Situation sagen? Ich hatte grad einen Alptraum. Eh klar. Da würde dich dein Lehrer ansehen als hättest du AIDS oder so und die ganze Klasse würde dich auslachen. Also wie sah noch gleich der Plan aus? Geennaaauuu: Schweigen. Funktionierte immer. Abwartend blickte ich ihm entgegen. Er starrte mich noch einige Sekunden an. Die ganze Klasse verfolgte unseren stummen Kampf. So etwas traute ich mich nur bei diesem Lehrer müsst ihr wissen. Er war unserer Lieblingslehrer und der einzige der uns Schüler verstand. So zusagen unser Vertrauenslehrer, nur ohne das spießige „Wo liegt das Problem? Lass alles raus. Das wird dir bestimmt helfen“-Gerede. Wenn wir ein Problem hatten fragt er nach, ohne uns zu drängen und gab uns keine Strafe, weil wir die Hausaufgaben nicht gemacht hatten. Da gab er nach –Wust‘ ich’s doch- und forderte mich bloß auf nach dem Unterricht zu ihm zu kommen. Yes, Gewonnen!

Darkmoon - chronicle of a foreign empireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt