Teil 1

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"Was willst du jetzt von mir hören Sadras? Dass du selbst Gott in den Schatten stellst? Dass wir alle ohne dich nicht leben oder gar überleben könnten??" fragt Maddie mich belustigt. Sie hat ihr übliches freches Grinsen aufgelegt, welches mich gleich schmunzeln lässt.
Ihre hellgrünen Augen mit einem dunkelgrünen Rand umzogen blitzen mich an, wie immer, wenn sie mich aufzieht. Das liegt wohl in der Familie, denn auch ich habe exakt die gleiche Euphorie, die sich dahinter versteckt.
"Ach Cousinchen, das weiss ich doch auch so schon, das musst du nicht laut aussprechen, wenn es dir peinlich ist. Wir wissen doch alle, dass ich das Vorzeigebild der Familie bin", antworte ich mit einem übertriebenen Zwinkern. "Vorzeigebild?!", schiesst sie mir wie aus der Pistole geschossen an den Kopf und fällt in eine nicht endend wollende Lachsalve aus. Dabei wirft sie ihren Kopf leicht nach hinten, sodass ihre pechschwarzen gelockten Haare wild umher hüpfen. "Schwarzes Schaf trifft es wohl eher", fügt sie mit einem bedauernden lächeln hinzu. Wie Recht sie doch hatte.
Maddie ist meine ältere Cousine väterlicherseits. Sagen wir mal, das ist die abgefahrenste Familie, mit so viel Lebensfreude und Stolz verpackt, wie man es sich gar nicht vorstellen kann. Egal wen man mitbringt, jede Seele wird mit weit geöffneten Armen begrüsst. Naja, meist fühlen sie sich nach einer Begrüssung der Sadras Familie ein bisschen überrumpelt, aber es gab bis jetzt absolut niemanden, der ein zweites Treffen ausschlug.
Ich bin so in Gedanken vertieft, dass ich das Kissen meiner Grandma gar nicht kommen sehe und dieses eben erwähnte mit voller Wucht in meinem Gesicht landet. Man kann sich ja gleich vorstellen, was in den nächsten Minuten von sich ging. Lauter Kissen, welche quer durchs Zimmer fliegen, Kitzelattacken und Kriegsgeschrei, als wäre der 3. Weltkrieg ausgebrochen. In solchen Momenten lernt man zu schätzen, was für einen unbezahlbaren Wert eine Familie haben kann.
Nachdem wir kaum noch nach Luft schnappen konnten, legten wir einen Waffenstillstand ein und bewegten uns gemächlich einen Stock tiefer in die Küche.
Das Haus wurde von meinem Onkel Pepe designt, wobei er besonders auf die offene Küche wert legte. Das hat nichts damit zu tun, weil er als Architekt schon viel in seinem Metier gesehen hat.
Nein, wohl eher weil Carla, seine Frau, eine Leidenschaft fürs kochen entwickelte und diese er voller Freude unterstützt. So erzählt sie öfters von ihrem lichtdurchfluteten Lieblingsraum, sobald jemand neues die Küche betretet. Dabei strahlt sie immer übers ganze Gesicht, was mein Onkel, ohne ihres Wissens, schon öfters mit seiner Kamera festgehalten hat.
So wie Carla von ihrer Küche schwärmt, so schwärmt Pepe über seine Frau und keiner kann ihn jemals dabei aufhalten. Manchmal, wenn wir Kinder sie bei ihren kleinen Neckereien beobachten, geben wir alle einen genervten Laut von uns. Aber wir alle wissen, dass wir es bei weitestem nicht anders haben wollen und dies insgeheim geniessen. Schliesslich hat nicht jeder ein solches Glück. Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Carla sich unbemert anschlich und fragt:" Salou, haben wir die Ehre, dich bei unserem bescheidenen Festmahl zu begrüssen??".
Natürlich fange ich bei ihrer Wortwahl gleich an zu schmunzeln, aber muss es dennoch verneinen. "Tut mir Leid, aber ich wollte noch an meinem Motorrad rumschrauben. Leider repariert es sich nicht von selbst. Ich überstrapaziere eure Gastfreundlichkeit sowiso schon zu genüge."
"Papperlapap!", ruft Pepe von der Treppe hinauf, welche er soeben mit einer Weinflasche aus Spanien in der Hand hochsteigt. Dies erkenne ich, da wir den Merlot öfters aus ihrem Vorrat stibiezten, sobald die zwei sich einen gemeinsamen Abend gönnten. Dies begann vor ca 5 Jahren, als Maggies grosser Bruder Kilian seinen 18. Geburtstag feierte. So wurde es zu einer Geburtstagstradition, welche leider nicht unbemerkt blieb. Noch heute kann ich mir mein Grinsen nicht verkneifen, sobald er in mein Blickfeld stösst.
"Du gehörst zur Familie und himmelherrgott, du wohnst allein in einer alten knarzigen Wohnung, welche weniger als 40 Quadratmeter ausmacht! Wenn es nach mir ginge, würdest du dich schon längst im Gästezimmer einquartieren. Dass du auch immer so ein sturer Bock abgeben musst!" ergänzt er leicht mahnend. Doch diese Disskusion hatten wir schon so oft, dass ich sie nicht mehr an einer Hand abzählen könnte. Aber es gibt mir das Gefühl, dass ich wenigstens an einem Ort zu jeder Zeit erwünscht bin. Dennoch erwiedere ich nichts ausser ein ehrlichgemeintes Lächeln. Maggie, welche sich in den letzten Minuten ungewöhnlich ruhig verhielt, begleitet mich noch zur Tür, wo ich meine Lederjacke vom Kleiderständer hebe. "Du reparierst dein Motorrad?? Schon wieder?!", zischt sie mir leise zu, damit die anderen es nicht hörten. "Beruhig dich, die Batterie ist hinüber und wenn ich nicht mitten in der Pampa übernachten will, sollte ich diese auswechseln.", erklärte ich sachlich. Ihre Skepsis weicht langsam von ihrem Gesicht, aber gänzlich traut sie mir wohl nicht. Wer kann es ihr verübeln, das Motorrad ist wohl nicht das sicherste Gefährt auf den Strassen. Aber ohne will und kann ich nicht leben. Seit Jahren beigleitet es mich wohin ich will und mehr brauche ich nicht. Ich habe es damals von meinem Vater vererbt bekommen, weshalb ich es mit umso mehr Stolz meinen Besitz nennen darf. Eine Speed Triple in schwarz matt. Kurz schwelge ich in Erinnerungen, als ich mich mit 10 Jahren am Rücken meines Vaters darauf festklammerte. Jede Woche nahm er mich auf ein kleines Abenteuer mit, über nie endende Geraden bis zu kurvigen Bergfahrten. Aber sobald ich auf der Schulter angetippt werde, schaue ich wieder in das leicht besorgte Gesicht. Aber anstatt darauf einzugehen, drehe ich mich zur Tür, öffne sie und begebe mich auf den Weg zu meiner kleinen schäbigen Wohnung. Wie Pepe schon sagte, war der Zustand grauenhaft. Jedoch ist es gross genug, um es als mein Rückzugsort zu bezeichen. Ausserdem hat mir dort niemand etwas Vorzuschreiben, was ich mit der Zeit zu schätzen lernte.

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⏰ Last updated: Nov 23, 2017 ⏰

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