Kämpfer

5 1 0
                                    

„Du bist so ein Schisser!", brüllt Sven zu mir hoch. „Verdammt, du bist so ein Kleinkind!", ruft jemand vom Ufer. Ich weiß nicht wer, es ist mir gerade auch egal. Ich klammere mich zitternd an dem abgegriffenen Seil fest.

Unter mir klatscht Sven mit der Hand auf das Wasser, so, dass es zu mir hoch spritzt.

„Spring doch, spring doch!", die Menge am Ufer wird immer größer.

Ich traue mich nicht nach unten zu schauen. Ich will nicht wissen wie tief ich fallen werde, bevor ich in das kalte Wasser eintauche. Diese verdammte Mutprobe!

Ich starre verzweifelt auf meine Finger die sich schmerzhaft um das Seil krampfen, so fest, dass die Knöchel schon weiß werden. Irgendwann werde ich loslassen. Das weiß ich, aber ich will gar nicht daran denken.

Sven brüllt noch einmal: „Feigling!" Dann schwimmt er zurück zum Ufer.

Ihm wird es zu kalt und langweilig im Wasser. Auch die Schaulustigen zerstreuen sich, bis nur noch einer da steht.

Es ist Sophie! Die Sophie für die ich das alles hier mache! Doch Sophie schüttelt den Kopf und ich sehe ihren Gesichtsausdruck, weiß was sie denkt: So ein erbärmlicher Loser!

Sie wendet sich ab und ich schließe die Augen und lasse mich fallen.

Die Stimmen! Sie lachen mich aus! Loser, sagen sie. Feigling, Versager! So was von erbärmlich!

Nur Sophie lächelt mich mitleidig an. Dann stößt sie mich und ich falle, falle...

Jede Nacht träume ich denselben schrecklichen Traum. Und wenn ich aufwache empfängt mich die Krankenhausstille.

Keiner kommt mich besuchen, keiner bringt mir Genesungsgeschenke. Dabei wäre ich fast ertrunken. Als ich ins Wasser fiel, stieß ich mir den Kopf. Wie, weiß ich nicht mehr.

Ein Angler hatte mich dann aus dem Wasser geholt und den Krankenwagen gerufen.

Jetzt liege ich hier und starre die kahle Wand an, keiner stört mich, alles ist still.

Meine Gedanken kreisen. Je mehr ich nachdenke desto hoffnungsloser erscheint mir meine Lage.

Für mich ist klar, dass ich hier nicht mehr leben kann und will! Am liebsten würde ich zurück nach Saudi-Arabien gehen, zu meiner Familie. Und während ich auf dem unbequemen Krankenhausbett liege, entwickelt sich in meinem Kopf ein Plan.

Jahre später, ich bin inzwischen ausgelernter Pilot, steige ich unter einem Decknamen, als Passagier getarnt, in Boston in den American Airlines Flug 11.

Es ist der 11. September 2001 und ich bin verdammt nochmal kein Feigling!

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 09, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

KämpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt