„Wenn ich einmal sterbe...".
„Wenn? Da gibt's kein wenn, jeder stirbt mindestens einmal im Leben."
„Mindestens?"
„Naja, es soll Leute geben die den Tod überlebt haben."
„Den Tod überleben?"
„Naja, oder nur knapp entkommen sind. Verstehst du? Ich meine diese Koma-fälle. Diese, die Jahre lang im Krankenhaus liegen. An irgendwelche Geräte angeschlossen damit die Organe nicht gänzlich versagen. Ohne jemals irgendein Lebenszeichen von sich zu geben. Leblos und doch nicht tot, Jahr für Jahr. Und dann, plötzlich! Ein eigener Atemzug! Einfach aus dem nichts. Verstehst du?"
„Ich glaube. Glückliche müssen das sein."
„Naja, ich weiß nicht. Wie ich bereits sagte, jeder stirbt mindestens einmal. Wenn ich mich entscheiden könnte würde ich dieses eine Mal vorziehen. Öfters zu sterben? Wozu?"
„Ich denke, öfters zu sterben bedeutet auch öfters zu leben. Ganz logisch."
„Nun, das stimmt, aber trotzdem, das Ende ist immer das gleiche."
„Mag sein, aber es nicht jedes Mal dasselbe."
„Was meinst du?"
„Ich meine, wie ich es sage. Tod ist zwar immer Tod, aber trotzdem verschieden. Wie? Wo? Wann? Warum? Mit wem? Durch wen?"
„Worauf willst du hinaus?"
„Auf das, mit dem ich angefangen habe."
„Und zwar?"
„Wenn ich einmal sterbe..."
„Und das wirst du. Und das wird alles und jeder."
„So möchte ich es doch unter freiem Himmel tun."
„Unter freiem Himmel?"
„Unter freiem Himmel. Oder dort, wo ich ihn zumindest sehen kann."
„Die meisten würden am liebsten im Kreis ihrer liebsten sterben."
„Jaja, die meisten."
„Oder manche friedlich im Bett dahin scheiden. Nach einem langen und erfüllten Leben".
„Jaja, manche."
„Und viele träumen davon dafür zu sterben, wofür sie sich einsetzen."
„Jaja, viele."
„Und du. Du willst es also unter freiem Himmel."
„Wenn möglich."
„Möglich? Unwahrscheinlich! Die meisten können sich ihren Tod nicht aussuchen. Es sei denn du bist krank. Oder wendest dich dem Selbstmord zu."
„Aber wenn ich es irgendwie könnte. So wäre mir egal wo, wann, wie, warum, mit wem oder durch wen."
„Ganz egal? Es gibt viele unangenehme Tode. Nein, andersherum, es gibt keinen angenehmen Tod. Nur Tode die nicht ganz so schrecklich unangenehm sind wie andere. Viele würden diese vorziehen."
„Ich nicht. Und wie du gesagt hast, man kann es sich ja nicht aussuchen."
„Stimmt."
„Jaja."
„Warum unter freiem Himmel?"
„Ich weiß nicht."
„Du weißt nicht?"
„Ganz recht."
„Du stellst also diese Aussage auf und weißt es nicht?"
„Naja, schon irgendwie."
„Irgendwie? Das ist nicht nur irgendein Wunsch den man hat. Das steckt was dahinter."
„Ich kann es nur einfach nicht..."
„Kannst was nicht?"
„Mir vorstellen in einem Raum zu sterben, ohne Blick nach draußen. Oder gar unter der Erde. Nein, nein. Niemals."
„So so."
„Ich war stets ein Fenster-Mensch."
„Ein Fenster-Mensch?"
„Ein Fenster-Mensch. Egal ob im Bus, im Flugzeug oder in der Schule. Ich musste immer am Fenster sitzen."
„Warum?"
„Ich musste einfach. Ich musste sehen was draußen passiert. Auch wenn nichts passierte. Auch das musste ich sehen."
„Verstehe. Denke ich. Aber warum der Himmel?"
„Warum nicht der Himmel? Er war ja immer dabei. Bei jedem Blick aus dem Fenster. Der Himmel war da."
„Verstehe."
„Der Himmel ist das letzte was ich sehen will."
„Egal wie?"
„Was meinst du?"
„Der Himmel ist das Letze was du sehen willst. Aber welchen Himmel? Einen orange-roten bei Sonnenaufgang? Einen lilafarbenen wenn sie untergeht? Einen strahlend blauen? Blendend durch die Sonne, oder nicht? Einen dunklen bei Nacht? Erhellt durch den Mond, oder nicht? Klar oder wolkenüberzogen?"
„Ist mir alles recht. Nur allzu stark regnen sollte es nicht. Und nur Wolken sollten es auch nicht sein."
„Seine letzten Atemzüge unter freiem Himmel machen. Das hat schon was."
„Nicht wahr?"
„Dennoch. Meine Vorstellung ist es nicht."
„Was dann?"
„Ich weiß es nicht."
„Wie kannst du dann sagen, dass es nicht deine Vorstellung ist?"
„Ich weiß es einfach."
„Hast du denn noch nie darüber nachgedacht?"
„Schon. Irgendwie."
„Irgendwie? Das ist nicht einfach etwas worüber man irgendwann nachdenkt. Da steckt was dahinter."
„Mag sein. Aber für mich nicht. Es wird so sein wie es sein wird. Unnützes Nachdenken hat da keinen Sinn."
„Was hat schon einen Sinn?"
„Nicht viel."
„Wohl wahr. Trotzdem schadet es ja auch nicht"
„Was?"
„Das Nachdenken."
„Nein tut es nicht. Es braucht nur Zeit."
„Zeit? Aber solange man lebt hat man doch Zeit. Genügend. Man muss sich nur dessen bewusst werden."
„Kann sein."
„Nur wenn man stirbt nicht mehr."
„Und das wird man. Und das wird alles und jeder."