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"Und in diesem Teil des Dominikanerklosters befand sich der ..." Ich verlagerte mein Gewicht auf das andere Bein und starrte gedankenverloren die bunt bemalte Decke an, die sich hoch über unseren Köpfen wölbte. Irgendwelche Heiligen in purpurnen und blauen Gewändern, die einen Kreis aus Gold um ihren Kopf trugen und Ziegen und Schafe in ihren Armen hielten. Mein Blick wanderte über die Szenen die dort abgebildet waren. Jesus war fast überall. Jesus am Kreuz. Jesus wie sie ihn vom Kreuz runter holen. Jesus wie er ein Schäfchen in den Händen hält und von den Menschen um ihn herum angebetet wird. Mir tat der Nacken schon weh vom ewigen Hochstarren. Und die nervtötende monotone Stimme meiner geliebten Geschichtslehrerin ließ mich innerlich aufstöhnen.
Wir waren seit einer gefühlten Ewigkeit - realistisch gesehen vielleicht 20 Minuten - in diesem verdammt alten, verdammt langweiligen Gebäude. Aber anscheinend war es ein ganz besonderes altes langweiliges Gebäude, denn Frau Scholl erzählte uns mit wachsender Begeisterung davon, wie es im 11. Jahrhundert von Mönchen erbaut wurde, wie es im ersten Weltkrieg halb und im zweiten dann ganz zerstört wurde und es Mitte des 20. Jahrhunderts dank großzügiger Spenden und Restaurationsarbeiten... Mir war es schlichtweg egal, wie die Geschichte hinter diesen Mauern aussah. Kirchen und alte Gebäude strahlten für mich schon als ich klein war eine unheimliche Gelassenheit aus. Der kalte Marmor der sich in leichter Musterung über den gesamten Innenraum ergoss, die wundervoll detailreich verzierten Wände und Kammern und die hohen unerreichbaren Decken. Sie gaben mir ein Gefühl von Durchatmen können obwohl wir uns in einem geschlossenen Raum befanden.
Mein Blick glitt wieder nach oben. Derjenige der diese ganzen Bilder gemalt hat muss einen echt guten Masseur gehabt haben dachte ich. Den ganzen Tag so Nach oben schauen kann doch nicht gesund sein. Da spürte ich hart und unvorbereitet wie mich etwas in die Seite traf. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Es war Elisas Ellenbogen gewesen. Sie und einige meiner Mitschüler schauten mich an. Ich blickte mich verwirrt um und bemerkte, dass Frau Scholl aufgehört hatte zu sprechen und mich ansah. "Wer braucht eine Massage, Nina?" Ich starrte sie verwirrt an. Hinter mir begannen einige der Jungs leise zu lachen. Schnell setzte ich mein Casanova Lächeln - wie meine Scwester es nannte - auf und antwortet: "Ich könnte gut eine gebrauchen, Sie nicht auch?" Frau Scholls Gesichtsausdruck in diesem Moment hätte sich hervorragend in der Abizeitung gemacht und wie aufs Stichwort erklang das Geräusch eines Auslösers neben mir. Frau Scholl zog scharf die Luft ein, warf mir einen "wir-reden-nach-der-Stunde-Blick" zu und sagte dann in einem Tonfall bei dem selbst der marmorne Mönch neben ihr zu zittern begonnen hätte (wäre er nicht aus marmor gewesen!): "Und das Foto löschst du, David. Haben wir uns da verstanden?"
"Jawoll, Frau Scholl", erklang seine Stimme neben mir. Lauter, als es an einem so heiligen Ort hätte sein dürfen. Und ich hörte wie David und die Jungs in ihre Jackenärmel bissen um nicht laut loszulachen.

White OneWhere stories live. Discover now