"Nina... du warst mal eine so aufmerksame wissbegierige Schülerin... wann hast du deine Neugierde für Geschichte verloren?"
Ihre kleinen dunklen Schweineäuglein fixierten mich über den Rand der rahmenlosen Brille, die ihr drohte jede Sekunde von der Nase zu rutschen.
"Etwa zu dem Zeitpunkt als Voldemort seine Nase verloren hat", dachte ich. Statt etwas zu sagen zuckte ich nur mit den Schultern und freute mich innerlich über meinen müden Witz.
Die kleine hagere Frau schüttelte betrübt den Kopf und hob dann den Kopf als wollte sie noch etwas sagen, blickte dann jedoch auf etwas in meinem Rücken und ließ mich einfach stehen. Verwirrt verfolgte ich sie mit den Augen. Ein komischer Mensch war sie schon. Nicht größer als 1,60m und als sie so an mir vorbeistürmte, war sie nichts mehr als ein wirbelndes Etwas aus grauen Haaren und altmodischen Kleidern. Nicht ohne Grund war sie in der Schule als "die alte Hexe" bekannt.
Ich schüttelte meinerseits den Kopf als ich sah, dass sie zu einem der Kirchenaufseher herübergeeilt war und ihm nun in gedämpftem Ton etwas zu erzählen schien. Mir sollte es egal sein.
Also klaubte ich meinen Rucksack vom Boden auf und lief zielstrebig auf das Schild mit der Aufschrift "Uscita" zu.Sie standen draußen. Blauer Dunst stieg über ihren Köpfen auf und ich schlendere so lässig wie irgendmöglich zu ihnen herüber. Etwas weiter hinten saßen Elisa und die anderen, um ihre Brote zu essen oder Musik zu hören. Doch ich steuerte direkt auf die Gang zu. So nannte sie der Rest unseres Jahrgangs. Ein Freundeskreis der dafür bekannt war auf Konzerte und Festivals zu gehen und sich einiges bei den Lehrern rauszunehmen. Die meisten von ihnen rauchten, wenn auch nicht alle und auch wenn ich nie viel mit Ihnen zu tun gehabt hatte, waren wir zusammen auf Kursfahrt. Also warum nicht mal was verändern, dachte ich mir.
"Nina" begrüßte mich Mona etwas erstaunt abermit einem Lächeln. Sie war schon 19 und hatte ein Jahr lang in England gelebt, weshalb sie die 11te wiederholen musste und beneidenswert perfektes Englisch sprach. Ihre schönen dunklen Augen passten perfekt zu ihren langen lockigen Haaren und ihrem Latina Arsch. Ich musste mich immer wieder zusammenreißen sie nicht wie die Jungs anzustarren. Lasziv zog sie an ihrer Zigarette und leckte sich dann die Lippen.
"Auch eine?", fragte David mit einem schiefen Lächeln. Ich nahm eine aus der blau weißen kleinen Schachtel die er mir hinhielt. Ich erntete ein paar hochgezogene Augenbrauen und verwunderte Blicke. Keiner von ihnen hatte mich je rauchen gesehen. Vielleicht weil ich das auch nicht tat. Ich war nicht eine von denen gewesen, die sich mit 13 die Haare schwarz färbten, sich tiefschwarzen Kajal um die Augen schmierten und heimlich die Zigaretten ihrer Mutter rauchten.
Ich hatte auf Partys das ein oder andere Mal geraucht und wusste daher welches Ende des Glimmstengels man anzündete. Das andere steckte ich mir schnell zwischen die Lippen. Unerwartet spürte ich wie mich jemand Sanft an der Hüfte zur Seite schob. "Feuer?", fragte mich Tom. Ausgerechnet Tom. Der Tom auf dessen Rucksack mit fettem schwarzen Edding die Worte "sexiest man alive" prangten. Und zwar in Monas schwungvoller Handschrift. Mir wurde augenblicklich heiß und ich sah verwirrt das Feuerzeug vor mir an.
Er hielt es mir hin, ohne es anzuzünden. Also wollte er, dass ich es nahm? Ungeschickt legte ich meine Finger um das kleine Teil und kratze ihn dabei mit meinen Fingernägeln. Er tat so als hätte er nichts bemerkt und sagte dann "keine Ursache". Ich musste lachen - auch weil er mir die Sache mit den Fingernägeln so schnell verziehen hatte - und sagte dann "danke".
Da merkte ich erst wie alle mich anstarrten. Naja, nicht alle, aber ich fühlte mich doch beobachtet. Es wurde nicht besser als Tom an seiner Kippe zog und mich erstickt fragte: "was wollte die alte von dir?". Ich bemühte mich das Feuerzeug und anschließend meine Zigarette zu entzünden ohne dabei etwas fallen zu lassen oder meine Haare anzusengen. Als ich es geschafft hatte und den blauen Rauch tief in die Lunge zog bereitet sich ein angenehmes Kribbeln in mir aus und ich lächelte auf meine Finger hinunter.
Dann antwortete ich mit einem Schulterzucken in Toms Richtung: "übliches Lehrergewäsch" und verdrehte die Augen. Dabei legte ich den Kopf in den Nacken und bließ den Rauch in die Luft über mir.Und plötzlich war ich mitten drin. Ich lachte mit Laura über Eliasas alberne rosa Tasche, verdrehte gleichzeitig mit Mona die Augen als Raffael anzügliche Witze machte und boxte Tom spielerisch gegen den Oberarm.
Und viel zu schnell war die Pause vorüber und Frau Scholl rief uns alle zusammen, damit wir zurück zur Jugendherberge gehen konnten. Dabei warf sie mir noch einen bedeutungsschwangeren Blick zu. Doch da hakte sich plötzlich Laura grinsend bei mir unter und fing an über den heutigen Abend zu reden. Es war schließlich der erste den wir in Mailand verbrachten und der müsste doch schließlich gebührend gefeiert werden, oder nicht?
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White One
Teen FictionItalien. Sommer. Oberstufe Studienfahrt. Nina fährt mit ihrem Geschichts-Kurs für eine Woche in das atemberaubende Mailand. Natürlich um sich der italienischen Geschichte zu widmen. Kursfahrten sind immer lehrreich. Auch wenn nicht ganz im Sinne der...