Teil 1

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»Mama«, ertönte Sophies zierliche Stimme. Ich zuckte hoch, sah von meinem Laptop auf und erkannte sie im Türrahmen, ihren geliebten Schlafteddy fest im Arm haltend. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz geflochten, einzelne Strähnen hingen ihr ins Gesicht.
»Was ist los, Baby?«, fragte ich sanft, legte den Laptop zur Seite und beobachtete wie Sophie mit ihren kurzen Beinchen auf mein Bett zulief und hinein krabbelte.
»Milan weint. Und ich kann nicht schlafen«, murmelte sie, hielt den Teddy an ihre Brust gedrückt. Ich zog ein mitleidiges Gesicht, strich ihr zärtlich über die Wange.
»Ich schaue nach ihm und danach lese ich dir ein Buch vor. Okay?« - »Pinky promise?«, fragte meine Tochter mit glänzenden Augen, versuchte das englische Wort so gut es ging auszusprechen. Ich konnte nicht anders, als zu schmunzeln und nickte, küsste ihre Stirn und verschwand aus dem Schlafzimmer.
Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er weinte. Und das Babyfon gab auch keinen Ton von sich – da mussten wir wohl ein neues kaufen.

Milan weinte und weinte, es schien gar nicht mehr aufzuhören. Sein Gesicht war rot wie das eines Krebses, die Augen stachen wild hervor. Mein armes Baby.
»Sssht, Mama ist hier«, flüsterte ich, als ich meinen kleinen Jungen aus dem Babybett hob und an meine Brust drückte. Ich streichelte ihm sanft den Rücken, summte ein kleines Lied, damit er sich beruhigte. Vielleicht hatte er Hunger. Oder ich musste seine Windeln wechseln. »Na, mein Kleiner? Was hast du heute Nacht?«
Tyler bekam von all dem nichts mit. Er sagte, er müsse Arbeiten – doch wir wussten alle, dass er nicht arbeitete. Er tat irgendetwas anderes, wovon ich weder hören noch nähere Details wissen wollte. Vielleicht hatte ich auch Angst vor der Konsequenz die ich dann ziehen würde. Oder musste.
Milan weinte noch einige Minuten, bis ich ihn schlussendlich beruhigen konnte – und dann wechselte ich seine Pampers. Strich meinem, unserem, drei Monate alten Sohn ein paarmal über den Kopf, spielte mit seinen kleinen Füßen und seinen Händen. Bis ihm vor Müdigkeit die Augen zu fielen. Ich konnte mir vorstellen, wie müde es ihn machte, aus vollem Halse zu schreien.
Ich hob ihn vorsichtig vom Wickeltisch und legte ihn ins Bett, drückte Milan einen Kuss auf die Stirn und verschwand leise aus dem Zimmer, ließ die Tür dieses Mal offen. 

»Mama«, hörte ich erneut ihre müde Stimme. Ich drehte mich herum, Sophie rieb sich verschlafen die Augen. »Ja, Süße?«, fragte ich sie, nahm sie auf meinen Arm. »Wann kommt Daddy nach Hause?«, hakte sie unsicher nach, spielte eingeschüchtert mit ihren Fingern. Ja, wann kam ihr Daddy nach Hause, um ihr Gute Nacht zu sagen?

L.O.V.EWhere stories live. Discover now