1. Kapitel

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Ich weiß noch, dass ich früher in meinen Träumen immer hexen konnte. Meistens. Okay, es war dann doch eher seltener, aber wenn ich es konnte, war es schon ziemlich cool. Obwohl es meistens nie richtig funktioniert hatte. Jep, diese Probleme hatte ich, als ich klein war, allerdings habe ich noch in der fünften Klasse vom Hexen geträumt. Aber in dem Alter ist man ja noch ein ziemlicher Zwerg, immerhin ist man gerade erst aus der Grundschule gekommen, hat noch mit Puppen gespielt, sich aber gleichzeitig schon total erwachsen gefühlt, als könnte man es mit fast jedem aufnehmen. So ist jedenfalls die jüngere, frechere und Ich-lauf-jetzt-mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-und-denke-später-drüber-nach-Version meiner jetzigen Person gewesen.
Heute dagegen hatte ich ganz andere Probleme, als dass ich mir im Traum kein eigenes Pony hexen konnte. Zum Beispiel schrieb ich drei Klassenarbeiten pro Woche, hatte zwei Hobbys, wovon ich eins zu meinem Beruf machen wollte, jeden Tag bis fünfzehn Uhr Schule, allerdings zum Glück keinen zusätzlichen Unterricht danach. Alles in einem konnte ich mich nicht viel beschweren, meistens machte ich meine Hausaufgaben abends, war am nächsten Tag dafür todmüde und würde den Wecker am liebsten gegen die Wand schmeißen, von wo er dann am Besten aus dem Fenster flog und im Teich des Nachbarn drei Häuser weiter versenkt wurde, damit ich ihn auch ja nicht mehr hörte, falls er seinen Flug überhaupt überlebt haben sollte.
Wie jeden Morgen fuhr ich mit dem Bus zur Schule, was glücklicherweise nur eine Reise von zehn Minuten war. Normalerweise unterhielt ich mich in der Zeit mit meiner Freundin, die man nicht als meine beste Freundin bezeichnen konnte, aber auch nicht als nur eine Klassenkameradin. Sie fuhr nun mal mit meinem Bus und wir gingen in dieselbe Klasse, ich glaube das war auch schon alles, was uns verband. Es war halt einfach nett, jemanden zu haben, mit dem man sich die Zeit im Bus vertreiben konnte, auch wenn es eben nur diese zehn Minuten waren. Amscheinend hat sie sich dasselbe gedacht, denn jetzt hatte sie sich einen anderen jemand gesucht, mit dem sie sich die Zeit vertrieb.
Justin Ivanco.
Über's Wochenende schienen sie sich wohl rasant näher gekommen zu sein, denn momentan saßen sie in der letzten Sitzreihe und fielen über sich her. Und damit meinte ich nicht nur harmloses Rumgeknutsche. Es ging schon in den Bereich über, wo man sich fragte, ob man ein waschechtes Daemon-Katy Alien-Kussszenario zu sehen bekam. Ich verdrehte die Augen und mich selbst wieder nach vorn, um das nicht mehr sehen zu müssen.
Justin Ivanco war ein Junge aus unserer Schule, trug seine Haare kinnlang und rot (von Natur aus), war sehr dünn und groß. Der arme tat mir irgendwie schon leid, dass sich sein Körper noch nicht so wirklich proportioniert hatte.
Ich fand schon immer, dass er sich für einen Streicholzschönheitswettbewerb einschreiben konnte. Wenn er dann endlich seine Haare abschnitt und sie sich so nach oben gelte, dass seine Frisur ebenfalls zum Streicholzaussehen passte, würde er jeden Preis und Pokal gewinnen, den es in diesem Sinne von Wettbewerb überhaupt gab. Aber das behielt ich natürlich für mich. Mein Fall war er ja nicht so, aber ich musste zugeben, dass Leyla und er echt gut zusammenpassten.
Hoffentlich hielt das auch etwas länger als seine Beziehungen, die er normalerweise führte, mit der Menge gesunden Selbstbewusstseins, die er hatte.
Leyla war dagegen etwas kleiner und pummeliger, hatte braune, meist etwas fettige Haare, aber ein eigentlich sehr hübsches Gesicht. Ich begegnete ihr in der Schule nicht allzu oft, belegte mit ihr aber auch nur einen gemeinsamen Kurs, ansonsten hatten wir unterschiedlichen Unterricht.
Verträumt schaute ich aus dem Fenster. Die Häuser zogen an uns vorbei und der Regen klatschte gegen die Fensterscheibe. Es war ungewöhnlich, dass es hier so stark regnete, eigentlich tat es das meistens im Sommer oder eben einfach nur ein leichter Schauer im Herbst. Tja, jetzt war Herbst und es regnete trotzdem so dolle, als wenn es kein Morgen mehr gäbe.
Ich wohnte in Birmingham, Michigan, im sogenannten „Mitten State". Es war eine kleine süße Stadt im Norden der USA, die ich für ihr supertolles Klima liebte. Jetzt mal ehrlich: wo gibt es wirklich Schnee, Kälte und Sonne im Winter und Hitze im Sommer? Zumindest nicht an vielen Orten. Das Highlight ist sowieso der Sommerregen. Einfach unbeschreiblich. Da kann man (ich) dann auch mal unter anderem abends im Schlafanzug im Regen tanzen.

Alan And AlexWo Geschichten leben. Entdecke jetzt