Sarah - Die Flucht in den Wald

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Ich saß auf der Kannte meines Bettes, blickte in den Spiegel der an der Schranktür gegenüber hing und betrachtete mich beim Nachdenken. Ich blickte mir selbst so oft tief in die Augen, in den tiefblauen Ozean, lauschte der tosenden Brandung in mir.

Ich stand auf, legte mir meine Jacke um, steckte meine Kopfhörer in meine Ohren und schritt traurig, doch zugleich entschlossen aus dem Zimmer. Anschließend lief ich den Gang entlang, an den anderen vorbei. Ich ging dabei aufrecht und stolz, zu den Klängen der melancholisch anmutenden Musik, die in mir jedes Mal einen scheinbar selbstbewussten Menschen erschuf.

Kam mir eine Therapeutin entgegen blickte ich ihr tief in die Augen und zeigte mein breitestes Grinsen, meine Aura so zerbrechlich wie die falschen Lachfalten in meinen Augen. Trotzdem kam immer ein Lächeln zurück, ich wurde wahrgenommen. Ich konnte sehen, sie fühlten Sympathie für mich und es baute mich immer für diesen kurzen Moment auf.

Kurz danach, ein paar Meter weiter, war wieder alles so wie vorher, als hätte ich nicht die notwendige Dosis einer jahrelang konsumierten Droge bekommen. Ich blickte hinter mich und sie war in ihrem Büro verschwunden. Es reichte nicht, alles Schöne war so vergänglich wie eine Sternschnuppe die kurz aufleuchtet, dich kurz fasziniert, doch dann erlischt.

Mein eigentliches Ziel war der Wald.

Mit gesenkten Blick, die Umgebung nicht wahrnehmend, schwebte ich unscheinbar durch den Eingangsbereich und begab mich nach Draußen in die Abenddämmerung, Richtung Wald. Dieser wunderschöne Anblick faszinierte mich, doch konnte mich jedes mal nicht zufriedenstellen. Ich konnte zwar sehen, doch ich sah trotzdem nichts.

Schritt für Schritt lief ich über den weichen Waldboden, in meinem Kopf erfinderisch und kreativ, ausmalend. Es schwirrten in mir Ereignisse die hätten eintreten können, doch ich war stets zu feige zu handeln. Eine Scheinrealität, doch trotzdem realer als die Welt in der mein Körper sich bewegte. Zwischendurch lächelte ich aufgrund der erfundenen Dialoge in meinem Kopf und über die Bilder die ich sah, obwohl vor meinen Augen nichts geschah. Es war stets so schön, doch kamen mir andere Menschen entgegen die ebenfalls ihrer Tagträumerei oder Dissoziation nachgingen, hielt ich jedes Mal die Luft an. Es fühlte es sich an als würde ich ersticken. Warum?... Kann ich nicht beantworten. Vielleicht war es die Angst davor, dass mich Menschen atmen hörten oder mein Gesichtsausdruck hässlich war, vielleicht aber auch die Angst davor, dass die Menschen mir in diesem Moment in die Seele schauen konnten. Egal, auf jeden Fall kam dann ungefähr nach einer Stunde jedes Mal die traurige Realität zurück, die mich aus meiner Wunschvorstellung zog. Nein, ich würde niemals mit meinen Therapeuten Freundschaften knüpfen können, nein ich würde niemals eine Schriftstellerin werden. Ich war erbärmlich und meine Zukunft war Hoffnungslos, wie meine Versuche die Luft anzuhalten, denn egal wie, irgendwann schnappst du immer nach Luft und die Realität holt dich ein.

So ging es mir jedes Mal, wenn ich spazieren ging. Zugleich so gut, doch zugleich so zerrissen zwischen schwarz und weiß.


Die Borderline- Persönlichkeitsstörung - Gefühle von BetroffenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt