My Fantasy

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Fantasie. Jeder kennt sie. Jeder hat sie. Auch ich habe sie. Aber ich weiß auch, wozu sie gut ist. Fantasie soll uns eine Welt vorgaukeln, die nicht existiert. Mit unserer Fantasie können wir uns die Welt gestalten wie wir wollen. Jedoch bewahrt uns das nicht vor der Realität. Die Realität ist grausam, einsam. Ich wette, jeder hatte dieses Gefühl schon einmal, Ernüchterung, Enttäuschung.

Dieser Moment, wenn man erkennt, dass man die Welt nicht mit leeren, wenn auch schönen, Vorstellungen verändern kann. In solchen Momenten verleugnet man die Realität. Das ist eine einfache Abwehrreaktion des Unterbewusstseins, das nicht wahrhaben will, dass das Leben nicht so schön ist, wie wir es uns vorstellen. Und in solchen Momenten flieht man sich in die Arme der Fantasie, die einen wie ein ewiger Wegbegleiter, Freund und Beschützer in Empfang nimmt und einem eine Welt gibt, in der man sich wohlfühlt. ...Ja, das ist die Fantasie. Sie ist Geschenk und Fluch zugleich, wenn ihr mich fragt.

Sie kann die verschiedensten Gefühle erwecken, ist das schon mal jemandem aufgefallen? Sowohl Freude als auch Trauer. Wenn man einen schönen Tagtraum oder eine Vorstellung von etwas hat und man aus diesem wundervollen, versunkenen Zustand erwacht, bemerkt man erst, wie trostlos die Welt doch eigentlich ist.

Träume werden nicht Wirklichkeit. Das ist mir schon vor geraumer Zeit klargeworden, jedoch wollte ich es nicht akzeptieren und habe diesen Gedanken tief in mir vergraben. Doch jetzt, wo ich immer mehr Geschichten lese, die irgendwelche fremden Menschen geschrieben haben, fällt mir auf, dass auch sie sich in eine Welt verflüchtigen, die es nicht gibt. Eine Welt die sie selbst erschaffen haben und in der sie sich wohlfühlen. Eben weil es ihre Welt ist.

Filme, Fernsehen, Bücher, Mangas, Animes und noch vieles mehr. Es gibt so viele Früchte der Fantasie. Und sie alle sollen uns Menschen von der Realität ablenken. Die Realität, die grau, trostlos und eintönig ist.

Immer wenn das passiert, wenn die Welt um mich herum wieder ihre wahre Gestalt annimmt, fliehe ich mich in die starken Arme des schwarzen Mannes in meinem Unterbewusstsein. Er beschützt mich vor der Außenwelt, macht mich unantastbar für andere Menschen. Denn er stellt sich vor mich und verbirgt die Welt vor mir. In diesen Momenten übernimmt er mein Denken und Handeln und bewahrt den schwachen, kleinen Kern in meinem Inneren, meine Seele, davor, zu zerbrechen.

Er, der schwarze Mann in meinem Kopf, hat kein Gesicht und keinen Namen. Ich habe ihn mir des Öfteren vorgestellt. Er ist größer als ich, sodass ich mich hinter ihm verstecken kann. Er ist warm, damit ich mich bei ihm wohl fühle. Und er trägt stets einen langen, schwarzen Kapuzenumhang, der jedes Mal wie ein großer Schutzschild vor mir aufbauscht und an dem die Worte anderer einfach abprallen. Durch die Kapuze kann ich sein Gesicht nicht sehen, dort herrscht nur gähnende Leere, denn er soll keine Gefühle zeigen. Er soll die überschäumenden Gefühle beruhigen und zum Schweigen bringen. Damit ich immer einen kühlen Kopf bewahre und nicht aus der Haut fahre. Das ist seine einzige Aufgabe. Wenn ich mich angegriffen fühle, rufe ich ihn und er stellt sich vor mich.

Abgesehen von dem schwarzen Mann, gibt es in meinem Kopf auch noch die weiße Frau. Auch ihr Gesicht sieht man nicht, auch sie hat keinen Namen. Aber den braucht sie auch nicht. Sie kann auch ohne Namen auskommen. Die weiße Frau ist diejenige, die mit dem schwarzen Mann zusammenarbeitet. Wenn er sich schützend vor mich stellt, nimmt sie mich in den Arm und beschützt mich ebenso wie er.
Ich kuschle mich immer an ihre warme Brust, kann ihren ruhigen, langsamen Herzschlag hören und bringe meinen mit ihrem in Einklang. Sie legt ihre Arme um mich und hält mich so lange fest, wie ich es brauche. Wenn der schwarze Mann meinen Körper und Geist übernimmt, behütet die weiße Frau meine Seele, die normalerweise das Kommando hat. Sie ist der Ruhepol, wenn ich ihn brauche. Das Einzige, an das ich mich in meinen schwächsten Momenten klammern kann, um nicht von meinen Gefühlen überwältigt zu werden.

Natürlich gibt es auch Momente, wo die beiden nicht reichen, um mich unter Kontrolle zu halten. Das führt zu Gefühlsausbrüchen. Meine Dämme reißen, die Schlösser zerbrechen und die eingeschlossenen Gefühle suchen sich gewaltsam einen Weg an die Oberfläche meines Bewusstseins. Ich hasse diese Momente. Weil ich in diesem Zeitraum, in dem ich mich nicht unter Kontrolle habe, verletzlich bin. Ich fühle mich klein und hilflos.
Nicht einmal die Arme der weißen Frau oder der Umhang des schwarzen Mannes können meine Seele in diesen Augenblicken beschützen. Sie liegt offen dar, für jedwedes Böse erreichbar. Dann ist es nicht besonders schwer, dieser kleine Seele zu schaden.

Es reicht ein falscher Satz. Dieser bohrt sich tief in die kleine Seele hinein und bleibt dort. Wie eine ewige Narbe. Ich werde mich immer wieder an diesen Satz erinnern und er wird meine einzige Schwäche sein. Mit diesem Satz... kann ich verletzt werden.

Die Fantasie ist unser Schutzschild und unser ewiger Freund. Sie wird immer für uns da sein können. Und uns wenigstens einen kurzen Moment lang vergessen lassen. Vergessen lassen, wie grau die Welt um uns herum doch eigentlich ist...

Fantasie... wunderschön, oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt