Kapitel 1

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Der Regen trommelte auf meinen pinken Regenschirm. Ich hielt ihn mit meinen kalten Händen fest, denn ich hatte sonst nichts, woran ich mich hätte festhalten können. Neben mir trotzte ein lila Regenschirm dem Regen. Er wurde von gleichen kalten Händen festgehalten, wie es meine waren.

Luis liefen die Tränen nur so über die Wangen. Sie hatte es aufgegeben, sie mit einem weiß - lilanen gestreiften Taschentuch aufzufangen. Das Problem hatte ich nicht, ich vergoss nie eine Träne. Ich starrte nur auf Mamas Grab. Es ging einfach nicht in meinen Kopf, dass sie dort in diesem hölzernen Sarg liegen sollte.

Mama hatte in den 5 Jahren, in denen sie so krank gewesen war, kaum geschlafen. Der Arzt, zu dem ich sie gebracht hatte, meinte, der Tumor, der in ihrem Kopf wuchs, würde langsam, aber sicher den Teil des Gehirnes zerstören, der für das Schlafen zuständig wäre. Obwohl mein Vater gut verdiente, hatten wir nicht viel für sie tun können und das, was wir versucht hatten, war kläglich gescheitert. Ich hatte das nicht akzeptieren können. Warum konnten wir Mama nicht retten?

Heute weiß ich, dass wir so oder so nicht hätten mehr für sie tun können. Der Tumor war zu weit fortgeschritten! Damals hatte ich ihr trotz allem stundenlang ihre Lieblingsgeschichten vorgelesen. Doch es hatte nichts genützt, auch wenn ich ihr die ganze Nacht vorlas. Doch sie konnte keinen Schlaf mehr finden. Mich hatte sie dadurch um meinen wohl verdienten Schlaf gebracht. Doch das war mir egal gewesen. Die schlaflosen Stunden konnte ich in der Schule nachholen. Zu irgend etwas muss die Schule ja gut sein. Mir hatten meine „Schlafstunden“ oft Ärger eingebracht. Doch ich war eine gute Schülerin und mir konnte man nicht lange böse sein.

Mama lag jetzt auf ihrem neuen Bett. Dem Bett aus Erde. Jetzt konnte Mama endlich ihren versäumten Schlaf nachholen. Ich redete mir ein, dass sie jetzt auf Vorrat schlafen würde. Irgendwann würde sie aufwachen und wir würden uns wieder sehen.

Luis fing neben mir lauthalts an zu schluchzen, was mich in die Gegenwart zurück brachte. Obwohl sie meine Zwillingsschwester war, haben wir nichts gemeinsam, glaube ich jedenfalls. Sie hatte schulterlanges fast weißblondes Haar, das sie meist mit einen Stoffband zusammen hielt. Sie hatte sich stets einen Mittelscheitel gezogen, wodurch ihre markaten Gesichtszüge gut zur Geltung kamen. Das Gesicht meiner kleinen Schwester hätte von einer römischen Münze stammen können. Alles in ihrem Gesicht war perfekt. Nicht wie die künstlichen Gesichtszüge eines Popstars, der gerade von OP Tisch kam. Nein, ihr Gesicht sah natürlich perfekt aus. Nicht überzogen oder überwertet, sondern sie sah einfach wie sie selbst aus. Einmalig in ihrer Art und auf eine Weise wunderschön, welche man nicht beschreiben kann. Doch diese Schönheit würde sie sich selbst niemals eingestehen, was man auch an ihrer Kleidung erkennen konnte.

Sie war dünn und das meine ich wortwörtlich: sie hatte kein Gramm zuviel an ihrem Körber, denn ihr müsst wissen, sie trieb übertrieben viel Sport.

Ich wohnte mit Luis, Pa und seit dieser Woche leider ohne Mama in einem großen zweistöckigen Haus auf dem Land. Unser Haus lag, umgeben von Felder, an einer kleinen Landstraße. Doch zum Glück mündete diese Landstraße nach einem Kilometer in eine etwas befestigtere und größere Straße.

An eben dieser Straße hielt jeden Tag, außer natürlich am Wochenende, unser Schulbus. Die Fahrt dauerte jedes Mal fast eine ganze Stunde. Wo ich muss zugeben, dass ich dort oft noch meine Hausaufgaben machte. Ihr müsst wissen, Luis, Pa und ich wohnten in der USA, genauer gesagt in Californien. Desswegen gingen Luis und ich in die 11 Klasse einer Highschool und wie ihr vielleicht wisst, tragen wir Schüler Schulluniformen.

Wie ihr seht, meine Schwester hatte reichlich Platz, um sich auszutoben und Sport zu treiben. Doch ich war der Meinung, dass sie diesen ganzen Sport, bei ihrer Figur nicht im mindesten nötig hatte. Doch sie war der festen Überzeugung, dass sie fett wäre und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war das unmöglich, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Obwohl wir ja auf dem Land lebten, zog sich meine Schwester nur bedingt nach der Schule um. Wärend ich mir, wenn wir aus der Schule nach Hause kamen, meine Jogginghose mit den blauen Streifen, meine Haussandalen und ein bequemes T-Shirt anzog. Schlüpfte Luis in ihre eigents kreierte Schuluniform. Das einzigste, was die Schuluniform von unserer eigentlichen Uniform unterschied, waren die Farbe und der Schnitt.

Mia (Abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt