Kapitel 1

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Montag

Wie jeden Tag, um es besser zu sagen, wie an jedem anderen Tag in meinem bis jetzt etwa über 6.000 Tägigen Leben, klingelte auch heute mein Wecker bereits zu früher Stunde um halb Sieben.

Ich verspürte auch heute wie an jedem anderen Tag meines Lebens, keinerlei Anzeichen von Müdigkeit. Im Gegenteil, ich fühlte mich wach. Sogar mehr als das, falls das überhaupt möglich war. Denn meine Eltern hatten es so geplant. Und an ihre täglichen Planungen hatte ich mich zu halten. Sobald ich auch nur gegen eine einzige ihrer Planungen verstieß, wurde ich dafür bestraft. Und mit täglichen Planungen, meinte ich auch wirklich täglich. Es verging kein einziger Tag, an welchem wir mal nicht nach den Planungen meiner Eltern lebten. Denn mein gesamtes Leben bestand nur aus den Planungen meiner Eltern.  Während Jugendliche in meinem Alter im Sommer fast täglich das Schwimmbad besuchten, waren meine Tage an denen ich ins Schwimmbad musste, der elfte Juli, und der dreizehnte August. Ja, ich wurde dazu gezwungen, an diesen Tagen mit meinen Eltern ins Schwimmbad zu gehen. Ganz egal, ob die Sonne schien, oder ob es ein heftiges Unwetter gab. Es war mein Leben, an welches ich mich nach sechzehn Jahren gewöhnt hatte.

Um Sechs Uhr einunddreißig klingelte mein Wecker erneut. Ein Zeichen dafür, dass ich sofort aufstehen sollte. Während andere ihren Wecker an einem Montagmorgen am liebsten gegen eine Wand schleudern würden, freute ich mich. Denn wir hatten Montag, und es war der Neunzehnte Dezember. Und das hieß für mich, dass ich heute mal ein wenig Abwechslung von allem bekam. Okay, ehrlich gesagt hieß es nur, dass ich zu meinem täglichen Schulfrühstück welches seid der ersten Klasse nur aus einem Sandwich bestand, noch einen Zimtstern dazu bekam. Es war zwar nur eine Kleinigkeit, auf die ich mich aber trotz allem das ganze Jahr über freute. Ich liebte Zimtsterne über alles. Denn diese durfte ich nur an bestimmten Tagen im Jahr  verzehren. Diese waren der Neunzehnte Dezember, welcher heute war, und der vierundzwanzigste Dezember. Und auch an diesen beiden Tagen durfte ich nur genau einen Zimtstern zu mir nehmen. Nicht mehr, und nicht weniger. Trotzdem stellte mich auch nur ein einziger Zimtstern schon völlig zufrieden.

Mit einem Schlag auf meinen Wecker, beendete ich das Klingen mit sofortiger Wirkung. Ich stand auf, und zog mich an. Schnell bemerkte ich, dass ich bereits viel zu spät dran war. Mit viel zu spät meinte ich, dass ich mir meine Hosen bereits zwei Sekunden zu spät anzog. Vor Nervosität biss ich mir auf die Lippen. Es war nicht die gute Art von Nervosität, die man hatte, wenn man sich auf etwas freute. Nein, es war vielmehr die Nervosität, die Angst mit sich brachte. Angst vor meinen Eltern. Angst davor, wie sie reagieren würden wenn ich ihnen beichte, dass ich meine Hose zwei Sekunden zu spät angezogen habe. Damit ihr eines versteht, mein ganzes Leben war bis auf die Sekunde genau durchgeplant. Deshalb hielten es meine Eltern für wichtig, dass ich jeden Tag und immer zur selben Zeit, dass selbe tat. Schnell zog ich mir meinen roten Pullover an, welchen ich nun seid neun Jahren jeden Neunzehnten Dezember tragen musste. Ja, ich musste. Früher war er mir noch viel zu groß, doch jetzt ist er mir schon fast zu klein. Doch ich musste ihn tragen, schließlich gehörte es zu den Regeln meiner Eltern. Ich zog mir außerdem noch meine weißen Socken, meine Braunen Stiefel, und meine Jeans an. So, wie es meine Eltern von mir wollten.

Um genau sechs Uhr dreiunddreißig, öffnete ich fertig angezogen meine Zimmertür. Meine Mutter stand bereits schon wartend vor meiner Tür. Sie musterte mich, und gab anschließend ein "Ist okay", von sich. Ich nickte, und betrat das Bad. Jeder Tag in meinem Leben lief bis jetzt genau so ab. Sie musterte mich täglich. Und wenn ihr etwas an meinem Outfit nicht passte, wurde ich dafür bestraft. Ja, ich wurde für etwas bestraft, was für andere eigentlich mehr als normal war. Ich hatte nie die Wahl, mir selbst meine Klamotten herauszusuchen. Es war immer die Wahl meiner Eltern. 

So wie zum Beispiel an meinem siebten Geburtstag. Da mich meine Eltern damals täglich dazu zwangen, eine Pinke Hose von Hello Kitty anzuziehen, wollte ich mal etwas neues ausprobieren. Denn für diese Hose, musste ich tägliches Gehänsel meiner Mitschüler kassieren. Ich hatte keine andere Wahl. Meine Eltern interessierte es recht wenig. Für sie war es wichtiger, dass unser Leben in einer gewissen Ordnung ablief. Da ich an meinem siebten Geburtstag nicht gehänselt werden wollte, zog ich mir meine Schwarze Hose an. Die Schwarze Hose, durfte ich zu dem Zeitpunkt nur für die Geburtstage meiner Eltern tragen. Als ich aus meinem Zimmer kam, und meine Mutter die Schwarze statts der Pinken Hose sah, fing sie an mich anzubrüllen. Sie brüllte mich an meinem Geburtstag an, und erniedrigte mich anschließend. Als Bestrafung, wurden alle meine Hosen außer der Pinken verbrannt. Seit dem befolge ich ohne zu meckern jede auch nur winzig kleine Planung meiner Eltern.

Um Sechs Uhr vierunddreißig betrat ich das Badezimmer. Ich wusch mir im ersten Schritt mein Gesicht, und putzte mir danach die Zähne. Im Anschluss band ich mir meine Haare wie jeden Montag zu einem Zopf. So etwas wie Schminke benutzte ich nicht. Denn das war einer der Sachen, die meine Eltern mir ausdrücklich verboten hatten.

Pünktlich um dreiviertel Sieben, lief ich hinunter zu meinen Eltern. Mein Vater saß wie jeden Morgen am Esstisch, und schlürfte seinen Schwarzen Kaffee, aus seiner grünen Tasse. Während ich meinem Vater einen Guten Morgen wünschte, brachte mir meine Mutter mein tägliches Müsli. Sie setzte sich ebenfalls an den Esstisch, und schlürfte ihren Tee, aus ihrer weißen Porzellantasse. Während ich mein Müsli löffelte, überlegte ich ständig wann der Perfekte Zeitpunkt dafür wäre, um meinen Eltern die Wahrheit zu gestehen. Ich räusperte mich, und meine Eltern blickten sofort zu mir. "Ich habe heute gegen eine eurer Planungen verstoßen. Und dafür möchte ich mich bei euch entschuldigen", entschuldigte ich mich bei meinen Eltern. Ich konnte die Angst in mir schon förmlich spüren. Die Angst davor, dass meine Eltern mich mit Schlägen bestrafen würden. Mein Vater atmete deutlich hörbar aus, und murmelte anschließend "Du wirst nicht bestraft". Erleichtert über seine Antwort, nickte ich. Was bei uns so viel wie Dankeschön bedeutete.

Um genau sieben Uhr beendete ich mein Frühstück.

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Frage: Mögt ihr Zimtsterne?

Meine Antwort: Ja haha :)

Wie findet ihr das Kapitel?:) Lasst mir doch eine kleine Rückmeldung da :)!!

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Briefe von einem FremdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt