31.12.2015 // 1.01.2016Der Bass ist laut. Er lässt meinen Körper vibrieren. Die Musik zieht mich in einen Bann, so wie sie es immer tut. Meine Gedanken werden immer leiser, werden immer mehr in die hinterste Ecke meines Kopfes verdrängt. Meine Füße können sich nicht stillhalten, sie bewegen sich im Takt der Musik. Der Alkohol übernimmt immer mehr Kontrolle über meinen Körper. Noch ist es nicht ganz 12 Uhr, es ist noch circa eine Stunde bis zum großen Feuerwerk und somit zum Anbruch eines neuen Jahres.
Ein Jahr, in dem alles besser werden soll. In dem alles besser werden muss.
2015 ist viel passiert. Gute Dinge, schlechte Dinge. Ich habe neue, tiefe Freundschaften geschlossen, doch auch Freunde verloren. Ich habe mich verliebt, herausgefunden, dass Herzschmerz oftmals länger dauert, als das verlieben an sich. Doch es gibt diejenigen, die dir beistehen, dich aufmuntern, dich unterstützen.
In dem Moment, als ein neues Lied anfängt, und Taylors Stimme durch den
großen Raum dringt, gebe ich nochmal alles. Nella, meine beste Freundin, und ich stechen aus der Menge herraus. Wir sind aufgedreht, trinken mit Absicht auf das alte Jahr. Übertreiben mit unseren Tanz-Moves. Und doch fühlen wir uns frei. Frei von Kummer und Sorgen. Frei von jeden Hemmungen. Frei und glücklich. Und verrückt. Nach weiteren Minuten des nichtredens zieht es uns an die Bar. Der Bass verblasst leicht, ein langsames Lied wird angespielt. Mein bester Freund steht hinter der Theke, er schenkt mir mit einem fragenden Gesichtsausdruck noch etwas von der klaren Flüssigkeit auf die Cola. Während Leo das gleiche bei Nella macht, sage ich zu Nella laut genug, damit sie es versteht, dass ich raus muss. Langsame Lieder sind oft zu emotionsvoll. Mit einem Nicken gibt sie mir zu vertehen, dass sie es verstanden hat und schaut mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an. Ich schüttle auf ihre unausgeprochene Frage meinen Kopf und kämpfe mich durch die Menge nach draußen. Als sich die Türe verschließt und die Musik mit einem Schlag leiser wird, atme ich tief durch und schaue hinauf in den Sternenhimmel. Ein klare Nacht, kein Lüftchen rührt sich. Es ist schon fast unheimlich, als ich einige Meter durch den Schnee stampfe und fast nichts mehr höre. Es ist so still. Zu still. So still sollte es nicht sein. Nach einem weiteren tiefen Atemzug, der meine Lunge mit kalter Luft fühlt, höre ich plötzlich wieder kurz Musik. Jemand kommt aus der Tür raus. Damit mich der- oder diejenige nicht sieht, entferne ich mich mehr und mehr, und steuere den Freisitz an. Es ist zwar verdammt kalt, aber der Alkohol hält mich warm. Die Minuten verstreichen langsam, die Nacht umhüllt mich, sie verschlingt mich. Fast glaube ich selber schon, einfach verschwunden zu sein. Doch dann sehe ich einen Lichtstrahl, er kommt direkt auf mich zu. Je näher dieser kommt, desto mehr erkenne ich eine Gestalt. Ich kenne diesen Körperbau."Ich hab mit Nella getauscht, sie steht jetzt hinter der Bar." Mit diesen Worten sitzt sich Leo neben mich und legt eine Decke um uns. In seiner Hand hält er zwei dampfende Tassen, von der ich mir sofort eine schnappe und feststelle, dass es Tee ist. Dankbar lächle ich ihn an. Lange sagen wir beide nichts, sitzen nur da, trinken unseren Tee und sehen in die Nacht hinaus. Mein bester Freund neben mir seufzt laut auf, schließt die Augen, atmet tief durch und meint: "So jemand wie du sollte nicht traurig sein. Du sollst glücklich sein und dich freuen, dass ein Kapitel zu ende geht und ein neues anfängt. Du musst zu dir selbst finden und du sollst keine Typen nachtrauern. Vorallem sollst du dich nicht wegen Jungs betrinken." Liebevoll nimmt er mich in den Arm. "Ich soll glücklich sein. Wie soll ich glücklich sein, wenn Louis vor einem Monat mit einer anderen rumgeknutscht hat? Und ich es nicht einmal von ihm persönlich erfahren habe, sondern über fünf Ecken? Und seine Ausrede? Er war betrunken. Glaub mir, was ich für Schimpfwörter benutzt habe, soviel verwende ich nichtmal zuhause, wenn ich wütend bin. Ich freue mich, dass dieses beschiessene Jahr nun endlich zu ende ist. 2016 wird eine neue Chance für mich, und ich werde diese auch nutzen. Doch wer garantiert mir, dass ich nicht wieder den gleichen Fehler mache? Vielleicht verlieb ich mich wieder in jemanden der mich ausnutzt. Ich will das nicht mehr. Klar, irgendwann wird wieder jemand in mein Leben treten, aber irgendwann ist nicht jetzt. Oder?" Ich löse mich etwas aus meiner zusammengekrümmten Haltung und schaue in die grünen Augen meines besten Freundes.
"Du wirst wieder jemanden finden. Jemanden besonderes. Der auf dich acht gibt, der dich kennt. Jemand der dich schätzt und liebt. Jemand der sich zweimal überlegt, ob er dich betrügt. Und jemand der sich gut mit mir versteht. Nimms mir nicht böse, aber Louis und ich hatten nichts gemeinsam, außer unseren Anfangsbuchstaben. Vorallem meine Fausthiebe waren um einiges stärker wie seine." Einen kurzen Moment herrscht die altbekannte Stimme und ich muss leicht schmunzeln. "Ja, die Fäuste. Du musstest ihm ja unbedingt eine reinhauen. Wofür ich dir übrigens sehr dankbar bin." Plötzlich muss ich laut auflachen. Louis und Leo hatten sich nie wirklich verstanden. Allein das hätte mir zum Nachdenken geben müssen. "Ich hätte mich geschämt, wenn ich ihm nicht eine verpasst hätte. Er hat dich sehr verletzt, ohne Grund. Hätte ich daneben stehen und nichts tun sollen, als ihr euch begegnet seit und er nicht einmal zu dir gesehen hat? Nicht einmal Respekt und Manieren hatte er."
"Manchmal bin ich richtig neidisch auf Eva. Weist du, du bist charmant, verstehst mich und hast immer gute Ratschläge für mich. Du bist meine Person, mein bester Freund. Du verteidigst mich und bist immer an meiner Seite. Wie läuft es eigentlich mit ihr? Wir haben jetzt soviel über mein verkorkstes Leben geredet, jetzt bist du an der Reihe! Gibt es was neues aus eurem Liebesnest?" Ich muss selbst kurz über den Ausdruck schmunzeln, bis ich seinen Gesichtsausdruck sehe.
"Nein? Oh mein Gott, sie lässt dich immer noch nicht ran?" Eva und Leo sind seit fast 7 Monaten nun zusammen. Kennengelernt haben sie sich in der Schule, allerdings ist sie sehr gläubig, genau wie ihre Eltern.
"Irgendwo kann ich sie ja verstehen, mit ihrem Glauben. Aber hallo? Wer denkt denn bitte an mich? Glaubt sie, ich habe keine verdammten Bedürfnisse? Man, ich will sie manchmal anschreien, aber dann halte ich meinen Mund doch lieber. Wir hatten das Thema schon so oft, aber ich hab das Gefühl, sie will mich garnicht verstehen. Manchmal denke ich, es ist besser, dass ich es beende. NIcht nur wegen dem nicht vorhandenen Sex, ich versteh mich nicht mehr so wie früher mit ihr. Wir haben Geheimnisse, maulen uns ohne Grund an. Und doch haben wir Spaß und sind glücklich. Nicht immer, aber..." Sein Satz bleibt unvollendet in der Luft hänen und wir schwiegen einen kurzen Moment. Ich hole tief Luft: "Leo, die alles entscheidene Frage: Liebst du sie?" Er schaut mich an. Zu lange. "Bis vor 2 Wochen hätte ich mit Ja geantwortet. Doch woher weis ich, was Liebe ist? Woher weis ich, dass ich sie liebe? Woher weis ich, dass wenn ich sie nicht verlasse, vielleicht die Liebe meines Lebens verpasse? Aber vielleicht ist sie die Liebe meines Lebens?" Die offenen Sterne verschwinden langsam aber sicher hinter Wolken. Wolken, die den bereits angekündigten Schneesturm bestätigen. Kalter Wind schlägt mir auf einmal entgegen. Meine Finger beginnen zu frieren. Ich verschränke meine Hände und hoffe, dass es nicht noch kälter wird. "Du wirst es nie wissen. Lebe einfach in die Beziehung. Rede mit ihr, versuch es in Ordung zu kriegen. Und dass mit dem Sex, das kommt schon noch."
"Manchmal will einfach nur ungezwungen Sex. Ohne verpflichtungen, ohne Schulgefühle, ohne einer Beziehung. Ohne Stress. Einfach nur die Befriedigung." Er lacht leise auf. Der Bass von meinen ehemaligen Lieblingslied ertönt. Vielleicht ist es der Gedanke, dass das Louis und mein Lied war, oder einfach der Alkohol, der aus mir spricht. Ich nehme Leos Hände und streiche zart über seine Finger. "Mir gehts es genauso. Wenn du mit Eva irgendwann Schluss machst, ziehen wir es durch. Wir zwei. Ohne Gefühle, ohne Beziehung. Einfach nur etwas Spaß. Du und ich, eine Freundschaft Plus. Was spricht denn dagegen?"
Sein skeptischer Gesichtsausdruck geht in ein schmunzeln über. "Nichts. Dann ziehen wir es durch." Ich lache laut auf. "Dann ziehen wir es eben durch. Ruf mich an." In dem Moment höre ich Menschen laut lachen. Feuerwerke, die in den Himmel schießen, und somit ein neues Jahr ankündigen. Und Menschen, die sich freuen, endlich wieder neu anzufangen. Ich nehme Leos Hand und zusammen laufen wir zu den anderen. Sektkorken knallen. Umarmungen folgen. Und ich bin glücklich, sehe mit voller Zuversicht in das neue Jahr.
Hätte ich gewusst, was im Jahr 2016 auf mich zukommt, hätte ich lieber das Jahr 2015 wiederholt.
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HalliHallo:)
Herzlich willkommen zu dieser Geschichte. Ich weis selber noch nicht, das ich hiervon halten soll... Aber was auch geschehe, denkt dran: Das ist mein Leben.
Based on a true story
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heart overhead
Teen FictionWas tust du, wenn dein Herz sich nicht entscheiden kann? Hältst du Abstand, willst du vergessen, oder wirst du nachgeben? Kann man eine jahrelange Freundschaft wegen der Liebe aufgeben? Wird das Herz oder der Kopf entscheiden? Eine wahre Geschichte...