Namen bitte!
Eben noch hatte er in einer Limousine gesessen, jetzt fand sich der Minister plötzlich auf der Straße liegend wieder. Zu seiner Überraschung verspürte er keinerlei Schmerzen. Dabei hätte er nach einem solchen Unfall doch mindestens Knochenbrüche oder Schnittwunden davontragen müssen. So weit er das beurteilen konnte, ging es ihm jedoch gut. Ungewöhnlich gut sogar. Ja nicht einmal der Backenzahn, der ihn eigentlich schon seit Tagen nervte, fiel mehr unangenehm auf.
Er erinnerte sich noch daran, den Konferenzsaal verlassen zu haben. Was er dort drinnen gehört hatte, hatte ihm nicht gefallen. Was der vorgestellte Mix aus Studien und Berichten ergeben hatte, würde für die Presse und die Gegner des behandelten Gesetzes, für welches er selbst verantwortlich war, ein gefundenes Fressen sein. Nach der Konferenz war er mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, den Blick aber entschlossen geradeaus gerichtet, kommentarlos an den wenigen Reporterteams des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks, welche sich vor dem Eingang versammelt hatten, vorbeigezogen und in die auf ihn wartende Limousine gestiegen. Sein Fahrer und er waren die Straße hinunter auf eine grüne Ampel zugefahren. Entsprechend hatte sein Fahrer nicht gehalten. Dies hatte allerdings auch für das von rechts kommende Auto gegolten, dessen Fahrer das rote Signal zum Halten entweder übersehen oder willentlich ignoriert haben musste. Ehe der Minister jedoch einen weiteren Gedanken an die Beweggründe dieses Fahrers hatte verschwenden können, war die Limousine auf seiner Seite von dem anderen Wagen erfasst worden. Danach war es um ihn herum schwarz geworden.
Er sah sich um. Die Limousine war weg. Ebenso das Auto des Unfallverursachers. Und auch die Ampel war nicht zu sehen. Da war lediglich diese Straße. Vorsichtig stand er auf. Wo waren all die Gebäude hin, die eben noch die Straße gesäumt hatten? Hier gab es nur eines; Einen hohen, gläsernen Wolkenkratzer. Verwirrt taumelte er auf das imposante Gebäude zu, schließlich schien dies hier die einzige Anlaufstelle zu sein. Er näherte sich bis auf wenige Meter. Alles an dem Ding schien aus Glas zu sein; Die Fenster, die Türen, ja selbst das was er für die tragenden Elemente der Konstruktion hielt, bestand augenscheinlich aus Glas. Über dem Eingang prangte in großen, glänzenden Lettern die Bezeichnung HIMMELSPFORTE.
Blitzschnell schoss seine rechte Augenbraue nach oben, um seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen. Sein Blick wanderte zur Eingangstür unter dem Schriftzug. Auch diese war erwartungsgemäß aus Glas. Darauf las er die Aufforderung: „Bitte treten Sie ein!"
Sofort schnellte auch seine linke Augenbraue in die Höhe. Konnte es etwa sein, dass er den Unfall gar nicht überlebt hatte? Argwöhnisch blickte sich der Minister erneut um. Sollte so etwa der Eingang zum Himmel aussehen? Hier gab es nur eine Straße und diesen Wolkenkratzer. Was auch immer das hier war, irgendetwas lief scheinbar schief. Um mehr herauszufinden, so dachte er, würde er aber wohl oder übel durch die Glastür gehen müssen. Er war zwar noch nie sonderlich abenteuerlustig gewesen und eigentlich glaubte er auch nicht an den Himmel, aber vielleicht würde sich dort drinnen alles aufklären. Vielleicht würde er da drinnen auf jemanden treffen, der ihm erklären konnte, was hier vor sich ging. Und so betrat der Minister den Wolkenkratzer.
Im Inneren fand er sich in einem Gang wieder, welchem er folgte. Der Gang war nur spärlich beleuchtet und nicht gerade geräumig. Obwohl er eigentlich Platzangst hatte, machte ihm diese Enge nun nichts aus. Es dauerte nicht lange bis der Gang in einen großen, hellen Raum mündete. Hell war allerdings noch untertrieben, denn das Licht in diesem Raum war geradezu grell. Auch sonst bot sich ihm ein mehr als merkwürdiges Bild; Der Raum war voller Menschen. Sie saßen alle auf Plastikstühlen. Das helle Licht kam von Strahlern an der Decke und wurde von den absolut weißen Wänden des Raumes reflektiert. An diesen Wänden waren Digitalanzeigen angebracht, welche sich durch ihr tristes Grau deutlich von dem Weiß der Wände abhoben. Auf diesen Anzeigen erschienen ununterbrochen Nummern. Diese wurden wiederum von den Leuten im Raum offenbar mit kleinen Zetteln verglichen, die sie in der Hand hielten. Währenddessen berieselten Harfenklänge aus unter der Decke angebrachten Lautsprechern die Menge.