Vergebung | Hannibal und Will #Hannigram

Boeuf à la ficelle

"Du hast mich enttäuscht, Will"
Hannibals raue Stimme war nur noch ein krächzen. Sein Hemd war zerissen und blutgetränkt, sein Haar fiel ihm wild auf die Stirn. Will traute sich nicht sein Gesicht anzusehen. Hannibal kam langsam auf ihn zu, Glasscherben knirschten unter seinen Schuhen. "Ich habe dir mein Innerstes gezeigt"
Will sah noch immer zu Boden und so bemerkte er, dass Hannibal seine rechte Hand zur Faust ballte. Er war unbewaffnet, doch wusste Will, dass Hannibal nichts als seine Hände brauchte, um einen Menschen zu töten. "Sieh mich an", befahl er. Will wollte ihn nicht ansehen, nicht in seine Augen schauen. Er vermied es Menschen in die Augen zu sehen, denn sie verwirrten ihn. Doch kein Augenpaar verwirrte Will so sehr wie die Hannibals. Stets funkelten sie dunkel, geheimnisvoll, belustigt. Vielleicht waren es seine Augen, die ihn für jedermann sympathisch machten. Nein, es war Hannibals unheimlicher Drang zur Manipulation. Es war als könnte er sehen was in den Köpfen der Menschen vorging, als könne er die Abgründe ihres Unterbewusstseins lesen.
Will hob seinen Blick und sah ihn direkt an. Seine Mimik war wie versteinert, da war keine Regung, es kümmerte ihn einfach nicht. Was war er? Ein Psychopath? Ein Soziopath? Ein Monster dem es nach Fleisch lechzte?
Hannibals Atem war erschreckend ruhig und gleichmäßig. Seine Nase war blutig, die Lippe aufgeplatzt.
"Falls Sie eine Entschuldigung wollen, Dr. Lecter, sie werden keine bekommen", sagte Will. "Ich will eine Erklärung. Ich habe dir ein Geschenk gemacht und du hast es weggeworfen. Ich habe dir gezeigt was - nein wer ich wirklich bin"
"Ein psychopathischer Kannibale?", fragte Will und wusste selbst nocht nicht, ob es eine gute Idee war, Dr. Lecter zu reizen.
Hannibal legte seine Hand auf Wills Oberarm und drückte ihn fest. Will stand mit dem Rücken an den Küchentresen gepresst und wusste, dass ein Messer hinter ihm lag. Es brauchte nur einen ruckartigen Reflex und einen Stoß und das Messer würde in Hannibals Kehle stecken. Will stellte sich vor wie Hannibal nach Luft rangte und ihm das warme Blut über die Hände lief, wie er langsam zusammensackte, ihm dabei fest in die Augen schaute und ihm beim Sterben zusah. Die Vorstellung erfüllte ihn einerseits mit Glück, andererseits aber mit einer fremden Leere.
"Und was bist du? Du hast mit mir zusammen gejagt und gespeist. War das alles nur zur Tarnung? Wir sind uns einander ähnlich Will Graham. Ähnlicher als du begreifen möchtest. Ich habe dich verändert."
Eine einzelne Träne lief über Hannibals Wangen hinab, bis sie schließlich zu Boden fiel und sich mit dem Blut vermischte.
"Nein. Ich habe Sie verändert. Sie wollten, dass ich Ihr Freund bin, aber wir werden niemals Freunde sein."
Hannibal näherte sich seinem Gesicht bis auf wenige Zentimeter und Will konnte seinen heißen Atem spüren.
"Vielleicht hast du recht", flüsterte er Will zu.
Er griff mit seiner anderen Hand in Wills Haare, die nass vom Schweiß waren. Er zog ihn näher an sich heran und Will wehrte sich nicht. Hannibal schloss die Augen und küsste ihn. Will schmeckte das süße Aroma von Wein und salzigem Schweiß, vermischt mit dem metallischen Geschmack von Blut. Er ließ zu, dass sich ihr Speichel vermischte. Hannibal war stürmisch und verlangend und ließ erst nach einer gefühlten Ewigkeit von ihm ab. Will spürte aber keine Wärme, sondern nur ein kaltes Ziehen, dass von seiner linken Seite ausging. Er sah an sich herunter und erkannte, dass Hannibal sich das Messer genommen und ihn niedergestochen hatte. Er presste seine Hände gegen die Wunde und sah erneut zu Hannibal. Seine Augen waren nass und gerötet.
"Lebwohl", kam es von dem Psychiater. Er drehte Will den Rücken zu und verließ die Wohnung. Nun war es sein eigenes warmes Blut, welches ihm über seine Hände lief und er war es, der zusammensackte und das Bewusstsein verlor.
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