Party

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  Kapitel 2:

Tig brachte mich in das Nebengebäude, in dem scheinbar eine Party lief oder zumindest ein Saufgelage. Das war wirklich nicht der Ort an dem ich mich wohl fühlen würde und so blieb ich im Eingang stehen.
„Ach, komm schon Süße.", flüsterte Tig, und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr. „Hier bist du erst mal sicher." Zögernd ging weiter und er setzte mich an der Bar ab. Hinter dem Tresen stand eine ältere Frau mit langen braunen Haaren und sortierte Gläser in das Regal.
„Kindchen, was ist denn mit dir passiert?", fragte sie mich entsetzt, als sie mich sah. Ihr musternder Blick ging zwischen mir und Tig hin und her. „Ich war das nicht. Ehrlich nicht. Hab sie nur mit Juice von der Straße geholt.", sagte Tig, verteidigend mit den Händen über dem Kopf. Die Frau kam um den Tresen zu mir rüber und blickte mich an: „Oh Scheiße... ich denke du musst mir nichts sagen. Willst du 'nen Drink?" Vorsichtig strich sie mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr und betrachtete meine notdürftig versorgte Platzwunde, dann ging sie zurück hinter den Tresen und reichte Tig und mir einen Tequila.

Der Tequila brannte mir die Kehle hinunter und ich schüttelte mich kurz. Tig grinste mich schief von der Seite an und ich wich seinem Blick aus. Mit meinen Händen hielt ich mich an der Bierflasche fest, die er mir draußen gegeben hatte. „Jetzt mal ehrlich, Süße. Wer war das?" Nervös fummelte ich an dem Etikett der Flasche bis ich schließlich anfing zu erzählen: „Mein Freund, Ben. Er... ähm... also er verliert schnell die Kontrolle, war meine Schuld. Ich hätte nicht..." weiter kam ich gar nicht, denn Tig unterbrach mich, in dem er mit der Faust auf den Tresen schlug: „Nein, verdammte Scheiße! So etwas ist niemals gerechtfertigt. Fuck, ich kann dich kaum ansehen. Der Typ soll mir einmal unter die Augen kommen."
Ich senkte den Blick, denn ich verstand ihn und seine Wut nur zu gut. Mein Blick ging zur Tür als Juice rein kam. Er sah verschwitzt aus und der verärgerte Blick, den er Tig schenkte schien Tig nur zu amüsieren. „Komm her, hast dir dein Bier verdient." - „Ja, im Gegensatz zu dir!", erwiderte Juice und nahm das Bier, welches vor Tig stand und trank es in einem großen Schluck aus. Alle lachten und so langsam traute ich mich die anderen auch mal zu betrachten. Es waren fast nur Männer hier und die meisten trugen eine Lederkutte. Scheinbar gehörten alle zu einer Art Gang. Vermutlich eine Biker-Gang wie ich mir anhand der Motorräder vor dem Gebäude zusammen reimte. Ein Blick an die Rückwand des Raumes verhalf mir zu der Erkenntnis, dass es sich bei dem Club um die „Sons of Anarchy" handelte.
Alle unterhielten sich, lachten und machten derbe Späße miteinander. Gemma, so hieß die nette ältere Frau hinter dem Tresen, versorgte mich in regelmäßigen Abständen mit Tequila. Sie bot mir ein Gästebett in der oberen Etage an. Ich dankte ihr und hoffte auf das Angebot später zurück kommen zu können.
Die meiste Zeit des Abends saß ich allein an der Theke und trank mein Bier. Gemma war die Frau von Clay, so viel hatte ich mitbekommen. Sie tanzten viel miteinander und den Blick den ihr Clay zu warf, war einer, den ich bei Ben nie gesehen hatte. Es schmerzte an ihn zu denken. Wahrscheinlich ist er völlig aus der Haut gefahren, als er bemerkte, dass ich weg bin und hat die halbe Einrichtung zerstört. Wenn er mich jemals findet, wird er seine gesamte Aggression gegen mich richten und dann wird all das, was er mir bis jetzt angetan hat keinen Vergleich finden zu dem was er mir dann antun wird. Ich überlegte, ob seine Wut soweit reichte, dass er nach mir suchen würde. Was wäre, wenn er mich finden würde?

„Hey Süße, alles okay?", Juice ließ mich aus meinen Gedanken hochfahren. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie mir die Tränen schon wieder über das Gesicht liefen. Mit meinem Ärmel wischte ich sie kurzerhand weg und stand dann auf um an die frische Luft zu gehen. Juice lief mir mit ein wenig Abstand hinter her. Draußen setzte ich mich auf einen Tisch und blickte in den Himmel. Mit langsamen Schritten näherte Juice sich mir und hielt mir dann eine Zigarette hin. „Danke, dass ist echt nett von dir." - „Darf ich mich zu dir setzen?", fragte er mich und ich nickte. Wir saßen gefühlte Ewigkeiten einfach nur so da ohne ein Wort miteinander zu reden, bis er schließlich wieder rein ging. Auch wenn wir uns nicht unterhalten haben, machte es mich ein wenig traurig, dass er gegangen ist. Es tat gut nicht alleine zu sein und trotzdem nicht den ganzen Scheiß mit Ben nochmal zu erzählen. Ich glaube, dass war es auch. Die ganze Geschichte mit Ben sollte ich versuchen mal auszublenden. Wenigstens diesen einen Abend. Es wird schon noch genug Zeit geben um über all die Fehler nachzudenken. Es wird genug Momente des Bereuens geben.

Gerade als ich aufstehen wollte um mit neuem Mut nach drinnen zu gehen, stand Juice wieder vor mir und reichte mir ein neues Bier. Ich lächelte zum ersten Mal an diesem Abend. Es war auch das erste Mal, dass ich ihn bewusst ansah. „Danke, dass ihr mich mitgenommen habt." Er setzte sich neben mich und legte seine Jacke über meine Schultern. So Aufmerksam war Ben nie und auch sonst niemand den ich kannte. „Vor wem läufst du denn nun weg? War das dein Vater?" - „Nein, mein jetzt wohl hoffentlich Ex-Freund." sagte ich verbissen. „Aber können wir da vielleicht lieber morgen drüber reden? Ich glaube, es tut mir ganz gut, wenn ich auf andere Gedanken komme. Erzähl du mir doch mal was über deine Gang hier." Er lachte leicht, während er mir antwortete: „Okay, lass das nicht die anderen hören. Wir sind keine Gang, sondern ein Motorrad-Club. Stell es dir einfach wie eine große Familie vor."
Wir verloren uns in einem Gespräch über alles Mögliche und ich war glücklich, dass er mich nicht noch mal nach Ben und meinen Narben fragte. Er schien Verständnis zu haben und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass er genau wie ich mit inneren Dämonen zu kämpfen hatte.
Zwischendurch kam Clay raus, um wie er es nannte, nach dem Rechten zu sehen. Er müsse auf seine Männer aufpassen, schließlich würde ich wie eine gefährliche Kämpferin aussehen. Da musste ich lachen und versicherte ihm, dass alles in Ordnung sei. „Fass mir die Kleine nicht an.", waren seine letzten Worte zu Juice, bevor er wieder rein ging. Kurze Zeit später bat ich Juice mit mir rein zu gehen. Die Stimmung drinnen war mittlerweile eine ganz andere. Clay und Gemma waren nicht mehr da. Einige der Männer lagen auf den Sofas, oder schliefen einfach auf den Stühlen. Tig verschwand gerade mit zwei leicht bekleideten Frauen in dem hinteren Teil des Gebäudes. Ein junges Mädchen saß noch mit zwei älteren Männern in einer Ecke auf der Couch. Die Musik war viel leiser, als noch vor einigen Stunden. Juice und ich setzten uns auf eine Couch in der Nähe des Eingangs. Der Alkohol machte mich müde und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter, worauf er den Arm um mich legte. Es herrschte eine Vertrautheit zwischen uns die ich so zuvor noch nie gefühlt habe. Ich war mir einfach sicher, dass mir hier nichts schlimmes widerfahren würde. Er erzählte mir gerade wie er sich in der Schule mit seinem Mathematik-Lehrer fast geprügelt hätte, als ich merkte wie ich langsam einschlief. Der Tag war einfach zu lang und zu ereignisreich.  

Love and FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt