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Ich starrte auf den riesigen Spiegel vor mir. Der Raum war nur schwach von dem violetten Neonlicht beleuchtet so, dass ich fast nur Schatten sehen konnte.
Ich rückte näher an den Spiegel und lehnte meinen Kopf leicht dagegen.
Das Glas beschlug sofort durch meinen warmen Atem. Ich schluckte. Meine Haare hingen mir fransig ins Gesicht und ich pustete sie mir weg. Mein Blick wanderte zu meinen Augen. Rot. Ich glaube ich hatte noch nie so viel gekifft, wie vor einer Stunde.
Ich begann zu grinsen. Vorsichtig fuhr ich mir mit einer Hand über meine Wange, die leicht glänzte durch den Schweiß.
Ich nahm die gedämpfte Schwingung der Musik wahr, die aus dem hinteren Raum kam. Auch Stimmen waren zu erkennen.
Ich hob leicht meinen Kopf an und legte ihn in den Nacken.
Mein Atem wurde zittrig und ich merkte wie meine Muskelkraft langsam nachließ.
Ich ließ mich am Spiegel entlang gleiten und lag einfach nur da. Der intensive Geruch der Toiletten stieg mir in meine Nase, aber ich ignorierte ihn.
Ich starrte auf meine abgemagerten Arme. Rot zerkratzt. Narbig. Ekel erregend. Erst jetzt merkte ich, wie mir eine Träne die Wange herunterlief.
Ich unternahm nichts dagegen. Ich war das schon gewöhnt. Immer, wenn ich high war wurde ich emotional.
Das salzige Wasser lief in meinen Mund und auf meine Arme. Es brannte höllisch.
Ich schaute auf die alte, verschmutzte Uhr über der Tür. Halb Zwei.
Ich hätte schon im Heim sein müssen.
Egal. Alles ist mir egal. Es interessiert sowieso keinen, ob ich nun weg bin oder nicht. Ich könnte auch nie wiederkommen und es würde niemandem auffallen.
Wieso bin ich eigentlich noch hier?
Wieder diese Frage. Täglich stelle ich mir sie. Und ich frage mich ernsthaft, warum ich noch nicht weg bin. Weg von allem. Weg von meiner Mutter. Weg von dem Heim. Weg von den täglichen Trips.
Weg von hier. Weg von dieser Welt.
Wahrscheinlich bin ich einfach zu feige.
Ich traue mich nicht zu springen.
Ich habs versucht. Oft. Aber, nie hab ich es geschafft. Wieso? Ich habe nichts, was mich hier hält. Ich bin verloren. Verloren in meiner eigenen Welt, die aus Drogen, Ritzen und Heulen besteht.
Nichts, was man vermissen würde.
Aber ich kann es nicht. Ich bin ein Feigling. Ich kann nichts und habe niemanden.
Urplötzlich schrie ich auf. Aus dem Nichts. Der Schrei füllte den leeren Raum. Nochmal. Tränen strömten meine Wangen runter und ich schaute mich im Spiegel an. Abschaum. Ekelhaft. Ich schlug gegen den Spiegel. Zweimal, Dreimal. Er splitterte. Die Scherben bohrten sich in meine Haut, als ich weiter auf die Wand einschlug.
Blut rinnte meine Arme herunter.
Das einzige Zeichen, welches mir sichtbar machte, dass ich noch lebte. Noch existiere. Aber, ich will nicht mehr existieren. Ich atmete tief ein und die stickige Luft füllte meine Lunge.
Weiter heulend rappelte ich mich auf. Ich lehnte mich ab Waschbecken ab, um stand zu halten.
Ich wollte dem ganzen ein Ende setzen.
Jetzt. Und niemand konnte mich davon abbringen.
Ich wischte mit dem Ärmel meine Tränen weg.
Ich riss die Tür auf und stürmte nach draußen. Die Menschen, die mir entgegen kamen ignorierte ich gekonnt.
Als ich in die Freiheit stürmte traf mich die beißende Kälte.
Ich kümmerte mich nicht weiter darum.
Ich wusste genau, wo ich hinwollte.
Zur Brücke. 
Die grellen Farben der Werbeplakate taten in meinen Augen weh.
Die Scheinwerferlichter der Autos rasten an mir vorbei.
Ich versuchte weiter ruhig zu atmen, bekam dies aber nicht unter Kontrolle.
Endlich angekommen stellte ich mich an das Geländer. Ich starrte auf die mit Fahrzeugen befüllte Straße, schloss meine Augen und ließ nochmal alles auf mich wirken. Diesmal würde ich es hinkriegen. Ganz sicher. Ich würde mich endlich trauen. Gerade als ich auf die andere Seite des Geländers steigen wollte, merkte ich wie meine Muskelkraft ganz nachgab.
Es wurde schwarz.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 17, 2017 ⏰

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lost. - yoonmin.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt