Youtuber Oneshots

Warum streamst du nicht mit Stegi? #Stexpert

Freitagabend. Kurz vor Elf. Den Stream hatte er gerade beendet, aber der Chat rastete immer noch aus. Den größten Teil der Nachrichten konnte er garnicht richtig lesen, da diese sofort durch Neue ersetzt wurden. Auf einen Kommentar zum Gameplay folgten gefühlt 20 #CallStegi oder eine #Frage und dazwischen immer wieder ein #derChatlebt oder ein #Stexpert und viel mehr konnte er aus dem Buchstabenwirrwarr auch nicht herausfiltern.

Er wusste nicht so recht was er daraus jetzt schlussfolgern sollte, aber es war ja eigentlich klar gewesen, dass sich viele wünschen Stegi in seinem Stream zu hören und dass eine breite Spanne seiner Community Stexpert shippte. Dennoch war er irgendwie unzufrieden mit dieser Situation, denn einerseits ging es in diesen Streams hauptsächlich um das wöchentliche Timoliaturnier, auch wenn er dabei meistens fast schon kläglich versagte, und andererseits hatte er, wenn er mit Stegi streamte, oft das Gefühl das fünfte Rad am Wagen zu sein. Es war verständlich, denn schließlich machte Stegi viel seltener Videos als er, obwohl er in letzter Zeit auch nicht wirklich was zustande brachte, weshalb alle förmlich auf die Videos mit Stegi flogen und dennoch waren Kommentare wie "Hab das Video nur wegen Stegi gekuckt" oder "Stegi macht das Video 100x besser" verletzend.

Wenn er jetzt so darüber nachdachte, könnte man fast meinen er wäre eifersüchtig oder er würde Stegi nicht mögen, aber das war nicht der Fall. Tatsächlich ärgerte er sich viel mehr über sich selbst, denn wenn er Stegi nach dem gemeinsamen Stream vor etwas mehr als zwei Wochen keine Vorwürfe gemacht hätte, hätten sie sich nicht gestritten, Stegi hätte auch nicht wütend aufgelegt und er hätte jetzt den Stexpert- Wünschen nachgehen und Stegi einfach fragen können ob er nächste Woche Lust beziehungsweise Zeit für einen gemeinsamen Stream hätte. Hätte, hätte, Fahrradrette! Doch das war noch nicht einmal sein größes Problem, denn Stegi hatte sich seitdem auch nicht mehr bei ihm gemeldet und jetzt fühlte er sich natürlich schlecht.

Ja, er gab es zu, es tat ihm leid, er hatte an besagtem Freitag einen schlechten Tag gehabt, dann waren die Timoliaserver abgeschmiert und schlussendlich hatte Stegi nach dem Stream nur über seine Freundin, irgendwelche Sexstellungen und den Unialltag gequatscht und ihn gar nicht zu Wort kommen lassen. Er war sich immer noch nicht ganz sicher, warum ihn das an diesem Tag so auf die Palme brachte, denn schließlich redete Stegi häufig stundenlang und er hörte zu und warf ab und zu einen geistreichen Kommentar ein, das hatte sich so eingebürgert, genauso wie sein verhasster Spitzname "Timmi". Auf jeden Fall hatte er Stegi unterbrochen und ihm auf eine sehr unschöne Art und Weise klargemacht, dass ihn seine Freundin gerade einen Dreck interessiert und er seine eigenen Probleme hatte.

Es folgte, was folgen musste: Stegi zischte wütend irgendeine Beleidigung und legte, wie schon erwähnt, einfach auf. An dem Abend war ihm dies ehrlich gesagt herzlichst egal gewesen und er war einfach müde ins Bett gefallen und gedacht, dass die "kleine Zimtzicke", besser bekannt als Stegi, sich schon wieder einkriegen würde. Tja, falsch gedacht und jetzt hatte er den Salat! Da war er einmal wirklich schlecht gelaunt und sofort stand eine Freundschaft auf dem Spiel und seine Community wusste natürlich von nichts und malte sich weiterhin die schönsten Liebesszenarien zwischen den beiden aus. Das Schicksals meinte es anscheinend mal wieder garnicht gut mit ihm. Und über den ganzen Mist,  der sich im Moment als sein Leben bezeichnete, musste er sich gerade jetzt, wo er sowieso krank war und eigentlich besser schlafen sollte, den Kopf zerbrechen.

Er raffte sich auf und putzte sich, während er seinen Computer herunterfuhr, noch einmal die Nase, bevor er sich auf den Weg zu seinem Badezimmer machte um auf die Toilette zu gehen und danach die Zähne zu putzen. Schließlich trottete er zurück, zog sich die Klamotten vom Leib und warf sich auf sein Bett.

Er versuchte wirklich zu schlafen, aber es funktionierte einfach nicht, denn es war doch immer das Gleiche, sobald man wirklich schlafen möchte, denkt sich das Gehirn "Jetzt graben wir doch mal ganz tief in der Schublade und kucken wie wir dich so richtig schön emotional durcheinander bringen, sodass du bis 2 Millionen Schäfchen zählst und trotzdem nicht einschlafen kannst". Super, ganz große Klasse! Denn das "Schäfchen zählen" half tatsächlich nicht gegen den nächtlichen Drang irgendetwas Dummes zu tun, was er am nächsten Morgen garantiert bereuen würde. Dieser Drang bestand nämlich hauptsächlich daraus Stegi anzuschreiben und sich zu entschuldigen oder noch besser, doch gleich bei ihm anzurufen.

Als er jedoch auf die Uhr seines Handy schaute, nachdem er es schließlich doch gegriffen hatte, war ihm schnell klar, dass die Anruf- Option in den Wind geschossen werden sollte, außer wenn er wollte, dass Stegi ihn umbrachte. Und da musste er fast schon grinsen, Stegi würde ihn jetzt wahrscheinlich eiskalt anrufen und es mit seinem Charme sogar schaffen, dass er ihm nichtmal sonderlich böse wäre. Aber er war schließlich nicht Stegi und die Situation war um einiges ernster.

Er öffnete den Chatverlauf von Stegi und gab tatsächlich etwas ein, er löschte es wieder, gab schließlich etwas Anderes ein, war auch mit dieser Version einer ernstgemeinen Entschuldigung nicht zufrieden und schlussendlich hatte er einen nicht perfekten, aber dennoch akzeptablen Text zustande gebracht. Das Einzige, was jetzt noch fehlte, war das Senden, aber ihm fehlte einfach der Mut. Wer schickt seinen Freund schon mitten in der Nacht, zwei Wochen nach einem Streit eine viel zu lange Entschuldigung und hat eine unglaubliche Angst vor der Reaktion? Richtig, nur der Tim! Tun musste er es trotzdem, dass war ihm klar, sonst wäre der ganze Aufwand ja umsonst gewesen, also kniff er einfach die Augen zu und drückte ganz schnell auf "Senden", dann öffnete er vorsichtig ein Auge nach dem Anderen und atmete erleichtert aus.

Aus einem Haken wurden Zwei, Stegi ging online, die Häkchen wurden blau und das online änderte sich in schreibt. Warte, was? Stegi schreibt! Das Handy ließ er fallen als hätte er sich verbrannt, damit hatte er nicht gerechnet, Stegi sollte die Nachricht doch erst morgenfrüh lesen! Er war unschlüssig, aber dann doch zu neugierig, zu sehr interessierte ihn Stegi's Reaktion. Er griff nach seinem Handy, schaltete es an und tippte auf die neue Nachricht.
"Klar verzeih' ich dir, Timmi!
Ich dacht' schon du meldest dich nie ¯\_(ツ)_/¯"
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